- Freya Klier
-
Freya Klier (* 4. Februar 1950 in Dresden) ist eine deutsche Autorin und Regisseurin und war eine DDR-Bürgerrechtlerin.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Freya Klier verbrachte aufgrund der Inhaftierung ihres Vaters ihr drittes Lebensjahr in einem Kinderheim.[1] 1968 legte sie das Abitur ab. Noch im gleichen Jahr unternahm sie einen erfolglosen Fluchtversuch aus der DDR. Sie wurde zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt, jedoch vorzeitig entlassen. Danach arbeitete sie u. a. als Postangestellte und als Kellnerin.
Von 1970 bis 1975 studierte Klier Schauspiel an der Theaterhochschule Leipzig und im Staatstheater Dresden. 1976 spielte sie eine Nebenrolle im Teil 8 und 9 der DDR-Fernsehserie „Das unsichtbare Visier“[2] sowie im DEFA-Spielfilm Trini“[3]. Sie arbeitete als Schauspielerin am Theater Senftenberg, bevor sie von 1978 bis 1982 Regie am Institut für Schauspielregie in Berlin studierte.
Seit 1982 war sie Regisseurin am Theater Schwedt. Für die Uraufführung von Ulrich Plenzdorfs „Legende vom Glück ohne Ende“ erhielt sie 1984 den DDR-Regiepreis.
Seit Anfang der 1980er Jahre war Klier Mitglied im Friedenskreis Pankow und in der DDR-Friedensbewegung aktiv. Dies führte 1985 zu einem Berufsverbot. Sie trat seitdem gemeinsam mit Stephan Krawczyk, mit dem sie von 1986 bis 1992 verheiratet war, in kirchlichen Räumen auf.
Im November 1987 kritisierten Freya Klier und Stephan Krawczyk gemeinsam in einem offenen Brief an Kurt Hager den gesellschaftlichen Zustand der DDR und forderten Reformen ein. Beide beschlossen, an dem alljährlich im Januar abgehaltenen offiziellen Massenaufmarsch zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit eigenen Spruchbändern teilzunehmen. Ihr Ziel war es, sowohl kritisch auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen als auch auf die eigenen Berufsverbote aufmerksam zu machen. Da an der Demonstration am 17. Januar 1988 aber auch eine Reihe von Ausreisewilligen protestierend teilnehmen wollten, verzichtete Klier schließlich auf die Teilnahme, um ihr eigenes Anliegen nicht mit dem der Ausreisewilligen zu vermengen.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatte die Aktion „Störenfried“ bereits Wochen zuvor genau geplant: Zunächst wurden am Rande der Demonstration 105 Personen, darunter auch Stephan Krawczyk, Vera Wollenberger und Herbert Mißlitz, verhaftet. Freya Klier wandte sich daraufhin mit einem Appell an die Künstler der Bundesrepublik und forderte diese auf, nicht mehr in der DDR aufzutreten. Nur wenige Tage später nahm das MfS einige führende Bürgerrechtler fest, darunter neben Klier auch Lotte (Regina) und Wolfgang Templin, Werner Fischer, Bärbel Bohley und Ralf Hirsch. Ihre Untersuchungshaft verbrachte Klier in Berlin-Hohenschönhausen. Ihr Anwalt Wolfgang Schnur stellte sich später als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS heraus.[4] Vor dem Hintergrund seiner gezielten Desinformationen, es gäbe keine Solidarisierung durch Opposition und Bevölkerung und sowieso keine andere Alternative, stellten Klier und Krawczyk am 2. Februar 1988 einen Antrag auf Ausreise aus der DDR. Nur Stunden später wurden sie abgeschoben. Sofort nach ihrer Ankunft im Westen forderten sie auf einer Pressekonferenz ihre sofortige Wiedereinreise in die DDR.[5] Unter anderen der damalige Südwestfunk (SWF) sowie das Polit-Magazin Kontraste stellten klar dar, dass Klier und Krawczyk die DDR unfreiwillig verlassen hatten.
Auf dem offiziellen Rosa-Luxemburg-Gedächtnismarsch der SED am 17. Januar 1988 hatten die Bürgerrechtler – Rosa Luxemburg zitierend – darauf hingewiesen, dass „Freiheit immer auch die Freiheit des Andersdenkenden“ sei.[6]
Klier lebt heute als freischaffende Autorin und Filmregisseurin in Berlin. Neben der DDR-Vergangenheit und ihrer Bewältigung gehören auch die Nationalsozialistische Diktatur in Deutschland und der stalinistische Sozialismus in Deutschland und Russland zu ihren bevorzugten Themen. Besondere Verdienste hat sie sich in der Aufklärung von Schülern über die nahe Vergangenheit der DDR erworben.
Freya Klier ist Gründungsmitglied des im Juni 1996 gegründeten Bürgerbüro e.V., einem Verein zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur.[7] Seit 2005 ist sie Mitglied des P.E.N.-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland.
Im Bundestagswahlkampf 2009 engagierte sich Klier für die Fortsetzung der Kanzlerschaft von Angela Merkel.
Klier hat eine Tochter, die 1973 geborene Berliner Fotografin Nadja Klier.
