Walter Siegfried Kießling

Walter Siegfried Kießling

Walter Siegfried Kießling (* 24. Juli 1892 in Tannroda; † 1966 in Göttingen) war Jurist, Politiker (DNVP, später NSDAP), von 1933 bis 1936 Oberbürgermeister der Stadt Gera und von 1936 bis 1945 Oberbürgermeister der Stadt Erfurt.

Leben

Kießling studierte in Jena und Berlin Staats- und Rechtswissenschaften und legte Anfang 1914 seine erste juristische Staatsprüfung ab. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Referendar am Amtsgericht Kahla, war beim Landgericht in Altenburg und Oberverwaltungsgericht Jena beschäftigt und nach seinem 1921 abgelegten Assessorexamen Hilfsrichter am Jenaer Amts- und Landgericht. Er war 1922 vertretungsweise Direktor der Landesstrafanstalt in Ichtershausen, 1923 Hilfsrichter in Eisenach und ab 1924 als Rechtsanwalt in Weimar tätig. Er war ab 1920 Mitglied der DNVP, wechselte 1930 zur NSDAP und stieg innerhalb von drei Jahren vom Ortsgruppenleiter zum Bezirks- und Kreisleiter und schließlich zum Gaustellenleiter in Weimar auf. Ebenso wurde er Gauführer im 1928 gegründeten Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen.[1]

Kießling wurde am 24. März 1933 von der Gemeindevertretung der Stadt Gera zum Oberbürgermeister gewählt und übte dieses Amt vom 1. April 1933 bis zum 8. März 1936 aus. Ende 1933 begann er mit der Entlassung von „national unzuverlässigen“ Beamten, Angestellten und Arbeitern.

Am 11. März 1936 trat er das Amt des Oberbürgermeisters in Erfurt an, wo er als Verwaltungsfachmann und entschlossener Politiker galt. Auch zeigte er sich bei der Verfolgung jüdischer Bürger sehr aktiv, angefangen von alltäglichen Diskriminierungen bis hin zu Deportationen der Erfurter Juden. Er begab sich in regelrechte Konkurrenz zu Gauleiter Sauckel um seine Stadt besonders schnell „judenfrei“ zu bekommen.[2] So vermerkte der Sicherheitsdienst in einem Bericht:

„In der Judenfrage wollte K. gegenüber den zentral gelenkten Maßnahmen der Stapo eigene Wege gehen, um Erfurt baldmöglichst judenfrei hinstellen zu können.“[3]

Kießling, der auch SA-Standartenführer war,[1] setzte sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges für eine kampflose Übergabe der Stadt an die US-Truppen ein, um eine sinnlose Zerstörung zu vermeiden. Der Kampfkommandant der Stadt, Oberst Otto Merkel, lehnte dies allerdings ab und befahl die Erschießung Kießlings, welche aber nicht vollstreckt wurde. Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde er als Oberbürgermeister abgesetzt und am 23. Mai 1945 festgenommen. 1947 wurde er, nach Internierung in verschiedenen Lagern, entlassen. Sein Entnazifizierungsverfahren wurde 1949 mit „entlastet“ abgeschlossen.[3]

Kießling ging später nach Oldenburg und ließ sich 1956 in Göttingen als Rechtsanwalt nieder.

Literatur

  • Steffen Raßloff: Die Oberbürgermeister der Stadt Erfurt seit 1872. In: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt 35 (2007). S. 25-27.
  • Günter Domkowsky: Oberbürgermeister der Stadt Gera, Verlag Dr. Frank GmbH 2007, ISBN 978-3-934805-31-6.
  • Klaus Brodale, Heidrun Friedemann: Das war das 20. Jahrhundert in Gera, Wartberg Verlag 2002, ISBN 3-831-31273-7.

Einzelnachweise

  1. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 308.
  2. Steffen Raßloff, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen: Blätter zur Landeskunde, hier: Antisemitismus in Thüringen, S. 7.
  3. a b Erfurt-Web: Oberbürgermeister



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