- Tschechische Sozialdemokratische Partei
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Die Česká strana sociálně demokratická [ˈtʃɛskaː ˈstrana ˈsotsɪaːlɲɛ ˈdɛmokratɪtskaː] (Tschechische Sozialdemokratische Partei, abgekürzt ČSSD), ist eine sozialdemokratische politische Partei in Tschechien, Mitglied der Sozialistischen Internationale und der Partei der Europäischen Sozialisten. Derzeit ist sie eine der beiden dominierenden Parteien Tschechiens. Sie stellt in der Sněmovna, dem Abgeordnetenhaus, die zweitgrößte Fraktion. Im Oktober 2008 konnte die Partei ihre Position weiter ausbauen: Bei den Teilwahlen zur zweiten Parlamentskammer, dem Senat, gewann sie 16 Abgeordnete hinzu und stellt mit 29 Senatoren auch hier die zweitgrößte Fraktion (ODS 35). Bei den Wahlen zu den Bezirksparlamenten wurde die Partei in allen 13 Bezirken stärkste Kraft und stellt seit dem alle Bezirkshauptmänner.
Einer der wichtigsten Politiker der Partei war Miloš Zeman. Er wurde im Jahr 1993 Parteivorsitzender. Die Partei etablierte sich unter seiner Führung als führende Kraft im linken Parteienflügel Tschechiens und stellte nach den Parlamentswahlen von 1996 hinter der ODS erstmals die zweitstärkste Fraktion im Abgeordnetenhaus. Die ČSSD gewann 1998 die folgenden vorgezogenen Wahlen und Miloš Zeman wurde Ministerpräsident einer von der ODS tolerierten Minderheitsregierung. Bei den Wahlen 2002 konnte sich die ČSSD gut behaupten: Der nach dem Rückzug Zemans 2001 neu gewählte Parteivorsitzende Vladimír Špidla beerbte Zeman in einer Koalitionsregierung bestehend aus ČSSD, KDU-ČSL und US-DEU auch im Amt des Ministerpräsidenten. Unter seiner Führung kam es jedoch zu internen Streitereien der Partei: So gelang es z. B. trotz der entsprechender Mehrheit im Parlament (Senat und Abgeordnetenhaus zusammen) nicht, Miloš Zeman als Kandidaten der ČSSD bei den Präsidentenwahlen 2003 durchzusetzen (es siegte nach mehreren Wahlgängen überraschend Václav Klaus von der ODS). Špidla musste daraufhin 2004 wegen des katastrophalen Ergebnisses bei den Europawahlen (nur 8,8%) seine Ämter an Stanislav Gross abgeben.
Seit dem Rücktritt von Stanislav Gross im Frühjahr 2005 aufgrund einer Immobilienaffäre war zunächst Bohuslav Sobotka kommissarischer Vorsitzender der Partei; größten Einfluss hatte jedoch in der Zwischenzeit der stellvertretende Vorsitzende und neue Premierminister Jiří Paroubek, der am 13. Mai 2006 auf einem Parteitag in Prag (unmittelbar vor den Wahlen) zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Er bekam 91,9 % Stimmen der Delegierten (von 521 Delegierten stimmten 479 für ihn, 35 gegen ihn, 7 Stimmen waren ungültig).
Nach den Abgeordnetenhauswahlen im Frühjahr 2006 gab es in Tschechien ein parlamentarisches Patt: Sowohl der Block der „Linken“, ČSSD und Kommunisten, als der Block der „Rechten“ bestehend aus ODS, KDU-ČSL und SZ erreichten zusammen jeweils 100 Sitze. Dieses Patt lähmte das politische Geschehen in Tschechien bis zum Jahresende. Denn weder verständigten sich die großen Parteien auf eine Zusammenarbeit, noch wollten die KDU-ČSL bzw. SZ einer auf die Unterstützunmg der Kommunisten angewiesene Regierung der ČSSD angehören. Infolgedessen war auch die Konstituierung des Abgeordnetenhauses erst nach mehrwöchiger Verzögerung möglich, da anfangs kein Kandidat die notwendige Mehrheit für die Wahl eines Vorsitzenden erreichte. Der nach Konstituierung der Kammer im September 2006 von Präsident Klaus mit dem Auftrag zur Regierungsbildung beauftragte ODS-Vorsitzende Mirek Topolánek konnte erst im Januar 2007 im zweiten Anlauf eine mehrheitsfähige Regierung bilden, nachdem zwei Abgeordnete die Fraktion der ČSSD verlassen hatten und sich zu einer Tolerierung einer Regierung des rechten Flügels bereit erklärten. Jiří Paroubek übernahm das Amt des „Opposistionschefs“. Als dieser schaffte er es, im März 2009 die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Topolánek durch ein Misstrauensvotum zu stürzen, nachdem einzelne Abgeordnete der ODS und der SZ ihrerseits der eigenen Regierung das Vertrauen versagten.
