Zivilpakt

Zivilpakt

Der Zivilpakt (Zip) ist das Partnerschaftsmodell der Grünen in Österreich im Sinne der Lebensformenpolitik. Er wurde im Juni 2004 durch die Grüne Nationalratsabgeordnete und Bundessprecherin von Grüne Andersrum, Ulrike Lunacek, der Öffentlichkeit vorgestellt. Gleichzeitig brachten die Grünen dazu auch einen Entschließungsantrag im Parlament ein.[1]

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Der Zip sieht die Ergänzung der Ehe durch einen zivilen Solidaritätspakt nach dem französischen Vorbild des Pacte civil de solidarité (PACS) vor, bei dem zwei (in der ursprünglichen Überlegung auch mehrere) Personen Rechte und Pflichten individuell vereinbaren können. Der Zivilpakt soll zum ersten Mal eine rechtliche Absicherung lesbischer und schwuler Partnerschaften bringen, geht aber darüber hinaus, denn den Zip sollen nämlich sowohl gleichgeschlechtliche, als auch verschiedengeschlechtliche Paare eingehen können. Es geht den Grünen dabei darum, das Familienrecht an die Bedürfnisse der heute lebenden Paare anzupassen, beispielsweise Wahl- und Patchworkfamilien. Dazu komme, dass nur in den seltensten Fällen ein „Bund fürs Leben“ geschlossen werde. Der Zivilpakt solle daher leichter zu schließen aber auch leichter zu beenden sein als die Ehe.

Gerade für Frauen habe die Ehe geschichtlich betrachtet zu finanziellen und wirtschaftlichen Abhängigkeiten geführt und es gebe in Österreich immer noch die Pflicht zur „Mitwirkung im Erwerb“. Das heißt, dass Ehepartner ohne Bezahlung im Betrieb des Ehepartners/der Ehepartnerin arbeiten müssen.

Andererseits gibt es dafür immer noch keine eigenen Sozial- und Pensionsversicherungsbeiträge und bei einer Scheidung werde diese Mitwirkung meist nur viel zu gering oder gar nicht abgegolten. Dies könne im Falle der Scheidung zu einer Armutsfalle für den nicht versicherten Ehepartner/die nicht versicherte Ehepartnerin (meist immer noch die Frau) werden. Und das aktuelle Eherecht gehe immer noch von der Abhängigkeit des Unterhalts von der Verschuldensfrage aus (trotz Eherechtsänderungsgesetz 1999).

Nach Ansicht der Grünen ist die Ehe eine Institution, die zu einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Bedingungen (Industrialisierung) entstanden sei. Das Konzept der Ehe habe sich sowohl rechtlich (diverse Ehe-Reformen) als auch gesellschaftspolitisch weiterentwickelt. Der ideologische Hintergrund sei immer noch patriarchalisch dominiert, die Lebensbedingungen hätten sich aber verändert: Menschen, die heute ihre Beziehung in einen rechtlichen Rahmen stellen wollten, wollten ein modernes, an heutige Bedürfnisse angepasstes Rechtsinstitut.

Zwar fordern die Grünen seit 2005 auch die Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Partnerschaften (ein entsprechender Antrag ist im Nationalrat eingebracht), doch ist dies auch innerhalb der Grünen nicht unumstritten. In Teilen der Partei wird die ersatzlose Abschaffung der Ehe als politisches (Fern-)Ziel nach wie vor angestrebt.

Jedenfalls beinhaltet der Zip auch die Stief- und Fremdkindadoption und geht in diesem Punkt weiter als das von der SPÖ eingebrachte Modell der „Eingetragenen Partnerschaft“ (EP). Die sonstigen Unterschiede zwischen den beiden Modellen sind marginal.

Politische Perspektive

Seitens der ÖVP (die von 2000 bis 2006 gemeinsam mit FPÖ bzw. BZÖ die Regierung bildet und die parlamentarische Mehrheit hält) wird weder der Antrag der Grünen auf Einführung des Zip noch der Antrag der SPÖ auf EP behandelt. Auch verweigert sich die ÖVP insgesamt der Diskussion über ehe- und familienrechtliche Reformen. Ein Versuch der BZÖ-Justizministerin Karin Gastinger im Frühsommer 2006 die Gleichstellung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften und eine Entrümpelung des Eherechtes vorzunehmen, scheiterte am Veto der ÖVP. Das BZÖ selbst ist in der Frage der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften gespalten, die FPÖ klar dagegen.

Eine Änderung der Situation in Österreich war durch eine neue Regierungsmehrheit nach den Wahlen im Oktober 2006 zu erwarten. Immerhin sprachen sich die Grünen und die SPÖ im Wahlkampf für eine vollständige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften aus. Nachdem eine „linke“ Mehrheit (also SPÖ und Grüne) durch das Wahlergebnis nicht möglich wurde, bildete im Jänner 2007 die SPÖ mit der bisherigen Regierungspartei ÖVP eine Koalition. Im Regierungsübereinkommen hat sich aber – nicht nur in dieser Frage – die konservative ÖVP durchgesetzt; lesben- und schwulenpolitische Forderungen fanden wieder einmal keinen Eingang in das Papier.

Eine in Folge der Wahlniederlage gebildete interne Diskussionsplattform der ÖVP hat mit dem am 1. Oktober 2007 präsentierten Maßnahmenkatalog dem Bundesparteivorstand die Schaffung einer eingetragenen Partnerschaft empfohlen, allein der Widerstand innerhalb der Partei dürfte damit noch nicht ausgeräumt sein. Parallel tagt seit dem Frühsommer eine interministerielle Arbeitsgruppe, die einen solchen Gesetzesvorschlag unter Einbeziehung der Homosexuellen-Organisationen ausarbeiten soll. Ein positives Ergebnis ist indes nicht abzusehen, sodass ein generelle gesetzliche Gleichstellung daher vorerst (bis 2010) nicht zu erwarten ist. Der Zip wurde daher von den Grünen neuerlich als Antrag im Nationalrat eingebracht.

Zwischenzeitlich wurde in Österreich das Parlament aufgelöst und Neuwahlen im Herbst 2008 abgehalten. In der neuen Legislaturperiode brachte die Regierung aus ÖVP und SPÖ einen eigenständigen Gesetzentwurf zur staatlichen Anerkennung von Lebenspartnerschaften im Parlament ein. Der Regierungsgesetzentwurf wurde am 10. Dezember 2009 im Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ verabschiedet und das Gesetz tritt am 1. Januar 2010 in Kraft. [2]

Deutschland

In Deutschland wird der Zivilpakt als befristetes Ehemodell diskutiert. Anjes Tjarks, GAL-Bürgerschaftsabgeordneter in Hamburg, definiert: „Der Zivilpakt ist eine Ehe ohne Ewigkeitsversprechen.”[3]

Siehe auch

Übersichtsartikel

Formen gesetzlich anerkannter Partnerschaften

Gesetze in anderen Ländern

Einzelnachweise

  1. vgl. J. Cornides, Alles gleich? Gesetzesinitiativen zur Schaffung eines "Zivilpakts" und einer "Eingetragenen Partnerschaft", Juristische Blätter 130.5 (2008): 285-294
  2. TIMM:Österreichs Parlament beschließt Lebenspartnerschaft
  3. Hamburgs Grüne planen eine "Ehe light"

Weblinks


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