Wahlsystem (Österreich)

Wahlsystem (Österreich)

Die Republik Österreich hat ein Wahlsystem auf der Grundlage der Verhältniswahl.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

  • 1848: Einführung des Zensuswahlrechts.
  • 1873: Reichsratswahlreform in Österreich-Ungarn: Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses wurden aufgrund des Zensuswahlrechts in vier Kurien (adlige Großgrundbesitzer, Stadtgemeinde, Handel und Gewerbe, Landgemeinden) gewählt. Wahlberechtigt waren nur etwa 6 % der männlichen Bevölkerung ab 24 Jahren; die erforderliche jährliche Mindeststeuerleistung war örtlich verschieden geregelt und betrug etwa in Wien 10 Gulden. In der Großgrundbesitzerkurie waren auch "eigenberechtigte" Frauen, d. h. Frauen, die sich selbst vertraten, wahlberechtigt.
  • 1882: Taaffe'sche Wahlrechtsreform: Die Steuerleistung zur Wahlteilnahme wurde auf 5 Gulden herabgesetzt.
  • 1896: Badenische Wahlreform schuf eine allgemeine Wählerklasse (Die 5. Kurie war die allgemeine Klasse männlicher Wähler ab 24 Jahre.) Die Mitglieder der ersten 4 Kurien durften in der 5. Kurie noch einmal wählen, die Anzahl der Mandate pro Wählerstimme war zwischen den Kurien ungleich verteilt.
  • 1907: Beck'sche Wahlrechtsreform: Abschaffung des Kurienwahlrechts und Einführung eines allgemeinen Männerwahlrechts (aktives Wahlrecht: 24 Jahre; passives Wahlrecht: 30 Jahre).
  • 1919: Nach dem Untergang des Kaiserreichs Österreich-Ungarn und dem Gesetz vom 12. November 1918 über die Staats- und Regierungsform in Deutschösterreich erlangten auch die Frauen das allgemeine und gleiche Wahlrecht.
  • 1920: Für die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs vom 16. Februar 1919 wurde ein eigenes Wahlgesetz geschaffen. Übergang zum Verhältniswahlrecht (Proporzwahlrecht), das vor allem von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) gefordert wurde.
  • 1929, 1939 bis 1945
  • 1949: Mit der Wiedererrichtung der Republik Österreich gilt auch wieder das Wahlrecht von 1920.
  • 1970 und 1992 wurde die Nationalratswahlordnung (NRWO) reformiert.
  • 2003: Herabsetzung des Wahlalters von 19 auf 18 Jahre (BGBl. I Nr. 90/2003)
  • 2007: Herabsetzung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, Vereinfachung von Briefwahl und Wählen im Ausland, Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre, Herabsenkung des passiven Wahlalters von 19 auf 18 Jahre (BGBl. I Nr. 27/2007 und 28/2007).

Allgemein

Gewählt wird in Österreich auf drei Ebenen: Bundesebene, Landesebene und Gemeindeebene, immer nach dem Verhältnisprinzip. Alle Männer und Frauen, die spätestens am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, besitzen ein allgemeines, freies, gleiches, unmittelbares, geheimes und persönliches Wahlrecht. Ein Ausschluss aus diesem ist nur durch Gerichtsbeschluss möglich.

Bundesebene

Auf der Bundesebene werden der Nationalrat, der Bundespräsident und die österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament gewählt.

Nationalratswahl

In den österreichischen Nationalrat werden 183 Mitglieder für fünf Jahre gewählt (seit der Wahl 2008, vorher für vier Jahre). Das Bundesgebiet wird dabei in 9 Landeswahlkreise und diese wiederum in 43 Regionalwahlkreise unterteilt. Es gibt für jede dieser drei Ebenen ein Ermittlungsverfahren.

Die Mandate im Regionalwahlkreis und im Landeswahlkreis werden nach Wahlzahlen (siehe Sitzverteilung) ermittelt. Im dritten Ermittlungsverfahren, in dem das Höchstzahlverfahren nach d'Hondt angewendet wird, findet ein bundesweiter proportionaler Ausgleich statt.

Wahlsystem: Verhältniswahl mit verbundenen Bundes-, Landes- und Regionallisten. Die Wähler können die Listen mit Hilfe der Vorzugsstimme umreihen.

Besonderheiten: Dreistufige Sitzverteilung in 43 Regionalwahlkreisen, 9 Landeswahlkreisen (Bundesländer) und auf Bundesebene, wobei die Sitze einer unteren Ebene auf der höheren angerechnet werden. Überhangmandate werden vom Mandatskontingent der anderen Parteien abgezogen. Stimmensplitting ist nicht erlaubt.