Werke
Bücher
- Abreiß-Kalender – Ein deutsch-deutsches Tagebuch München: Kindler, 1988 ISBN 3-46340-101-0; 2. Aufl. München: Droemer-Knaur, 1989
- Lüg Vaterland. Erziehung in der DDR München: Kindler, 1990, ISBN 3-46340-134-7
- Die DDR-Deutschen und die Fremden Essays. Selbstverlag
- Die Kaninchen von Ravensbrück München: Droemer-Knaur, 1994 ISBN 3-42677-162-4; 2. Aufl.: 1995 ISBN 3426771624 – über den Nazi-Verbrecher Karl Gebhardt
- Penetrante Verwandte Frankfurt: Ullstein TB ISBN 3-54833-212-9
- Verschleppt ans Ende der Welt Frankfurt: Ullstein, ISBN 3-54833-236-6
- Wir Brüder und Schwestern Frankfurt: Ullstein, 2000 ISBN 3-54836-338-5
- Gelobtes Neuseeland. Flucht deutscher Juden ans Ende der Welt Berlin: Aufbau, 2006 ISBN 3746681456
- Oskar Brüsewitz. Leben und Tod eines mutigen DDR-Pfarrers Bürgerbüro Berlin 2004, Neuaufl. 2006
- Matthias Domaschk und der Jenaer Widerstand, Berlin 2007, ISBN 978-3-00-021021-1
- Michael Gartenschläger. Kampf gegen Mauer und Stacheldraht, Bürgerbüro e.V. Berlin, 2009, ISBN 978-3-00-027999-7
- Wie schmeckte die DDR? Evangelische Verlagsanstalt Leipzig, 2010, ISBN 978-3-374-02754-5
Filme
- Verschleppt ans Ende der Welt – Dokumentarfilm 1993
- Johanna[8], eine Dresdner Ballade – Dokumentarfilm 1996
- Das kurze Leben des Robert Bialek – Dokumentarfilm 1997
- Die Odyssee der Anja Lundholm – Dokumentarfilm 1998
- Flucht mit dem Moskau-Paris-Express – Dokumentarfilm 2001
- Die Vergessenen. Tod, wo andere Urlaub machen – Dokumentarfilm 2011[9]
Stücke
- Schwarzer Rotgold – Uraufführung 1991 in Ostberlin
Essays
- Links – eine Denkfalle SFB
- Im Takt des Fortschritts SFB
- Berlin ist nicht Bonn SFB 1999
- Wir müssen ja jetzt Westen sein SFB
- Die dritten Deutschen SFB
- Deutschland in der Schieflage SWR
- Gesichter des 17. Juni SFB 2003
- Der lila Drache und das Märchen von der schönen DDR WELT 2008
Auszeichnungen
- 1995: Verdienstorden des Landes Berlin
- 2007: Verfassungsmedaille des Freistaates Sachsen („für ihre großen Verdienste um die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit“[10])
- 2009: Botschafter für Demokratie und Toleranz; Sonderpreis der Bundeszentrale für politische Bildung für besondere Verdienste um die Deutsche Einheit
Literatur
- Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5.
- Ilko-Sascha Kowalczuk / Tom Sello (Hrsg.): Für ein freies Land mit freien Menschen. Opposition und Widerstand in Biographien und Fotos. Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin 2006, ISBN 3-938857-02-1, S. 181–184.
- Torsten Sasse (Buch und Regie): Rebellion hinter der Mauer – Kampf um Meinungsfreiheit. Dokumentarfilm. Prod.: ARD, 2005.
- Bernd-Rainer Barth, Helmut Müller-Enbergs: Klier, Freya. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 1.
- Ilko-Sascha Kowalczuk: Freya Klier, in: Hans-Joachim Veen (Hg.): Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur. Berlin, München 2000. ISBN 3549071256. S. 214-215.
Weblinks
Commons: Freya Klier – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikiquote: Freya Klier – Zitate- Literatur von und über Freya Klier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Interview mit dem Stern 2005
- Website von Freya Klier, Download von Essays möglich
- Kostenloser Download "Matthias Domaschk und der Jenaer Widerstand" (PDF-Datei; 6,97 MB)
- Skurriler Streit um das Amt des Stasi-Beauftragten, Die Welt, 22. März 2011
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Klier, Freya: Abreiß-Kalender, München 1988, S. 5.
- ↑ Internetportal des Deutschen Filminstituts DIF e.V: [1]
- ↑ Internetportal des Deutschen Filminstituts DIF e.V: [2]
- ↑ Vgl. Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen: Kurzbiografie Kliers.
- ↑ Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58357-5. S. 269 ff.
- ↑ Luxemburg-Liebknecht-Demonstration Dokumente, Zeitzeugen-Interviews und Fotos der Transparente auf jugendopposition.de (Bundeszentrale für politische Bildung / Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.)
- ↑ Vgl. Webseite des Bürgerbüros.
- ↑ Johanna Krause: Zweimal verfolgt - Eine Dresdner Jüdin erzählt; Aufgezeichnet von Carolyn Gammon und Christiane Hemker; Metropol, 2004; Bibliothek der Erinnerung Band 13; ISBN 3-936411-42-5 - Zweimal verfolgt, eine deutsche Jüdin erzählt Buchvorstellung
- ↑ Freya Klier und Andreas Kuno Richter berichten über vier Flüchtlingsschicksale via Bulgarien und deren bisher ausgebliebene Aufarbeitung. (Provobis GmbH und RTL, gefördert durch die Bundesstiftung Aufarbeitung)
- ↑ Pressemitteilung vom 1. Juni 2007: Landtagspräsident Erich Iltgen ehrt fünf verdiente Bürgerinnen und Bürger mit der Sächsischen Verfassungsmedaille, abgerufen am 24. Januar 2010
Kategorien:- Künstler (Dresden)
- Autor
- Filmregisseur
- Dissident
- DDR-Opposition
- Träger des Verdienstordens des Landes Berlin
- Träger der Sächsischen Verfassungsmedaille
- Deutscher
- Geboren 1950
- Frau
- Aufarbeitung der SED-Diktatur
- Opfer der DDR-Diktatur
Wikimedia Foundation.