Wahlen in Japan

Wahlen in Japan

In Japan finden auf nationaler Ebene folgende Wahlen statt:

  • zum Shūgiin, dem Unterhaus, regulär alle vier Jahre, meistens in kürzeren Abständen und
  • zum Sangiin, dem Oberhaus, alle drei Jahre. In diesen Wahlen werden jeweils nur die Hälfte der Abgeordneten neu gewählt; die Amtszeit von Abgeordneten im Oberhaus liegt bei sechs Jahren.

Gleichzeitig mit Unterhauswahlen findet oft die Bestätigung der Richter des Obersten Gerichtshofes statt. Darüber hinaus finden Nachwahlen für verstorbene und zurückgetretene Abgeordnete in Wahlkreisen nach Bedarf statt. (Bei durch Verhältniswahl gewählten Abgeordneten oder im Sangiin bei Vakanzen innerhalb von drei Monaten nach regulären Wahlen werden die Vakanzen stattdessen durch Nachrücker gefüllt.)

Auf subnationaler Ebene werden alle vier Jahre die Gouverneure der Präfekturen, die Bürgermeister der Gemeinden (Shi, Machi, Mura und in den 23 Bezirken Tokios) und die Stadträte und Präfekturparlamente gewählt. Viele dieser Wahlen werden in den „einheitlichen Regionalwahlen“ (jap. 統一地方選挙, tōitsu chihō senkyo) in Jahren vor Schaltjahren zusammengefasst. Bei den letzten einheitlichen Regionalwahlen im April 2011 wurden 12 Gouverneure, 41 Präfekturparlamente und über 1.000 Bürgermeister oder Kommunalparlamente gewählt.

Geregelt sind alle diese Wahlen im 1950 erlassenen „Gesetz über die Wahl zu öffentlichen Ämtern“ (公職選挙法, kōshoku-senkyo-hō), das vorher bestehende Einzelgesetze ersetzte.

Inhaltsverzeichnis

Stimmabgabe

Eine Besonderheit von Wahlen in Japan ist, dass anders als in den meisten anderen Demokratien die Stimmabgabe nicht durch Ankreuzen, Durchstreichen oder ähnliche Markierungen sondern durch Ausschreiben des Namens des Kandidaten (bzw. der Partei bei der Verhältniswahl) erfolgt. Dies ist einer der Hauptgründe, warum der Wahlkampf in Japan hauptsächlich darin besteht, durch Lautsprecherwagen, Plakate und in persönlichen Begegnungen immer wieder den Namen des Kandidaten zu wiederholen. Einige Politiker schreiben ihren Namen auch in Kana statt in Kanji, um ihren Wählern die Abstimmung zu erleichtern.

„Proportionale Bruchteilstimmen“

Aus dieser Form der Stimmabgabe und dem japanischen Schriftsystem erwachsen als weitere Besonderheit die „proportionalen Bruchteilstimmen“ (按分票, ambunhyō), die rechtlich in Artikel 68 des „Gesetzes über die Wahl zu öffentlichen Ämtern“ geregelt sind. Ist eine Stimme wegen Namensgleichheit oder gleicher Schreibung verschiedener Namen nicht eindeutig einem Kandidaten zuzuordnen, so gilt sie nicht als ungültige Stimme, sondern wird – gewichtet mit den Stimmenanteilen unter den voll gültigen Stimmen der betroffenen Kandidaten – allen möglicherweise gemeinten Kandidaten zugeschlagen. Dabei wird nach der dritten Nachkommastelle gerundet.[1]

Kandidieren zum Beispiel in einem Wahlkreis die Kandidaten Ichirō Tanaka, Jirō Tanaka und Konata Izumi, die 2000, 1500 und 500 eindeutig zuzuordnende Stimmen erhalten haben. Darüber hinaus steht auf 100 Stimmzetteln nur Tanaka. Dann werden Ichirō Tanaka davon 100×2000÷3500=57,143 Stimmen und Jirō Tanaka 100×1500÷3500=42,857 zugeschlagen. Das offizielle Endergebnis lautet demnach: Ichirō Tanaka 2.057,143 Stimmen, Jirō Tanaka 1.542,857 Stimmen und Konata Izumi 500,000 Stimmen. Die Gesamtsumme der (in diesem Fall 4.100) abgegebenen Stimmen bleibt also bis auf kumulierte Rundungsfehler erhalten.

Wahlrecht

Das aktive Wahlrecht haben alle japanischen Staatsbürger, die das 20. Lebensjahr vollendet haben. Passives Wahlrecht für das Shūgiin, für Bürgermeister, für Präfektur- und Kommunalparlamente erhalten alle Männer und Frauen mit dem vollendeten 25. Lebensjahr, Kandidaten für das Sangiin sowie für das Gouverneursamt in den Präfekturen müssen das 30. Lebensjahr vollendet haben.

