Wilhelm Backhaus

Wilhelm Backhaus
Wilhelm Backhaus, 1907

Wilhelm Backhaus (* 26. März 1884 in Leipzig; † 5. Juli 1969 in Villach, Österreich) war ein deutscher Pianist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sein Vater war Gustav Ludwig Guido Backhaus, seine Mutter Clara Marie Schönberg. Verheiratet war er seit 1910 mit der Harfenistin Alma Backhaus geb. Herzberg (* 24. Januar 1886; † 22. Dezember 1978).

Wilhelm Backhaus wurde 1891 Schüler bei Alois Reckendorf und besuchte von 1894 bis 1899 das Leipziger Konservatorium, wo er weiter Klavier bei Reckendorf sowie Komposition bei Salomon Jadassohn studierte. Neben Klavier studierte er dort auch Violine und Kontrapunkt. Ab Herbst 1899 war er kurzzeitig Schüler von Eugen d’Albert in Frankfurt am Main. Seine Klavier-Studien setzte er bei Alexander Siloti fort.

Seine wohl ersten öffentlichen Auftritte überhaupt hatte er in seiner Geburtsstadt Leipzig, den einen schon mit 12 Jahren und dann wieder im Alter von 14 Jahren: beim II. Philharmonischen Konzert des Winderstein-Orchesters im Oktober 1898 begeisterte er das Publikum in der überfüllten Alberthalle mit Mozart, Liszt, Chopin. In Darmstadt folgten dann seine wohl ersten auswärtigen öffentlichen Auftritte: am 20. November 1899 beeindruckte er im Darmstädter Saalbau u. a. mit seiner Interpretation von Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 in G-dur, und schon am 29. März 1900 folgte dann das zweite Konzert in der Großherzoglich-Hessischen Residenz (in der er dann von 1911 bis 1915 sogar wohnte). Ebenfalls im Jahre 1900 kam es zur Reise nach London und damit zum Beginn der Weltkarriere. Im Jahr 1905 gewann er den ersten Preis beim Anton-Rubinstein-Wettbewerb in Paris, der zweite Preis ging an Béla Bartók. In diesem Jahr wurde er Professor am Royal College in Manchester; dieses Amt gab er nach einem Jahr wieder auf. Von 1905 bis 1908 gab er „Ferien-Meisterkurse“ am fürstlichen Konservatorium Sondershausen. 1925/26 unterrichtete Backhaus am Curtis Institute of Music in Philadelphia (USA).

Mit seiner Ehefrau siedelte Backhaus 1930 in die Schweiz nach Bioggio bei Lugano über, lebte dort in der Villa Wellingtonia an der Via Giuseppe Mazzini und nahm 1931 die Schweizer Staatsbürgerschaft an, wirkte aber trotzdem weiter in Deutschland.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten lernte er spätestens im Mai 1933 Adolf Hitler persönlich kennen, den er auf einen Flug nach München begleitete.[1] Im selben Jahr wurde er Präsidialbeirat der Kameradschaft der deutschen Künstler.[2] 1936 machte Backhaus zur Reichstagswahl am 29. März in der Zeitschrift Die Musikwoche in der Rubrik Im Namen der Solisten Wahlreklame: „Niemand liebt die deutsche Kunst und insbesondere die deutsche Musik glühender als Adolf Hitler ...“[3] Einen Monat später wurde Backhaus am 20. April von Hitler zum Professor ernannt und im September desselben Jahres von Hitler als Ehrengast zum Reichsparteitag geladen.[1] 1938 war Backhaus auch Reichskultursenator.[1]

Backhaus tat sich als Beethoven- und Brahms-Interpret hervor. Seine Fähigkeit, Werke mühelos zu transponieren, gilt als außergewöhnlich. Die Londoner „Times“ rühmte ihn 1969 in einem Nachruf als den „größten überlebenden Vertreter der klassischen deutschen Musiktradition, wie sie im Konservatorium seiner Geburtsstadt Leipzig gepflegt wurde“.

Grabstätte von Wilhelm Backhaus auf dem Kölner Melaten Friedhof

Backhaus machte 1909 mit dem Grieg-Klavierkonzert die erste Gesamtaufnahme eines Konzertwerkes überhaupt. Er war auch der erste Pianist, der 1927, die vollständigen Chopin-Etüden einspielte (diese gelten bis heute als eine der besten Interpretationen dieser Werke). Er galt bis ins hohe Alter als zuverlässiger Konzert- und Studiointerpret. Zu seinen bekanntesten und bedeutendsten Einspielungen gehören die 32 Beethoven-Sonaten für die britische Decca, die erste Einspielung in Stereo (ausgenommen die „Hammerklaviersonate“ Nr. 29 B-Dur op. 106 in Mono), die den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt und bis heute als in Teilen unübertroffen gilt.

Seine letzten beiden Konzerte fanden in der Stiftskirche in Ossiach (Kärnten) am 26. und 28. Juni 1969 statt und wurden für das Radio aufgezeichnet. Backhaus musste am zweiten Abend (28. Juni), nach einem Schwächeanfall, das ursprüngliche Programm ändern und spielte anstelle des letzten Satzes der Sonate Nr. 18 Es-Dur op. 31 Nr. 3 von Beethoven zwei Fantasiestücke von Schumann und das Impromptu in As-Dur von Schubert. Wenige Tage später verstarb Wilhelm Backhaus in Kärnten.

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Kölner Melaten-Friedhof.

Ehrungen

Trivia

  • Wilhelm Backhaus spielte in den 70 Jahren seiner Konzerttätigkeit mehr als 4000 mal vor Publikum.
  • Über den Dirigenten Karl Böhm witzelte Backhaus 1967, während der Proben eines Brahms-Konzertes, „Dieser Kerl spielt Brahms ziemlich gut für sein Alter“, Böhm war zu diesem Zeitpunkt 73 Jahre alt und damit gut zehn Jahre jünger als Backhaus.
  • Bei einer Aufführung des Klavierkonzertes a-Moll von Edvard Grieg stellte Backhaus fest, dass der Flügel einen halben Ton zu tief gestimmt war, und spielte das Konzert einfach in b-Moll.

Literatur

  • Friedrich W. Herzog: Wilhelm Backhaus: der Pianist der Totalität. Berlin: Hesse 1935 (= Musikalische Schriftenreihe der NS-Kulturgemeinde. H. 8) <Broschüre von 15 Seiten Umfang>
  • Roger Hauert (Fotos) und Arnold H. Eichmann (Text): Wilhelm Backhaus. Genf: Kister 1954 (Die großen Interpreten)
  • Joachim Kaiser: Wie ich sie sah ... und wie sie waren: 12 kleine Porträts. München: List 1985. ISBN 3-471-77969-8 <Eines der Porträts ist Backhaus gewidmet>
  • Piero Rattalino: Wilhelm Backhaus: il pastore ; contiene repertorio e discografia aggiornata. Varese: Zecchini 2005 (Collana Grandi pianisti. 2) ISBN 8-887203-34-2

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 213.
  2. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 23.
  3. Vollständiges Zitat bei Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, S. 213, siehe auch Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 23.

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