Aktives und passives Wahlrecht: Aktiv wahlberechtigt ist jeder österreichische Staatsbürger, der das 16. Lebensjahr spätestens mit Ablauf des Wahltages vollendet hat (§ 21).

Passiv wahlberechtigt ist, wer am Stichtag die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, und spätestens mit Ablauf des Wahltages das 18. Lebensjahr vollendet hat und vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen ist (§ 41).

Stimmenzahl: Jeder Wahlberechtigte hat nach § 36 nur eine Stimme (Parteistimme). Darüber hinaus kann er nach § 79 Abs. 1 jeweils eine Vorzugsstimme für einen Bewerber der Landesparteiliste und der Regionalparteiliste der von ihm gewählten Partei vergeben.

Einteilung des Wahlgebietes – Zuordnung der Mandate an Wahlkreise: Das gesamte Bundesgebiet ist in 9 Landeswahlkreise (Bundesländer) eingeteilt, die wiederum in 43 Regionalwahlkreise eingeteilt sind.

Jedem Landeswahlkreis werden vor der Wahl so viele der 183 Mandate zugeordnet, wie sich Einwohner nach der letzten Volkszählung dort ergeben und zwar nach dem Quotenverfahren nach größten Bruchteilen (Hare). Diese Mandate werden entsprechend an die Regionalwahlkreise unterverteilt. (Diese Verteilung an die Regionalwahlkreise vor der Wahl hat allerdings keinen Einfluss auf die Verteilung der Mandate.)

Kandidatur: Für das Einbringen eines Landeswahlvorschlages (Kandidatenliste, Zustimmungserklärungen) sind in Wien und Niederösterreich 500, in Oberösterreich und der Steiermark 400, in Tirol, Kärnten und Salzburg 200, in Vorarlberg und dem Burgenland jeweils 100 Unterstützungserklärungen Wahlberechtigter erforderlich; alternativ die Unterstützung von 3 Abgeordneten zum Nationalrat.

Sperrklausel: Nach §§ 100 Abs. 1, 107 Abs. 2 NRWO nehmen im zweiten und dritten Ermittlungsverfahren nur Parteien teil, die im ersten Ermittlungsverfahren zumindest in einem der Regionalwahlkreise ein Mandat – d. h. eine regionale 14%(Graz)-bis-86%(Osttirol)-Hürde – oder im gesamten Bundesgebiet mindestens 4% der abgegebenen gültigen Stimmen erzielt haben.

Sitzverteilung

Erstes Ermittlungsverfahren (Regionalwahlkreis)

Im Landeswahlkreis (Bundesland) wird eine Wahlzahl bestimmt: Abgegebene gültige Stimmen durch die Zahl der dem Landeswahlkreis zugeordneten Mandate, erhöht auf die nächste ganze Zahl.

Jede Partei erhält so viele Mandate, wie die Wahlzahl in ihrer Parteisumme im Regionalwahlkreis enthalten ist (§ 97).

Zuweisung der Mandate an die Regionalbewerber der Regionalparteilisten nach Maßgabe der Vorzugsstimmen: D. h. Bewerber, die halb so viele Vorzugsstimmen wie die Wahlzahl oder ein Sechstel so viele Vorzugsstimmen erzielt haben, wie auf diese Partei im betreffenden Regionalwahlkreis gültige Stimmen, erhalten die Mandate in der Reihenfolge der Vorzugsstimmen zugeteilt. Die restlichen Mandate werden in der Reihenfolge der Regionalparteiliste zugeteilt.

Zweites Ermittlungsverfahren (Landeswahlkreis)

Jede Partei, die die Sperrklauseln überwunden hat, erhält so viele Mandate, wie die Wahlzahl in ihrer Parteisumme im Landeswahlkreis, abzüglich allenfalls im ersten Ermittlungsverfahren erzielter Mandate.

Die Landeslistenmandate gehen zuerst an die Bewerber, die mindestens so viele Vorzugsstimmen wie die Wahlzahl erhalten haben, in der Reihenfolge der Vorzugsstimmen, die weiteren Mandate in der Reihenfolge, in der sie auf der Landesparteiliste angeführt sind.

Drittes Ermittlungsverfahren

Dies ist der entscheidende Rechenschritt. Alle 183 Mandate werden bundesweit nach dem Divisorverfahren mit Abrundung (d'Hondt) an die Parteien verteilt.

Hat eine Partei dabei schon mehr Mandate im zweiten Ermittlungsverfahren erhalten (Überhangmandate), behält sie diese Mandate. Die verbleibenden Mandate werden nochmals auf die anderen Parteien aufgeteilt.

Die im dritten Ermittlungsverfahren berechneten Mandate werden abzüglich der in den ersten beiden Ermittlungsverfahren zugeteilten Sitze den Bewerbern der Parteien in der Reihenfolge des Bundeswahlvorschlages zugewiesen.


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