Viktoria von Dirksen

Viktoria von Dirksen

Viktoria Auguste von Dirksen, geborene von Laffert (* 8. Mai 1874 auf Gut Dannenbüttel, Niedersachsen; † 1. Mai 1946 ebenda) war eine deutsche politische Lobbyistin, die einen der bedeutendsten politischen Salons im Berlin der 1920er und 1930er Jahre führte. Heute ist sie vor allem als „mütterliche Freundin“ und Förderin des Aufstiegs von Adolf Hitler bekannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Herkunft und Familie, frühes Leben (1874–1919)

Viktoria von Dirksen wurde 1874 als Tochter des niedersächsischen Gutsbesitzers August von Laffert (1842–1915) und seiner Frau Antoinette Stein geboren. Ihr Bruder war der Schriftsteller Karl August von Laffert. Ihre Jugend verbrachte sie auf den Gütern ihrer Eltern in Lehsen und Garlitz (heute Ortsteil von Lübtheen) im Landkreis Ludwigslust-Parchim.

In erster Ehe heiratete sie am 9. Dezember 1891 auf Gut Lehsen den Gutsbesitzer und Rittmeister Olof Freiherr von Paleske (1862–1945), mit dem sie mehrere Kinder hatte, darunter die Tochter Elisabeth von Paleske (1897–1985), die Gattin des Politikers und Diplomaten Werner von Rheinbaben (1878–1975).

Im Jahr 1918 ließ sie sich von Olof von Paleske scheiden und heiratete in zweiter Ehe am 1. Juni 1918 in Berlin den Gutsbesitzer und Diplomaten Willibald von Dirksen (1852–1928). Ihr Stiefsohn aus dieser zweiten Ehe war der Diplomat, und deutsche Botschafter in Moskau und London in den 1920er und 1930er Jahren, Herbert von Dirksen. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes im Jahr 1928 gründete von Dirksen, die nach ihrem Mann benannte Dirksen-Stiftung, deren Schirmherrin sie wurde.[1] Bei der Gründung der Stiftung, in deren Kuratorium später unter anderen auch die NS-Größen Ernst Röhm und Heinrich Himmler saßen, kamen ihr insbesondere engen Kontakte zur Stein-Bank zugute.

Dirksens politische Tätigkeit in der Weimarer Republik (1919–1933)

In den 1920er Jahren wurde die fürstliche Berliner Villa der Dirksens in der Magarethenstraße Nr. 11 beinahe sofort zum Mittelpunkt der ehemaligen Berliner und Potsdamer Hofgesellschaft und, mit der Zeit, auch zu einem wichtigen Treffpunkt der Führer der Rechtsopposition (DVP, DNVP, später auch NSDAP) gegen die linken Regierungen bzw. den gesamten Weimarer Staat. Viktoria von Dirksen trat in diesen Jahren als Gastgeberin von abendlichen Banketten und nachmittäglichen Teerunden, sowie als Veranstalterin des einflussreichen politisch-gesellschaftlichen Salons „Hof“, auf. Darüber hinaus hielt sie regelmäßig „politische Cercle“ (Joachim Fest) im Berliner Nobelhotel Kaiserhof. Verschiedene Historiker, wie beispielsweise Joachim Petzold, attestieren den Aktivitäten der Dirksens eine erhebliche Bedeutung im politischen Leben der Republik.[2]

Zu den Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft, die in ihrem Haus ein- und ausgingen, gehörten die Generäle von Hammerstein, von Schleicher und von Stülpnagel, Reichspräsident Paul von Hindenburg und sein Sohn Oskar, der Zentrumsführer Heinrich Brüning,[3] der ehemalige deutsche Kronprinz Wilhelm,[4] seine Gattin Cecilie[5] und seine Brüder August Wilhelm und Eitel Friedrich, der italienische Diplomat Graf Ciano, sowie die NS-Größen Hermann Göring, Franz von Epp und Joseph Goebbels mitsamt seiner Frau Magda, die Dirksen in dem rassekundlichen Debattierzirkel „Nordischer Ring“, in dem sie sich in den 1920er Jahren engagierte, kennengelernt hatte.[6]

Insbesondere mit den zuletzt genannten war Dirksen auch über das „gesellschaftlich Gebotene“ in engster Weise privat verbunden: So war Goebbels seit den frühen 1930er Jahren ein regelmäßiger Gast in Dirksens Tee- und Abendgesellschaften, bei denen Dirksen ihm als seine „mütterliche Gönnerin“ Kontakte und Geldmittel zukommen ließ.[7] Als Belege der Enge der Beziehung, die Goebbels und Dirksen zueinander unterhielten, ließen sich etwa die Umstände anführen, dass er vom 9. bis 19. Dezember 1930 in ihrem Haushalt wohnte und dass sie 1931 zu den nur achtzehn geladenen Gästen auf der Hochzeitsgesellschaft des späteren Reichspropagandaministers zählte, der in seinem Tagebuch über sie urteilte: „Sie ist mir wie eine Mutter“.[8]

