- Wolfgang Templin
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Wolfgang Templin (* 25. November 1948 in Jena) ist ein deutscher Bürgerrechtler und Publizist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ausbildung und Studium
Templin wuchs in der DDR auf begann nach dem Abitur 1965 zunächst eine Lehre als Buchdrucker, welche er jedoch abbrach. Von 1966 bis 1968 erlernte er den Beruf des Bibliotheksfacharbeiters und besuchte im Anschluss bis 1970 eine Ausbildung für Information und Dokumentation an der Fachschule für Bibliothekswesen in Ost-Berlin.
Ab 1970 absolvierte Templin ein Philosophie-Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin, welches er 1974 abschloss. 1970 trat er der SED bei. Von Januar 1973 bis zu seiner vorsätzlichen Dekonspiration im Oktober 1975 war Templin als IME „Peter“ für das Ministeriums für Staatssicherheit tätig. Bei seiner freiwilligen Enttarnung von einer studentischen Gesprächsgruppe gab er dabei umfassend Auskunft über Art und Umfang seiner inoffiziellen Tätigkeit. Im Anschluss an sein Studium begann er seine Dissertation als Forschungsstudent an der HU-Berlin. Dort beteiligte er sich an illegalen trotzkistischen Studentenzirkeln. Von 1976 bis 1977 hielt er sich zu Studienzwecken in Warschau auf und knüpfte erste Kontakte zur polnischen Opposition, wie beispielsweise dem Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR).[1] Von 1977 bis 1983 war er Mitarbeiter am Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und beteiligte sich an der Arbeit unabhängiger kirchennaher Friedens- und Menschenrechtsgruppen. Hieraufhin blieb ihm ein Abschluss seiner Promotion verwehrt, weshalb er 1983 aus der SED austrat. Er verlor seine Stelle, erhielt ein Berufsverbot als Philosoph und Bibliothekar und arbeitete zwischenzeitlich als Putzhilfe, Waldarbeiter und Heizer.
Wirken im Vereinigungsprozess
1985 war er Mitbegründer der Menschenrechtsgruppe Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM), die Protestaktionen gegen Menschenrechtsverletzungen durchführte. Er war Mitherausgeber der Samisdat-Zeitschrift Grenzfall. Mehrfach stellte er seine Wohnung für Treffen von DDR-Kritikern und Dissidenten zur Verfügung und hielt Kontakt zu diversen Oppositionsgruppen.[2] Von der Staatssicherheit wurde er überwacht und mit Zersetzungsmaßnahmen belegt.[3] So leitete das MfS gegen Templin den Operativen Vorgang „Verräter“ ein, um ihn psychisch unter Druck zu setzen. Der verheiratete Templin wurde unter anderem mit Anfragen auf eine angeblich von ihm geschaltete Kontaktanzeige sowie „Unterhaltsforderungen“ bezüglich eines angeblich von ihm gezeugten, außerehelichen Kindes konfrontiert.[4] Am 25. Januar 1988 wurde er als Teilnehmer an Protestaktionen im Rahmen der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin mit seiner Frau Lotte und weiteren Oppositionellen wie Bärbel Bohley, Stephan Krawczyk und Freya Klier wegen „landesverräterischer Agententätigkeit“[5] verhaftet[6] und zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland gezwungen, wo er zunächst in Bochum ein weiteres Studium begann.
Im Anschluss an die Wende ging er wieder in die DDR und nahm für die IFM am Runden Tisch teil und war deren Sprecher. Zudem war er Mitglied im Redaktionsbeirat der Zeitung Die Andere, Projektmitarbeiter des DGB sowie Mitarbeiter der Volkskammerfraktion Bündnis 90. Über die nordrhein-westfälische Landesliste der Grünen kandidierte er 1990 für den Bundestag. 1991 gehörte er zu den Gründern der Partei Bündnis 90, trat jedoch 1993 nach deren Vereinigung mit den Grünen wieder aus der Partei aus.
Leben nach der Wende
1994 bis 1996 war er Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Haus am Checkpoint Charlie und anschließend freiberuflich als Publizist und Mitarbeiter in der politischen Erwachsenenbildung tätig. Er veröffentlichte mehrere Publikationen zur DDR-Geschichte, dem deutschen Vereinigungsprozess und aktuellen Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa und beteiligte sich am internationalen Oppositionshandbuch „Lexikon der Dissidenten“ der polnischen Organisation Karta und der Robert-Havemann-Gesellschaft.
Templin ist Gründungsmitglied des Bürgerbüros zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur sowie Mitglied der Grünen Akademie bei der Heinrich-Böll-Stiftung. Seit 2001 war er Projektmitarbeiter der Initiative „Mittel- und Osteuropa“ (MOE) und arbeitete am Studienreiseprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung mit. Anlässlich des 40. Jahrestages des Mauerbaus 1961 protestierte er gegen die Zusammenarbeit von SPD und PDS in Berlin. Im Unterschied zu anderen Ex-Bürgerrechtlern aus der DDR hielt Templin die Verwendung des Begriffs „Montagsdemonstrationen“ im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Hartz-Reformen der Bundesregierung für legitim.[7] Als freier Autor schrieb er u.a. für die Zeit, den Tagesspiegel und die Frankfurter Rundschau. 2009 spielte er in dem Stück „vom Widerstehen“ am Hans-Otto-Theater in Potsdam mit.
Wolfgang Templin war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und ist seit Juli 2010 Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Warschau.[8]
Ehrungen
2009 Verleihung des Dialog-Preises der Deutsch-Polnischen-Gesellschaft.[9]
2010 erhielt Wolfgang Templin im Reichstagsgebäude in Berlin im Beisein von Bundestagspräsident Norbert Lammert die Dankesmedaille des Europäischen Zentrums der Solidarität. Die Medaille überreichte ihm der polnische Staatspräsident Bronisław Komorowski am 3. September für seine Unterstützung der Solidarność[10]
Literatur
- Jan Wielgohs: Templin, Wolfgang. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 2.
Weblinks
Commons: Wolfgang Templin – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Literatur von und über Wolfgang Templin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Templins eigene Webseite
- Biografie in der Chronik der Wende
- Biografische Notiz
- Von „Peter“ zu „Verräter“ - Spiegel-Spezial zu den Zersetzungsmaßnahmen gegen Templin (PDF)
- Wolfgang Templin im Videointerview über Dissidenten
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Ehrhart Neubert: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989, Bonn 2000, S. 322.
- ↑ Vgl. Neubert: Geschichte, S. 598 u. 605.
- ↑ Vgl. Die Zeit vom 6. März 1992: Die Akte Verräter.
- ↑ Christian Wernicke: „Vorgang auf“! Einsicht in ein zersetztes Leben. Über den MfS-Operativvorgang „Verräter“ gegen Wolfgang Templin In: Die Zeit, vom 6. März 1992.
- ↑ Pressemitteilung im Neuen Deutschland vom 26. Januar 1988.
- ↑ Vgl. Jugendopposition in der DDR: Chronik des Jahres 1988.
- ↑ Erklärung von Angehörigen ehemaliger DDR-Oppositionsgruppen: „Wir protestieren gegen Hartz IV“ vom 29. August 2004
- ↑ [1]
- ↑ Vgl. Deutsch-Polnischer Karlender: Jahrestagung der Deutsch-Polnischen Gesellschaften.
- ↑ Heinrich-Böll-Stiftung: Wolfgang Templin erhält polnische Dankbarkeitsmedaille. In: Merkur. 3. September 2010, archiviert vom Original am 3. September 2010, abgerufen am 3. September 2010.
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