West-Nil-Virus

West-Nil-Virus
West-Nil-Virus
West-Nil-Virus
Systematik
Reich: Viren
Ordnung: nicht klassifiziert
Familie: Flaviviridae
Gattung: Flavivirus
Art: West-Nil-Virus
Taxonomische Merkmale
Genom: (+)ssRNA linear
Baltimore: Gruppe 4
Symmetrie: ikosaedrisch (?)
Hülle: vorhanden
Wissenschaftlicher Name
West Nile virus (engl.)
Taxon-Kurzbezeichnung
WNV
Links
NCBI Taxonomie: 11082
NCBI Reference: M12294
ICTVdB Virus Code: 00.026.0.01.051

Das West-Nil-Virus ist ein seit 1937 bekanntes, behülltes RNA-Virus des Typs ss(+)-RNA aus der Familie Flaviviridae, das sowohl in tropischen als auch in gemäßigten Gebieten vorkommt. Das Virus infiziert hauptsächlich Vögel, kann aber auch auf Menschen, Pferde und andere Säugetiere übergreifen. Das Vorkommen bei Vögeln oder Pferden ist in Deutschland eine anzeigepflichtige Tierseuche.

Inhaltsverzeichnis

Übertragung

Das Virus wird durch Stechmücken von einem Wirt zum nächsten übertragen. Als mögliche Überträger (oder Vektor) kommen eine Vielzahl verschiedener Mückenarten, vor allem der Gattungen Culex, Aedes und Ochlerotatus in Frage.[1][2][3] Für die humanmedizinische Bedeutung sind aber vor allem Arten wichtig, die das Virus von ihren Reservoirwirten (also meist Vögeln) auf den Menschen übertragen (sogenannte Brückenvektoren). In der Gattung Culex können dies vor allem Arten aus dem Culex pipiens-Komplex sein (Culex pipiens/molestus und Culex pipiens/quinquefasciatus). Ein weiterer möglicher Brückenvektor ist die sich auch in Europa verbreitende Asiatische Tigermücke Aedes albopictus, die ebenfalls sowohl Menschen als auch Vögel sticht.[4]

In einer im Januar 2006 im Magazin Journal of Experimental Medicine veröffentlichten Studie wird die Vermutung aufgestellt, dass die Anfälligkeit für das West-Nil-Virus durch eine Mutation des Gens CCR5 mit der Bezeichnung CCR5Δ32 (CCR5-Delta32) massiv begünstigt wird. Die mit dieser Mutation verbundene Löschung von 32 Basenpaaren bewirkt auch eine beschränkte Resistenz gegen das an gewöhnliche CCR5-Rezeptoren andockende HIV. Diese Mutation stellt daher seit Entdeckung 1996 die Grundlage für die Entwicklung neuer CCR5-Fusions-IInhibitoren im Kampf gegen AIDS dar. Bisher waren keine negativen Auswirkungen bekannt. Es ist noch nicht geklärt, ob die CCR5Δ32-Mutation neben der Anfälligkeit auch die Schwere des Krankheitsverlaufes nach Infektion mit dem West-Nil-Virus beeinflusst.

Symptome

Beim Menschen ergeben sich in 80 % der Fälle keine Symptome durch die Infektion. In anderen Fällen ergeben sich Grippe-ähnliche Symptome, bekannt als West-Nil-Fieber. Das Virus ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und kann dadurch eine Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) oder eine Meningitis (Entzündung der Hirnhaut) auslösen (in 0,7 % der Fälle), beide können tödlich enden. Personen über 50 Jahre haben ein höheres Risiko, eine schwere Form der Krankheit zu entwickeln. Die Symptome entwickeln sich nach 3 bis 14 Tagen.

Behandlung

Eine wirksame Behandlung ist nicht bekannt. Aktuell sind Forscher der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA, dabei, einen bei Mäusen entdeckten, gegen das Virus wirksamen Antikörper für die Anwendung beim Menschen weiterzuentwickeln. Es ist ihnen gelungen, diesen Antikörper E16 so umzubauen, dass er vom menschlichen Immunsystem nicht mehr als fremd erkannt und abgestoßen wird. Dieser so entstandene monoklonale Antikörper E16 hat sich schon bei den Mäusen als genauso wirksam in der Virusabwehr erwiesen wie sein Ursprungsmodell. Wenn sich in weiteren Studien die Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Antikörpers bestätigen sollte, soll er danach beim Menschen getestet werden.