Dirksens erste nachgewiesene Initiative zugunsten Hitlers lässt sich in das Jahr 1922 zurückdatieren, als sie es ihm ermöglichte, im illustren Berliner Nationalen Club einen Vortrag vor Persönlichkeiten der „besseren Gesellschaft“ zu halten.[9] Dirksen und die Repräsentanten des Klubs waren es auch, die Hitler die ersten entscheidenden Kontakte zu den nationalen Kreisen Norddeutschlands vermittelten. In den frühen 1930er Jahren nutzte Dirksen insbesondere auch ihre Kontakte zum Reichspräsidenten von Hindenburg, um für Hitler und seine Ziele zu werben. So notierte Goebbels etwa am 22. Januar 1933, knapp eine Woche vor Hitlers Ernennung zum Kanzler, über die Versuche seiner Freundin, Hindenburg zugunsten einer Ernennung Hitlers zum Kanzler zu beeinflussen: „Frau Dirksen arbeitet mächtig“.[10]

Dirksen im NS-Regime (1933–1945)

Dirksens Salon in Berlin blieb indessen auch nach der „Machtergreifung“ ein wichtiges Forum der Nationalsozialisten.[11] Die nicht unerhebliche Rolle, die Dirksen als Förderin des Aufstiegs von Hitler und seiner Partei – der sie in der „Kampfzeit“ nicht nur großzügige private Spenden zukommen hatte lassen, sondern auch Kontakte zu führenden Kreisen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vermittelte – gespielt hatte, findet auch Niederschlag in dem von Werner Maser vermerkten Umstand, dass Dirksen „von informierten NS-Anhängern hinter vorgehaltener Hand als «Mutter der Revolution» tituliert“ wurde.[12] Ein anderer Hitler-Biograf, Fest, beschrieb Dirksens Rolle im Zusammenhang mit Hitlers „Emporkommen“ indessen, indem er darauf hinwies, dass sich „[i]n Frau von Dirksen […] zur rechten Zeit wiederum eine jener älteren Freundinnen [einstellte], deren eifernder Rührigkeit er so viel verdankte.“[13] Der Herausgeber von Hitlers „Tischgesprächen“ Henry Picker skizzierte das Verhalten, das der Diktator von Dirksen gegenüber an den Tag legte mit den Worten: „[Er begegnete ihr] mit absoluter Grandezza, immer zuvorkommend und im Gespräch von einer fast herzlichen Natürlichkeit.“[14] Diese Beobachtung Pickers bestätigend betonte Hitlers Leibdiener Heinz Linge in seinen Erinnerungen die Beflissenheit, mit der Hitler sich um die Gunst der Gesellschaftsdame bemühte: „selbst wenn Hitler sehr beschäftigt war, für Frau von Dirksen, die ihm stets auch schrieb, wenn sie sich auf Reisen befand [...], hatte er immer Zeit.[15] Die Exilschriftstellerin Sigrid Schultz wiederum führte den unverhältnismäßigen Erfolg „einer Anzahl von mittelmäßigen Diplomaten in ihrer Familie“ auf Dirksens Zusammenarbeit mit Hitler zurück, dessen „weiblicher Sponsor“ (“Hitler's feminine sponsor”) sie gewesen sei.[16]

Janet Flanner stellte zudem in einer Schrift über Hitler, die in den 1940er Jahren in ein Gutachten/Findbuch des amerikanischen Office of Strategic Services über Hitlers Persönlichkeit aufgenommen wurde, die Behauptungen auf, dass Dirksen „in den vergangenen 15 Jahren Hitlers wichtigste weibliche Freundin“ (greatest woman friend) gewesen sei, dass sie den größten Teil des Vermögens ihres verstorbenen Ehemanns aufgewandt habe, um Hitlers politisches Weiterkommen zu fördern, dass sie ihm in ihrem Salon eine geheime Begegnung mit der zweiten Ehefrau von Wilhelm II., Kaiserin Hermine, vermittelt habe, und dass Hitler sie – wann immer er in Berlin weilte – treu und ergeben alle vierzehn Tage als Teegast empfangen habe.[17]