2007 verließ Miloš Zeman nach einem internen Streit die Partei. Zeman wurde vorgeworfen, in einem Rechtsstreit bezogen auf Restitutionsansprüche gegenüber der Parteizentrale dem beauftragten Anwalt ein überhöhtes Honorar vertraglich zugesichert haben. Paroubek versuchte, u.a. auch in öffentlichen Aufrufen, Zeman zurück in die Partei zu holen. Er ist mittlerweile auch wieder als Kandidat für die Präsidentenwahl 2013 im Gespräch.
Der ČSSD wird oft (vor allem von der ODS) ihre verstärkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Kommunisten (KSČM) vorgeworfen. Dies gilt umso mehr, da sie auf Bezirksebene zum Teil auch formelle Koalitionen mit der kommunistischen Partei eingegangen ist.
Inhaltsverzeichnis
Historische Entwicklung
- 1878–1893: Sociálně-demokratická strana českoslovanská v Rakousku (Tschechoslowakische Sozialdemokratische Partei in Österreich), als Teil der österreichischen Sozialdemokratie
- 1894–1938: Českoslovanská sociálně demokratická strana dělnická (Tschechoslowakische Sozialdemokratische Partei der Arbeiter), als eigenständige Partei
- 1938–1941: Národní strana práce (Nationale Partei der Arbeit) – Einheitliche Partei der Sozialdemokraten und Nationalsozialen
- 1945–1948: Československá sociální demokracie (Tschechoslowakische Soziale Demokratie)
- 1948–1989: Die sozialdemokratische Partei wurde mit der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) vereinigt, im Exil existierte sie aber weiter.
- 1990–1993: Československá sociální demokracie (Tschechoslowakische Soziale Demokratie)
- seit 1993: Česká strana sociálně demokratická (Tschechische Sozialdemokratische Partei)
Wahlergebnisse bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus seit 1990
- 1990: 4,1 % - 0 Sitze
- 1992: 6,5 % - 16 Sitze
- 1996: 26,4 % - 61 Sitze
- 1998: 32,3 % - 74 Sitze
- 2002: 30,2 % - 70 Sitze
- 2006: 32,3 % - 74 Sitze
Weblinks
Siehe auch
Mitgliedsparteien der Sozialdemokratischen Partei EuropasBelgien: Parti socialiste · Socialistische Partij Anders | Bulgarien: Balgarska Sozialistitscheska Partija | Dänemark: Socialdemokraterne | Deutschland: Sozialdemokratische Partei Deutschlands | Estland: Sotsiaaldemokraatlik Erakond | Finnland: Suomen Sosialidemokraattinen Puolue | Frankreich: Parti socialiste | Griechenland: Panellínio Sosialistikó Kínima | Irland: Labour | Italien: Democratici di Sinistra · Socialisti Democratici Italiani | Lettland: Latvijas Sociāldemokrātiskā Strādnieku Partija | Litauen: Lietuvos socialdemokratų partija | Luxemburg: Lëtzebuerger Sozialistesch Arbechterpartei | Malta: Partit Laburista | Niederlande: Partij van de Arbeid | Norwergen: Arbeiderpartiet | Österreich: Sozialdemokratische Partei Österreichs | Polen: Sojusz Lewicy Demokratycznej · Unia Pracy | Portugal: Partido Socialista | Rumänien: Partidul Social Democrat | Schweden: Socialdemokraterna | Slowenien: Socialni demokrati | Spanien: Partido Socialista Obrero Español | Tschechien: Česká strana sociálně demokratická | Ungarn: Magyar Szocialista Párt · Magyarországi Szociáldemokrata Párt | Vereinigtes Königreich: Labour · Social Democratic and Labour Party | Zypern: Kínima Sosialdimokratón
Assoziierte Parteien
Bulgarien: Partija Balgarski Sozialdemokrati | Kroatien: Socijaldemokratska Partija Hrvatske | Mazedonien: Socijaldemokratski Sojuz na Makedonija | Schweiz: Sozialdemokratische Partei | Türkei: Demokratik Toplum Partisi · Cumhuriyet Halk PartisiParteien mit Beobachterstatus
Andorra: Partit Socialdemòcrata | Bosnien und Herzegowina: Socijaldemokratska partija Bosne i Hercegovine | Island: Samfylkingin | Israel: Meretz-Jachad · Awoda | San Marino: Partito dei Socialisti e dei Democratici | Serbien: Demokratska Stranka
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