Werner Freiherr von Rheinbaben

Werner Freiherr von Rheinbaben
Werner von Rheinbaben

Werner Karl Ferdinand Freiherr von Rheinbaben (* 19. November 1878 in Schmiedeberg im Riesengebirge; † 14. Januar 1975 in Losone bei Ascona) war ein deutscher Politiker (DVP), Diplomat und Publizist.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Arbeit

Frühe Jahre (1875-1919)

Werner von Rheinbaben wurde 1878 als Sohn des preußischen Landesgerichtspräsidenten Hans von Rheinbaben (1849–1933) und seiner Ehefrau Klara von Lingk (1857–1918) geboren. Nach dem Gymnasialbesuch in Breslau (Magdalenengymnasium, Wilhelmgymnasium), Lübeck (Katharineum) und Berlin (Friedrichsgymansium) trat von Rheinbaben 1895 als Kadett in die kaiserliche Marine ein. 1898 wurde er Seeoffizier und nahm in den folgenden Jahren unter anderem 1900/01 an der Expedition zur Niederschlagung des Boxeraufstandes in China teil und war 1903–05 als Begleiter des Kaisersohns Adalbert wiederholt in der engeren Umgebung Wilhelms II.. Von 1905 bis 1907 besuchte von Rheinbaben die Marineakademie, war dann von 1908 bis 1910 Adjutant des Admirals Alfred von Tirpitz und 1912/13 Marineattaché an der deutschen Botschaft in Rom.

1913 trat von Rheinbaben als Korvettenkapitän in den diplomatischen Dienst über. In den folgenden vier Jahren wurde er nacheinander an den Vertretungen in Paris, Brüssel, Oslo, Bukarest und Kristiania tätig war. Unterbrochen wurde diese Tätigkeit lediglich durch die kurzzeitige (leihweise) erneute Beschäftigung im Reichsmarineamt. Das wichtigste diplomatische Ereignis an dem er in dieser Zeit teil hatte war die am 2. August 1914 erfolgende Übergabe eines deutschen Ultimatums an die belgische Regierung, in dem die Berliner Regierung von den Belgiern verlangte, die deutsche Armee ungehindert durch Belgien nach Frankreich marschieren zu lassen. Die Übergabe dieses Schriftstücks, das Rheinbaben zusammen mit dem deutschen Gesandten übernahm, markiert den Auftakt der deutschen Invasion Belgiens im August 1914 und damit den Beginn des Ersten Weltkrieges auf dem westlichen Kriegsschauplatz. Nach den oben erwähnten Auslandsverwendungen wurde von Rheinbaben 1917 ins Auswärtige Amt zurückgerufen, für das er für den Rest des Krieges als Pressesprecher fungierte.

Politische Tätigkeit in der Weimarer Republik (1919-1933)

Werner von Rheinbaben (rechts) als Leiter der Reichskanzlei. Zusammen mit Gustav Stresemann während eines Empfangs für Vertreter der Auslandspresse im Garten der Reichskanzlei.

Im Juli 1919 schied von Rheinbaben als Legationssekretär aus dem Reichsdienst aus und trat im Oktober desselben Jahres der von Gustav Stresemann gegründeten Deutschen Volkspartei (DVP) bei. Im selben Jahr heiratete er in Berlin Lisa von Paleske (1897–1985), eine Tochter des Rittmeisters Olof Freiherr von Paleske und seiner Gattin Viktoria (1874-1946), der späteren Frau von Dirksen. Aus der Ehe gingen die beiden Söhne Georg Wilhelm (*1920), Oberst im Generalstab der BW, und Hans-Kaspar (*1922), Mitinhaber des Bankhauses I.H. Stein, hervor.

In den frühen 1920er Jahren wechselte von Rheinbaben in die Politik. Neben seiner Tätigkeit als Parlamentarier für die DVP – er saß von Juni 1920 bis September 1930 über vier Wahlperioden für den Wahlkreis Breslau im Reichstag – erreichte von Rheinbaben dabei auch verschiedene höhere politische Ämter. So amtierte er von August bis Oktober 1923 als Staatssekretär als Chef der Reichskanzlei in der Regierung Stresemann (1923). Nach eigener Darstellung trat er zurück, da er Stresemann nicht für eine vorübergehende diktatorische Regierung gewinnen konnte, offenbar spielte jedoch auch Druck aus der Fraktion in diese Entscheidung mit hinein. In der Folge war von Rheinbaben Sprecher der DVP im Auswärtigen Ausschuss.

