Walther Flemming

Walther Flemming
Walther Flemming
Polytänchromosomen in einer Speicheldrüsenzelle von Chironimus, eine von über 100 Zeichnungen in Flemmings Hauptwerk Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung von 1882
Darstellung von Mitosefiguren in Beiträge zur Kenntnis der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen, Th. III 1882, die originale Bildunterschrift lautet: "Einige aus vielen gesehenen Theilungen aus der menschlichen Cornea". Es handelt sich möglicherweise um die erste publizierte Darstellung menschlicher Chromosomen.
Weitere Mitosefiguren aus Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung 1882

Walther Flemming (* 21. April 1843 in Sachsenberg, Mecklenburg; † 4. August 1905 in Kiel) war ein deutscher Anatom und Zellbiologe. Er gilt als der Begründer der Zytogenetik. Von ihm wurden 1879 die Begriffe Chromatin und Mitose geprägt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Flemming wurde im mecklenburgischen Sachsenberg nahe Schwerin als fünftes Kind des Psychiaters Carl Friedrich Flemming (1799-1880) und dessen zweiter Frau Auguste Winter geboren. Er besuchte das Gymnasium der Residenzstadt in Schwerin (damals die Residenz der Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin). Auf dem Gymnasium machte er die Bekanntschaft mit Heinrich Seidel, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.[1] Flemming studierte in Göttingen, Tübingen, Berlin und an der Universität Rostock Medizin, wo er 1868 das Staatsexamen ablegte. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 diente er als Militärarzt. 1873 bis 1876 arbeitete er als Dozent an der (damals noch deutschsprachigen) Karls-Universität Prag. 1876 wurde er auf eine Professur für Anatomie an die Universität Kiel berufen, wo er als Direktor des dortigen Anatomischen Institutes bis zu seinem Tod wirkte.

Werk

Flemming war einer der Pioniere der mikroskopischen Zytologie. Unter Verwendung der neu verfügbaren industriell hergestellten Anillinfarben fand er eine Zellstruktur, die sich stark mit basophilen Farbstoffen anfärben ließ und die er deswegen Chromatin (von altgriechisch χρῶμα, chroma = Farbe) benannte. Er entdeckte, dass das Chromatin mit fadenähnlichen Strukturen, den Chromosomen (d.h. "Farbkörperchen") assoziiert war (dieser Name wurde 1888 von Heinrich Wilhelm Waldeyer geprägt). Etwa zur selben Zeit und unabhängig von Flemming machte der belgische Wissenschaftler Édouard van Beneden ähnliche Beobachtungen. Flemming untersuchte den Prozess der Zellteilung und Teilung des Chromatins, für den er den Begriff "Mitose" prägte [2]. Seine Ergebnisse veröffentlichte er 1882 in dem bahnbrechenden Werk Zellsubstanz, Kern und Zelltheilung. Aufgrund seiner Entdeckungen formulierte Flemming den Grundsatz omnis nucleus e nucleo, in Analogie zu Virchows omnis cellula e cellula.

Die Arbeiten Gregor Mendel über Vererbung waren Flemming nicht bekannt, so dass er nicht zu der Vermutung kam, dass es sich bei den Chromosomen um die Erbsubstanz handeln könnte. Erst ein halbes Jahrhundert später wurde mit den Experimenten von Oswald Theodore Avery, Colin MacLeod und Maclyn McCarty bewiesen, dass die in den Chromosomen verpackte DNA tatsächlich die Erbsubstanz darstellt. Nichtsdestoweniger werden Flemmings Arbeiten (zusammen mit denen von August Weismann, Matthias Jacob Schleiden, Theodor Schwann, Thomas Hunt Morgan u.a.) zu den bedeutendsten der modernen Zellbiologie gezählt.[3][4]

Die Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie verleiht seit dem Jahre 2004 die Walther-Flemming-Medaille.

Einzelnachweise

  1. Jürgen Seidel: Der Schriftsteller Heinrich Seidel und sein berühmter Jugendfreund - Walther Flemming. In: Zellbiologie aktuell, 30. Jahrgang, Ausgabe 2/2004, S. 26/27 (pdf)
  2. Die später von ihm Mitose genannten Vorgänge stellte er erstmals 1878 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor: Flemming, W. Zur Kenntniss der Zelle und ihrer Theilungs-Erscheinungen. In: Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Holstein 3 (1878), 23-27.
  3. 100 Greatest Discoveries - Carnegie Institution
  4. The Science Channel: 100 Greatest Discoveries: Biology

Literatur

  • Lukács, D: Walter Flemming, discoverer of chromatin and mitotic cell division. Orvosi hetilap 122(6):349-50, 1981. (ungarisch) PMID 7015236
  • Latronico, N: Heredity, constitution and diathesis. Minerva Pediatr. 52(1-2):81-115 PMID 10829597
  • Breathnach, CS: Biographical sketches No. 18 - Flemming. Irish medical journal 75(6):177; 1982. PMID 7050007
  • Paweletz, N: Walther Flemming: pioneer of mitosis research. Nat. Rev. Mol. Cell Biol. 2(1):72-5, 2001. PMID 11413469
  • Flemming, W: Beiträge zur Kenntniss der Zelle und ihrer Lebenserscheinungen. Arch. Mikroskop. Anat. 16:302-436 (1878) and 18:151-289 (1880). Neuabdruck in englischer Übersetzung in: J. Cell Biol., 2007; 25: 3 - 69 ((pdf)).
  • Carlson, E.A.: The Analysis of Mitosis Shifts Attention to the Chromosomes. In: Mendel's Legacy. The Origins of Classical Genetics. p. 24-5, CSHL Press, 2004. ISBN 0-87969-675-3.
  • Hardy, P. A., Zacharias, H. (2008): Walther Flemming und die Mitose: Der Beitrag seiner ersten Kieler Jahre. In: Schr. Naturwiss. Ver. Schlesw.-Holst. 70, 3-15. Online-PDF-Dokument; 624 KB
  • Georg Uschmann: Flemming, Walther. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, S. 241 f.

Weblinks

 Wikisource: Walther Flemming – Quellen und Volltexte

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