- Ulrich Zieger
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Ulrich Zieger (* 29. Dezember 1961 in Döbeln) ist ein deutscher Schriftsteller.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Ulrich Zieger ist der Sohn eines Handwerkers und einer Lehrerin. Er lebte bis 1970 in Waldheim und von 1970 bis 1981 in Magdeburg, wo er eine Ausbildung zum Chemigrafen absolvierte. 1981 ging er nach Berlin. Dort arbeitete er in einem wissenschaftlichen Verlag; daneben war er literarisch aktiv in der alternativen Szene im Stadtviertel Prenzlauer Berg. Er wirkte als Mitarbeiter an diversen literarischen Untergrundzeitschriften und bei der freien Theatergruppe „Zinnober“ mit. Anfang der 1980er Jahre lernte Zieger Gert Neumann kennen, dessen Freundschaft ihm wichtige künstlerische Impulse gab. [1]
1985 schrieb Zieger sein erstes Theaterstück „Die Sonne ist blau“, das sich motivisch mit dem Kindermörder Jürgen Bartsch auseinandersetzt. Das Stück wurde in der DDR diskutiert, vom henschel Schauspiel Verlag und den Verantwortlichen des Berliner Ensemble, jedoch weder verlegt, noch inszeniert. [2]
Im Frühjahr 1989 verließ Zieger die DDR und ging nach Westdeutschland. In den kommenden Jahren erweiterte er „Die Sonne ist blau“ um die Theaterstücke „Die Verlagerung der Steppe“ und „Das zwischen den Schläfen ... den Augen“ zur Trilogie „Immer währende Hanglage“. Auch diese Stücke wurden zunächst nicht inszeniert und erlebten erst Mitte der 1990er Jahre ihre Uraufführung. Reinhardt Stumm charakterisiert Ziegers damalige Stellung in der Theater- und Literaturszene: „Mal interessierte sich dieser, mal jener, aber es wurde nie was daraus. Er ging in den Westen, da kam er aus der DDR, das war auch nicht richtig. Die Glückspilze sitzen auf Stuhl oder Bank, der Platz dazwischen war für ihn reserviert.“[3]
1990 erschien Ziegers erster Lyrikband „Neunzehnhundertfünfundsechzig“. Für diese Veröffentlichung wurde er 1991 mit dem Nicolas-Born-Preis ausgezeichnet. In seiner Laudatio schrieb Uwe Kolbe über das Buch: „[...] dieser „briefwechsel“, in dem „mit jedem / gedicht aus der kindheit / ein schweigen erhalten“ wird. Ich bin wahrlich süchtig geworden nach dieser Art Schweigens. Es geht eine Kraft aus von ihm, die sich steigert, die von Gedicht zu Gedicht aufbrandender, zwingender wird.“[4]
1992 lernte Zieger Wim Wenders kennen, der an der Fortsetzung seines Films Der Himmel über Berlin arbeitete. Zieger übernahm das Drehbuch. Der Film kam 1993 unter dem Titel In weiter Ferne, so nah! in die Kinos.
Im selben Jahr holte Annegret Hahn Zieger ans Schillertheater in Berlin, um Der Auftrag von Heiner Müller zu inszenieren. Als kurz darauf die Schließung des Schillertheaters bekannt gegeben wurde, ließ man den Plan fallen.[5] Statt dessen schrieb Zieger das Stück „Über die Mandelbrotmenge“, das als eine der letzten Produktionen des Theaters uraufgeführt wurde. Zieger erinnert sich an die Situation im Schillertheater: „Aber dann ging doch alles den Bach runter und die Mitglieder des Hauses fuhren alle in Urlaub, obwohl sie erst gesagt hatten, wir bleiben alle hier und werden hier schlafen und essen. [...] Am Ende waren das alles nur Leute von draußen; Arbeitslose, Enthusiasten und Anfänger. [...] Ich selber habe inszeniert, und als eine Woche vor der Premiere noch immer ein Darsteller fehlte, hab ich selber mitgespielt (lacht).“[6]
Bereits 1989 hatte Zieger seinen Wohnsitz nach Montpellier verlegt, wo er 1995 seinen Roman „Der Kasten“ beendete. Michael Eberth schrieb in einer Laudatio auf Ulrich Zieger: „Wo wäre in diesem Land in letzter Zeit ein Stück Prosa zu lesen gewesen, das beim Beschreiben unserer Welt vergleichbare magische Kräfte entfaltet?“[7] Die Zeitung Die Welt schrieb über den „Kasten“ und Ziegers Erzählung „Der zweifelhafte Ruhm dreier Dichter“: „Beide Bücher gehören zum Besten der deutschen Gegenwartsliteratur.“
Dem Roman „Der Kasten“ ist auch das Prosastück „Schwarzland“ entnommen, aus dem Zieger zusammen mit dem Musiker Bert Wrede ein Hörspiel entwickelte. Auch für das Hörspiel „Die Hügel vor den Städten“ arbeiteten die beiden zusammen.
1997 nahm Zieger am Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt teil.
Seit Ende der 1990er Jahre beauftragten ihn zahlreiche deutsche Bühnen mit dem Verfassen von Theaterstücken, darunter das Thalia Theater Hamburg, die Schaubühne am Lehniner Platz und das Theaterhaus Jena.