Nach dem Eintritt des Deutschen Reiches in den Völkerbund 1926, bis zu seinem Austritt einige Monate nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ 1933 – den er vergeblich zu verhindern versuchte – vertrat von Rheinbaben das Reich als dessen Vertreter bei der Völkerbundsversammlung in Genf sowie 1932/33 als zweiter Mann Rudolf Nadolnys stellvertretender Leiter der deutschen Delegation auf der Genfer Abrüstungskonferenz. Nach dem Tod Stresemanns 1929 war Rheinbaben kurzzeitig als Nachfolger des Toten im Amt des Außenministers im Gespräch, das schließlich an Julius Curtius ging.

Seit den späten 1920er Jahren fungierte von Rheinbaben – vor allem in den Jahren 1929 bis 1933 – als Berater und inoffizieller Emissär von Kurt von Schleicher, der in jenen kritischen Jahren als Leiter der politischen Abteilung im Reichswehrministerium (de facto Staatssekretär), Reichswehrminister und Reichskanzler maßgebliche Schlüsselpositionen inne hatte, und mit dem er auch privat eng befreundet war. Als Verbindungsmann von Schleicher unterhielt er insbesondere enge Beziehungen zum französischen Botschafter François-Poncet und unternahm regelmäßig Reisen nach Frankreich, um seine guten Kontakte in der Pariser Gesellschaft zugunsten einer Beschleunigung der Revision der Bestimmungen des Friedensvertrages von Versailles zu nutzen.

In den frühen 1930er Jahren unterstützte von Rheinbaben als Freund Kurt von Schleichers dem Machtansprüchen des Nationalsozialismus entgegen. Als cihersten Weg die Nationalsozialisten von der Macht fernzuhalten empfahl er dem General einen „großen nationalen Erfolg“ auf außenpolitischem Gebiet. Denn ein solcher, so sein Kalkül, würde die Massenanhängerschaft der Hitler-Partei zerstreuen. Nach der sogenannten „Machtergreifung“ wurde von Rheinbaben von vielen führenden Nationalsozialisten fast sofort als „Strese-Mann“, d.h. als Anhänger des bei den neuen Machthaber schlecht beleumundeten republikanischen Außenministers Stresemann, abgestempelt. Hitler selbst erwog anscheinend anfangs die Ernennung Rheinbabens auf einen hohen Botschafterposten, nahm davon jedoch später wieder Abstand. Rheinbaben selbst gab in seinen Memoiren an, man habe ihm hinterbracht, dass Hitler sich nach einem Vortrag von ihm, Rheinbaben, in der Reichskanzlei im Frühjahr 1933, in dem er, Rheinbaben, Hitler empfahl das Deutsche Reich im Völkerbund zu belassen, von ihm enttäusch gezeigt habe. Hitler habe fortan ihn als einen „international verseuchten“ Diplomaten angesehen, so dass eine Verwendung in führender Stellung im neuen Staat nicht mehr in Frage gekommen sei.

Im Frühjahr 1933 rückte von Rheinbaben die Führung der deutschen Delegation bei der ABrüstungskonferenz in Genf auf, nachdem der ursprüngliche Delegationsführer Nadolny von der Hitler-Regierung von diesem Posten abberufen wurde. Im Oktober 1933 hielt von Rheinbaben die letzte Rede eines deutschen Diplomaten vor der Versammlung des Völkerbundes in Genf, in der er den von Hitler beschlossenen Austritt Deutschlands aus der Organisation mitteilte. Nach der Abwicklung der deutschen Geschäfte in Genf wurde Rheinbaben am 1. November 1933 gemäß §6 des Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April, als Diplomat in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Danach arbeitete Rheinbaben in leitenden Positionen bei der Vereinigten Krankenversicherung und der EOS-Lebensversicherung.

Späte Jahre (1933-1975)

Am 1. Mai 1937 trat von Rheinbaben – soweit man seinen späteren Schriften glauben darf, motiviert aus pragmatischen Erwägungen – der NSDAP bei. In den späteren 1930er Jahren und in den frühen Kriegsjahren unternahm er ausgedehnte Reisen im europäischen Ausland, während derer er als „Privatdiplomat“ unter Ausnutzung seiner alten Kontakte zu hochgestellten Persönlichkeiten des Auslandes friedensbewahrend zu wirken suchte. Darüber hinaus tat er sich vor und während des Krieges durch eine ausgedehnte Vortragstätigkeit in Skandinavien, Frankreich und Portugal hervor. Vor und während des Zweiten Weltkrieges veröffentlichte von Rheinbaben, trotz seiner fortbestehenden Ablehnung des NS-Systems, eine Reihe von propagandistischen Schriften, in denen er sich nominell hinter die Außenpolitik des Hitler-Regimes stellte, vermeintliche Beweise für eine englisch-französische Schuld am Kriegsausbruch präsentierte und den Krieg als „Großdeutschen Befreiungskrieg“ rechtfertigte. Da Rheinbaben in privaten Zeugnissen deutlich anderen Auffassungen vertreten hat, kann davon ausgegangen werden, dass seine öffentlichen Stellungnahmen im Nationalsozialismus eher opportunistischen Charakter hatten.