Geschichte und Epidemiologie

Es gibt die These, dass schon Alexander der Große ebenfalls durch das West-Nil-Virus starb, da Plutarch berichtete, dass vor Alexanders Ableben Raben tot vom Himmel fielen.

Das West-Nil-Virus wurde zum ersten Mal 1937 im West-Nil-District von Uganda bei einer erkrankten älteren Frau isoliert und bekam daher diesen Namen. 1957 trat es in Israel auf und wurde weiterhin ab 1960 in Frankreich und Ägypten bei Pferden festgestellt. In den letzten Jahren sind epidemische Häufungen der vom West-Nil-Virus ausgelösten Enzephalitis in Algerien (1994), Rumänien (1996/97), der Tschechischen Republik (1997), der Demokratischen Republik Kongo (1998), Russland und Nordamerika (1999) und Israel (2000) dokumentiert worden. 2004 wurde es in Ungarn nachgewiesen und 2008 in Österreich.[5] 2010 forderte es in Griechenland und Rumänien bisher 13 Todesopfer.[6]

Mit dem ersten Auftreten des West-Nil-Virus in Nordamerika 1999 rückte die Thematik in das mediale Rampenlicht. In den USA begann der Virusausbruch im Gebiet von New York City. Es gilt mittlerweile als bewiesen, dass das Virus von einer infizierten Mücke, entkommen aus einem israelischen Flugzeug der Linie Tel Aviv – New York, eingeschleppt wurde. Die ersten Anzeichen waren Vögel, die tot von den Bäumen des Central Parks fielen. Bald darauf wurden ältere Menschen in der Gegend infiziert und erkrankten. Eine Ärztin aus der New Yorker Bronx mit Tropenerfahrung glaubte, das West-Nil-Fieber zu erkennen, und verständigte forschende Militärärzte, die den Verdacht bestätigen konnten. Es breitete sich seitdem auf dem ganzen nordamerikanischen Kontinent aus. Als Gegenmaßnahmen wurde und wird versucht, den Überträger des Virus, die Moskitos, mit Pestiziden zu bekämpfen. Auch die Anwendung von Insektiziden im Fracht- und Personenbereich von Interkontinentalflugzeugen vor der jeweiligen Landung wurde weltweit erheblich verstärkt.

Statistik

In den USA sind von 1999 bis 2001 149 Infektionen mit 18 Todesfällen dokumentiert. Im Jahr 2002 stieg diese Zahl auf 4156 Infektionen und 284 Tote; 2003 9858 Infektionen und 262 Todesfälle; 2006 177 Todesfälle[7]

Literatur

  • I. Stock: Das West-Nil-Virus. Chemotherapie Journal 13(4), 2004, S. 166–173, ISSN 0940-6735. PDF
  • Helge Kampen: Vektor-übertragene Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch? Wie Umweltveränderungen Krankheitsüberträgern und -erregern den Weg bereiten. Naturwissenschaftliche Rundschau 58(4), 2005, S. 181–189, ISSN 0028-1050
  • Hermann Feldmeier: Bedrohung West-Nil-Virus. In: Naturwissenschaftliche Rundschau 58(6), 2005, S. 335–337, ISSN 0028-1050
  • West Nile Virus Bibliography, 1965-2007, U.S. Department of Agriculture, National Agricultural Library (engl.)
  • R. Zell, P. Wutzler: Das Westnilvirus . Institut für Virologie und Antivirale Therapie, Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität. 2004 (PDF, 190 kB)

Weblinks

 Commons: West-Nil-Virus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. M. J. Turell et al. (2005): An Update on the Potential of North American Mosquitoes (Diptera: Culicidae) to Transmit West Nile Virus. In: J Med Entomol 42, 1, S. 57-62
  2. M. S. Godsey et al. (2005): West Nile Virus-infected Mosquitoes, Louisiana, 2002. Emerging Infectious Diseases, 11, 9, S. 1399-1404
  3. Z. Hubalek & J. Halouzka (1999): West Nile Fever-a Reemerging Mosquito-Borne Viral Disease in Europe. In: Emerging Infectious Diseases, 5, 5, S. 643-650
  4. N. G. Gratz (2004): Critical review of the vector status of „Aedes albopictus“. In: Med Vet Entomol, 18, S. 215-227
  5. wienerzeitung.at
  6. West-Nil-Virus kaum zu bremsen. In: Süddeutsche Zeitung, 2. September 2010
  7. West-Nil-Virus forderte schon 1000 Todesopfer. In: Die Welt, 31. Juli 2007

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