Wahlrecht für Ausländer

Großkundgebung im April 2010 gegen das Ausländerwahlrecht unter Teilnahme führender konservativer Politiker wie Tadamori Ōshima, Takeo Hiranuma, Yoshimi Watanabe und Shizuka Kamei.

Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes würde es gegen die Verfassung verstoßen, Ausländern die Teilnahme an Wahlen auf nationaler Ebene zu gestatten. Dagegen ist es nicht verfassungswidrig, dies bei Wahlen auf niedrigerer Ebene (z.B. Stadträte) zu erlauben. Darüber kann der Gesetzgeber frei entscheiden.[2]

Ein erster Gesetzentwurf über das Kommunalwahlrecht für Ausländer wurde 1998 von der Kōmeitō gemeinsam mit der Demokratischen Partei (DPJ) eingebracht, aber nicht verabschiedet. Die DPJ lancierte 2000 einen erneuten erfolglosen Vorstoß. Seit 1999 arbeitet die Kōmeitō mit der Liberaldemokratischen Partei (LDP) in der Regierung zusammen; die Koalitionsvereinbarung sah eigentlich die Umsetzung des Ausländerwahlrechts vor. Innerhalb der LDP gibt es jedoch verschiedene Stimmen, die das Ausländerwahlrecht strikt ablehnen oder auf bestimmte Gruppen (Bürger der ehemaligen Kolonien Korea und Taiwan) beschränken wollen. Nachdem 2005 im Nachbarland Südkorea das Kommunalwahlrecht für Ausländer eingeführt wurde und 2007 die DPJ im Sangiin die Mehrheit gewann, wurde das Thema erneut diskutiert. Ein Kōmeitō-Entwurf aus dem Jahr 2005 kam wieder nicht durch das Parlament. Das Gesetz hätte registrierten Ausländern über 20 aus solchen Staaten, in denen Ausländer vergleichbare Rechte besitzen, die Möglichkeit gegeben, an Wahlen auf Präfektur- und Kommunalebene teilzunehmen.

Nach der Regierungsübernahme der Demokratischen Partei 2009 hatte Generalsekretär Ichirō Ozawa angekündigt er wolle 2010 versuchen einen Gesetzentwurf ins Parlament einzubringen, das dauerhaft in Japan lebenden Ausländern das Präfektur- und Kommunalwahlrecht einräumt. Allerdings ist der Koalitionspartner der Demokraten, die Neue Volkspartei, gegen ein solches Gesetz.[3]

Bei Volksabstimmungen in einigen Gemeinden, deren Regeln die Kommunen selbst beschließen können, sind ausländische Einwohner bereits stimmberechtigt. Außerdem dürfen in einigen Gemeinden Minderjährige ab 18 Jahren an Volksabstimmungen teilnehmen.

Wahlsystem und Wahlkreise

Wahlkreiseinteilung Japans für das Unterhaus seit 1996 (Liste)

Ab 1947 wurden beide Kammern durch Einfache nicht-übertragbare Stimme gewählt. Das Land war für die Unterhauswahl 1947 in 117 Wahlkreise eingeteilt, in denen je nach Einwohnerzahl zwischen drei und fünf Abgeordnete gewählt wurden; die Wahlkreiseinteilung und die Zahl der Abgeordneten wurde später mehrfach geändert. Das Wahlsystem hat in den kleinen Wahlkreisen dazu geführt, dass kleine Parteien und unabhängige Kandidaten chancenlos waren, in den großen Wahlkreisen dagegen stellte die LDP oft mehrere Kandidaten, die sich gegenseitig Konkurrenz machten. Nach dem Machtverlust der LDP im Jahr 1993 war daher eines der Hauptziele der neuen Regierung eine Reform des Wahlsystems, die auch im Jahr 1994 durchgeführt wurde.

Das aktuelle Wahlsystem sieht nach Reformen in den Jahren 1994 und 1996 im Unterhaus 480 und im Oberhaus 242 Abgeordnete vor. Von den 480 (bis 1996 500) Sitzen des Unterhauses werden in einem Grabenwahlsystem 300 in Ein-Mandat-Wahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt, die übrigen 180 (bei der Wahl 1996 zunächst 200) Mandate werden in Verhältniswahl nach Parteilisten gewählt. Im ursprünglichen Reformentwurf von 1994 gab es nur eine landesweite Liste, nach der Rückkehr der LDP an die Macht im selben Jahr wurde dieser Teil in 11 regionale Verhältniswahlblöcke aufgeteilt. Die Wahlperiode für das Unterhaus beträgt vier Jahre, allerdings kam es in der Nachkriegsgeschichte mit Ausnahme von 1976 immer vor dem Ende der Legislaturperiode zu Neuwahlen.