Ziegers jüngste Buchveröffentlichung, der Gedichtband „L’Atelier / Die Werkstatt“, erschien 2010 im französischen Verlag Èditions Grèges in deutscher und französischer Sprache.
Seit einigen Jahren ist Ulrich Zieger zusätzlich zu seiner literarischen Produktion als Übersetzer aus dem Französischen tätig. Er übertrug unter anderem Werke von Jean Genet und Boualem Sansal ins Deutsche.
Ulrich Zieger lebt in Montpellier, Frankreich.
Werkübersicht
Theaterstücke
- Die Sonne ist blau, Uraufführung Freie Kammerspiele Magdeburg, 1998
- Die Verlagerung der Steppe, Uraufführung Theater 89 Berlin, 1996
- Das zwischen den Schläfen ... den Augen, Uraufführung Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, 1996
- Über die Mandelbrotmenge, Uraufführung Schillertheater Berlin 1993
- Die Scheinbarkeit und die Irrnis, Uraufführung Schauspiel Hannover, 1999
- Die Knochen (Die Geschichte der Lala S.), 2000
- Die Erzählung der ganzen Geschichte, Auftragsstück für das Thalia Theater Hamburg, Uraufführung Theater Bielefeld 2002
- SKETCH oder Die Weltanschauung, Auftragsstück für das Theater Bielefeld, Uraufführung Theater Bielefeld 2003
- Ehe die Menschen noch einmal ans Meer gingen, Auftragsprojekt für die Schaubühne am Lehniner Platz Berlin 1996/2002
- Rückkehr (Woswraschenje), Uraufführung Thalia Theater Hamburg, 2004
- Der Bürgermeister, Uraufführung Theater Bielefeld, 2006
- Was an diesem Abend wirklich mit Betty Boop geschah, 2006
- Beispiel, 2008
Lyrik
- Neunzehnhundertfünfundsechzig, Berlin: Druckhaus Galrev 1990. ISBN 3-910161-13-8
- Große beruhigte Körper, Berlin: Druckhaus Galrev 1992. ISBN 3-910161-23-5
- Vier Hefte, Berlin: Druckhaus Galrev 1999. ISBN 3-933149-19-3
- L’Atelier / Die Werkstatt, Èditions Grèges 2010.
- Aufwartungen im Gehäus, Berlin und Hörby: Edition Rugerup 2011.
Prosa
- Der zweifelhafte Ruhm dreier Dichter, Berlin: Druckhaus Galrev 1991. ISBN 3-910161-27-8
- In der Finsternis, Berlin: Druckhaus Galrev 1993. ISBN 3-910161-42-1
- Schwarzland, Berlin: Druckhaus Galrev 1994. ISBN 3-910161-44-8
- Der Kasten, Berlin: Druckhaus Galrev 1995. ISBN ISBN 3-910161-67-7
- Stiere, Berlin: Druckhaus Galrev. ISBN 3-910161-84-7
- Willkommen und Abschied, Berlin: Basis-Druck 2001. ISBN 978-3-86163-111-8
Hörspiele
- Die Hügel vor den Städten, Produktion: DS Kultur und Buschfunk Berlin, 1994
- Schwarzland, Produktion: Druckhaus Galrev, 1995
- Über den Fortgang des Matriarchats, Produktion: Bayerischer Rundfunk, 2000
Übersetzungen
- Olivier Py: Theater, Gifkendorf: Merlin Verlag 2004
- Jean Genet: Ein verliebter Gefangener, Gifkendorf: Merlin Verlag 2006. ISBN 978-3-87536-253-4
- Boualem Sansal: Postlagernd: Algier. Zorniger und hoffnungsvoller Brief an meine Landsleute, Gifkendorf: Merlin Verlag 2008. ISBN 978-3-87536-267-1
- Boualem Sansal: Das Dorf des Deutschen, Gifkendorf: Merlin Verlag 2009. ISBN 978-3-87536-281-7
Auszeichnungen
Ulrich Zieger erhielt u. a. folgende Auszeichnungen:
- 1991 den Nicolas-Born-Preis für Lyrik
- 1993 den Förderpreis zum Brandenburger Literaturpreis
- 1997 den Förderpreis zum Jakob-Michael-Reinhold-Lenz-Preis für Dramatik der Stadt Jena sowie
- 2000 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung.
Quellen
- ↑ “Geh den Fährten entgegen“. Interview mit Ulrich Zieger. In: „Das zwischen den Schläfen ... den Augen“. Programmheft des Mecklenburgischen Staatsschauspiels 1996/1997
- ↑ Ebd.
- ↑ Reinhardt Stumm: „Eine Begegnung im Mai“. In: „Die Scheinbarkeit und die Irrnis“. Programmheft des Niedersächsischen Staatstheaters Hannover 1999/2000
- ↑ Uwe Kolbe: „Laudatio auf den Nicolas-Born-Preisträger 1991 Ulrich Zieger“
- ↑ “Geh den Fährten entgegen“
- ↑ Ebd.
- ↑ Michael Eberth: „Laudatio für Ulrich Zieger“. In: Theater der Zeit Mai/Juni 1997
Weblinks
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