Der britische Rechtsextremist David Irving behauptet in seinem Buch The War Path, Hitler habe Dirksen häufig instrumentalisiert, um bestimmte Informationen – von denen er einerseits wollte, dass ausländische Regierungen sie erhielten, andrerseits aus taktischen Erwägungen aber auch wollte, dass diese nicht wussten, dass er derjenige war, der sie ihnen zugespielt hatte bzw. dass es in seinem Interesse lag, dass sie diese erhielten – auf indirektem Wege an diese weiterzugeben: Um dies zu erreichen, habe Hitler einfach Dirksen über eine bestimmte Angelegenheit informiert, und sie dann ersucht, absolutes Stillschweigen in der betreffenden Sache zu wahren - danach habe er sicher sein können, dass Dirksen aufgeregt über das „wichtige Geheimwissen“, das sie erhalten habe, nicht an sich halten könne und dieses binnen weniger Stunden in zahllosen „diskreten Gesprächen“ an das gesamte Korps der ausländischen Diplomaten in Berlin weitergeben würde.[18]

Mit Blick auf Dirksens Persönlichkeit werden in der Literatur immer wieder Eigenschaften wie „Beredsamkeit“[19] „Klugheit“[20] und „Temperament“.[21] hervorgehoben. Der französische Botschafter im Deutschland der Jahre 1931 bis 1937, André François-Poncet, urteilte spitzzüngig über Dirksens politische Tätigkeit: „Frau von Dirksen ist eine [Art deutsche] Jungfrau von Orleans. Die unsere war wenigstens jung und die Engländer haben sie rechtzeitig verbrannt.“ und attestierte ihr zudem, dass sie „erprobte Taktlosigkeit“ besäße.[22]

Anmerkungen

  1. Daniela Kahn: Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im nationalsozialistischen Deutschland, 2006, S. 204.
  2. Joachim Petzold/ G. Feldbauer: Herrenklub, S. 113. An der betreffenden Stelle hebt Petzold insbesondere auch darauf ab, dass der Dirksen'sche Haushalt „schon im Kaiserreich die herrschenden Kreise zu gesellschaftlichen Veranstaltungen vereint und dadurch eine nicht zu unterschätzende Rolle im politischen Leben vor dem Ersten Weltkrieg gespielt“ habe.
  3. Friedrich Wilhelm: Die Hohenzollern und der Nationalsozialismus, 1983, S. 316.
  4. Klaus W. Jonas: The Life of Crown Prince William, 1961, S. 171. Dort heißt es er sei “a regular guest[at] the Berlin salon of the ambitous Frau von Dirksen” gewesen.
  5. Edgar Ansel Mowrer: Germany Puts the Clock Back, 1933, S. 144. Laut einem Artikel im Vorwärts vom 30. April 1932 stellte Dirksen die Kronprinzessin während eines Besuchs in ihrem Salon in diesem Monat Hitler vor.
  6. Rüdiger Jungbluth: Die Quandts, 2002, S. 108.
  7. Der Goebbelsbiograf R.G. Reuth: Goebbels, S 184, spricht diesem Sinne von Dirksen als einer „mit Spenden und Kontakten stets ihm zur Seite stehende Gönnerin“.
  8. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil 1, Bd. 2/I (Aufzeichnungen vom Dezember 1929 bis Mai 1931), München 2005, S. 82.
  9. Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. Die drei Bestseller vollständig aktualisiert in einem Band, München 2005, S. 19. Siehe auch Jan Leichsenring: Frauen und Widerstand, 2003, S. 165.
  10. Elke Fröhlich (Hrsg.): Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Bd. 2/III, München 2005, S. 112.
  11. Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. Die drei Bestseller vollständig aktualisiert in einem Band, München 2005, S. 19.
  12. Werner Maser: Hitler. Mythos, Legende, Wirklichkeit, München 1971, S. 311.
  13. Joachim Fest: Hitler, Frankfurt 1973 S. 417.
  14. Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, Stuttgart 1976, S. 91.
  15. Heinz Linge: Bis zum Untergang. Als Chef des Persönlichen Dienstes bei Hitler, 1980, S. 96.
  16. Sigrid Lillian Schultz: Germany Will Try it Again, 1944, S. 131.
  17. Office of Strategic Servies Hitler Source Book: Janet Flanner: Fuehrer, S. 381f.
  18. David Irving: The War Path. Hitler's Germany, 1933-1939, S. 112. Wörtlich schreibt er: „Hitler needed only to swear Frau von Dirksen to absolute secrecy on any given topic, to ensure that it spread like lightning to every foreign embassy in Berlin.“
  19. K.W. Jonas: ’’Kronprinz’’, S. 222.
  20. Gestalten rings um Hindenburg, 1927, S. 182.
  21. Karl Lange: ’’Hitlers unbeachtete Maximen. ’Mein Kampf’ und die Öffentlichkeit’’, 1968, S. 69. Siehe auch: Gestalten rings um Hindenburg.
  22. Albrecht Haushofer: Geschichtsminiaturen um Francois-Poncet, Artikel in: „Die Zeit“ Ausgabe 25, 1961.

Literatur

  • Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. Verlag Heyne, München 2005, ISBN 3-453-60016-9.

Weblinks


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