Das Oberhaus wird zum Teil durch Verhältniswahl mit nationalen Parteilisten (96 Mandate) gewählt; mit einer zusätzlichen Vorzugsstimme können die Wähler seit 2001 Einfluss darauf nehmen, wer über die Listen gewählt wird. Die übrigen 146 Sitze werden durch Einfache nicht-übertragbare Stimme bestimmt, wobei die 47 Präfekturen als Wahlkreise dienen (je Präfektur eins bis zehn Mandate, also maximal fünf pro Wahl). Das Mandat ist auf 6 Jahre beschränkt, jeweils eine Hälfte der Abgeordneten wird alle 3 Jahre gewählt.

Ursprüngliches Ziel der Einführung des Verhältniswahlblocks war, die kleinen Parteien in Konkurrenz zur LDP zu stärken, durch die Aufteilung in Regionen ist allerdings wieder ein größerer Stimmenanteil nötig, um wenigstens einen Sitz zu erreichen. Da der Direktmandate-Block fast doppelt so groß ist, spielen einzelne Abgeordnete und ihre Verbindung zum Wahlkreis im Vergleich zu Deutschland weiterhin eine große Rolle. Ob sich das Zweiparteiensystem aus Liberaldemokratischer und Demokratischer Partei stabilisiert, ist offen – die Verhältniswahl verhindert ohnehin ein reines Zweiparteiensystem, da die kleineren Parteien auch ohne Direktmandate Sitze im Parlament gewinnen können, und das Zweikammersystem erhöht die Wahrscheinlichkeit für Koalitionsregierungen. In der Oberhauswahl 2010 ist es der zweitstärksten Partei, der Liberaldemokratischen Partei, gelungen, zusammen mit den anderen Oppositionsparteien eine Mehrheit zu erringen und so Gesetzesvorhaben der Regierung zu verzögern – ein sogenanntes Nejire Kokkai, „verdrehtes Parlament“, wie es seit den 1990er Jahren mehrfach vorkam.

Gleichheit der Wahl

Die Wahlkreise haben unterschiedlich viele Wähler. Dies führt dazu, dass in weniger dicht besiedelten Wahlkreisen eine Stimme mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Parlamentes hat als in Wahlkreisen mit größerer Bevölkerungsdichte. Das Problem wird in Japan mit dem Ausdruck ippyō no kakusa (一票の格差), wörtlich „der Unterschied einer Stimme“, zusammengefasst.

Die damit verbundenen Fragen haben zu einer Vielzahl von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes geführt, die in einigen Fällen die Verfassungswidrigkeit der Wahlkreiseinteilung festgestellt haben. Allerdings wurde bisher noch keine Wahl aus diesem Grund für ungültig erklärt; vielmehr bleibt dem Gesetzgeber jeweils eine angemessene Frist, die Ungleichheit zu beseitigen.[4]

Bei der letzten Shūgiin-Wahl 2009 hatten die Wähler im wählerärmsten Wahlkreis Kōchi 3 (212.376 Wahlberechtigte) ein etwa 2,3-faches Stimmgewicht gegenüber den bevölkerungsreichsten Wahlkreis Chiba 4 (489.437 Wahlberechtigte). Die Wahl wurde von Obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt und das Ungleichgewicht muss durch Neuordnung der Wahlkreise korrigiert werden (genauer 違憲状態, iken jōtai, in „verfassungswidrigem Zustand“, eine gegenüber iken, „verfassungswidrig“, abgeschwächte Formulierung mit gleicher Konsequenz).

Vor der letzten Sangiin-Wahl 2010 lag die größte Differenz zwischen der Präfektur Kanagawa (1,2 Millionen Wahlberechtigte pro Abgeordneter) und der Präfektur Tottori (243 Tausend Wahlberechtigte für einen Abgeordneten), also ein fünffaches Stimmgewicht.

Einzelnachweise

  1. ザ・選挙大事典>按分. In: ザ・選挙. JANJAN (Japan Alternative News for Justices and New Cultures), abgerufen am 7. Juni 2009 (japanisch).
  2. Entscheidung vom 28. Februar 1995
  3. Ozawa positive about granting local voting rights to non-Japanese. In: The Japan Times. 22. September 2009, abgerufen am 22. September 2009 (englisch).
  4. Vgl. Takahashi u.a. Kempō Hanrei Hyakusen II (Hundert ausgewählte Entscheidungen zum Verfassungsrecht II), 2007, S. 336 ff.

Weblinks

 Commons: Wahlen in Japan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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