Die Jahre 1942/43 verbrachte Rheinbaben als Mitarbeiter des Deutschen Rote Kreuzes im Zusammenhang mit Kriegsgefangenenangelegenheiten in Portugal.

Nach dem Krieg unterhielt Rheinbaben Beziehungen zu verschiedenen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Bonner Republik und legte er eine Reihe von Erinnerungsbüchern vor, in denen er sich mit den politisch-historischen Ereignisse der jüngeren Vergangenheit befasste und Überlegungen über Chancen und Fehler der Weltpolitik der Zeit seit der Jahrhundertwende machte. Dabei sprache er insbesondere der Staatsform der Monarchie das Wort, was ihn jedoch nicht hinderte das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern anzunehmen.

Seine 1954 – zunächst in Auszügen im Tagesspiegel, dann auch in Buchform – erschienenen Memoiren Viermal Deutschland in dem er seine Erinnerungen an Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazi-Deutschland und junge Bundesrepublik ausbreitet, sind das an neuen Informationen reichste Werk aus dem Kreis seiner autobiografischen Schriften. Spätere Arbeiten wie Auf dem Monte Veritá und Kaiser, Kanzler, Präsidenten (1969) enthalten zu einem großen Teil Wiederholungen des bereits in Viermal Deutschland gesagten. Über Rheinbabens Ausführungen, zu den hochgestellten Persönlichkeiten, mit denen er zu tun hatte, in seinem letzten Buch urteilte der Munziger zusammenfassend, dass „die persönliche Verehrung (für Tirpitz) den Blick auf die politische Wertung (seiner Person) ebenso wie bei Reichspräsident von Hindenburg“ versperre. Insgesamt sei es ein Buch, „das der zeitgeschichtlichen Forschung nicht allzu viel Neues“ geboten habe.

Von Rheinbaben starb 1975, sechsundneunzigjährig, in Ascona in der Schweiz und wurde in München begraben. Sein Nachlass lagert seit 1976 im Bundesarchiv in Koblenz.

Schriften

  • Deutschland und der Völkerbund, Berlin 1926. (mit Beiträgen von Rheinbaben, Paul Löbe u.a.; Vorwort von Gustav Stresemann)
  • Von Versailles zur Freiheit. Weg und Ziel der deutschen Außenpolitik, Hamburg 1927.
  • Die zweite Nachkriegsepoche. Vom Dawesplan zum Haager Abkommen, Berlin 1930.
  • Genfer Abrüstungskonferenz - und was nun?: Der deutsche Kampf um Abrüstg und Gleichberechtigung, Berlin 1932.
  • Der englische Abrüstungsplan im deutschen Urteil, Berlin 1933.
  • Europa, Kräfte und Wirkungen. Um ein neues Europa, Berlin 1939.
  • Englands Krieg um ein neues Europa. Tatsachen und Probleme, 1939.
  • Unruhiges Europa. Eine politische Umschau. Tatsachen und Probleme, Berlin 1939.
  • Die Entstehung des Krieges 1939, Berlin 1940. (in der Reihe "Schriften für Politik und Auslandskunde" 49/50)
  • Der Grossdeutsche Befreiungskrieg. Vorgeschichte, Verlauf, Siegeszuversicht, Berlin 1942.
  • Kurzgefasste politische Geschichte des Krieges, 1939-42, Berlin 1942.
  • Viermal Deutschland. Aus dem Erleben eines Seemanns, Diplomaten, Politikers 1895-1954, Berlin 1954.
  • Auf dem Monte Verità. Erinnerungen und Gedanken über Menschen, Zürich 1954. (mit Eduard Freiherr von der Heydt)
  • Verpasste Chancen im Kaiserreich, München 1962.
  • Erlebte Zeitgeschichte, Hannover 1964. (darin Neuabdruck von Erlebte Zeitgeschichte sowie eine neue Betrachtung der Geschichte der Weimarer Republik)
  • Deutschland und England 1912 und 1925, in: Donald Cameron Watt (Hrsg.): Historische Voraussetzungen des gegenwärtigen britischen Deutschlandbildes, Bonn 1965. (Bundeszentrale für Politische Bildung)
  • Kaiser, Kanzler, Präsidenten. "Wie ich sie erlebte" 1895/1934, Mainz 1969. (Mit einem Vorwort von Franz Josef Strauß)

Literatur

  • Wolfgang Elz: „Werner von Rheinbaben“, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 21, S. 488f.
  • Rainer Orth: Werner von Rheinbaben und die Außenpolitik der Weimarer Republik, Hamburg 2008.

Siehe auch

Weblinks


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