- Zweiter Tempel
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Die Israeliten besaßen nach dem Verständnis der Bibel bzw. der deuteronomistischen Schule jeweils nur einen einzigen legitimen Tempel, zuerst das Zeltheiligtum, welches das Volk seit der Gotteserscheinung am Sinai begleitet hatte und seinen Sitz später in Hebron, dann in Schilo fand, später den berühmten Tempel zu Jerusalem, ihr Nationalheiligtum.
Daneben erwähnt die Schrift aber auch die sogenannten „Höhen“, vermutlich Heiligtümer auf Hügeln, die in der Bibel als nicht legitim beschrieben und häufig kritisiert werden. Sie entstammten offenbar dem landläufigen Kult der Kanaaniter, und wurden zum Teil in die JHWH-Verehrung des Volkes Israel mit einbezogen. Dort wurde unter anderem auch die Göttin Aschera in Form eines Holzpfahles oder Baumes verehrt, die in den Texten von Ugarit als Gemahlin des später mit JHWH verschmolzenen kanaanitischen Göttervaters und Schöpfergottes El erscheint. Berühmt ist dabei auch die Weiheinschrift von Kuntilljet Ajru mit ihrer Widmung an „Jahwe und seine Aschera“.
Im Nordreich Israel existierten daneben noch andere Heiligtümer. Der erste König des Nordreichs Israel, Jerobeam I., gründete Heiligtümer in Bethel und Dan mit Goldenen Kälbern wie bereits früher Aaron, der Bruder von Moses. Die deuteronomistischen Geschichtsschreiber verurteilten diese mit Jerusalem konkurrierenden Heiligtümer, die unter Jerobeams Nachfolgern, den Omriden, als illegitim und Abfall von Gottes Geboten. Die Omriden-Dynastie führte auch noch andere Heiligtümer, vor allem die des Baal, etwa in ihrer Hauptstadt Samaria, ein. König Josia beendete später den Höhenkult und den Polytheismus im Teilreich Juda. Zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft etablierte sich bei den Samaritanern das Heiligtum auf dem Berg Garizim bei Sichem als Ersatz für den zerstörten Tempel. Im israelitischen Tempel wurde Dienst durch einen jüdischen Priesterstand geleistet.
Inhaltsverzeichnis
Das Zeltheiligtum (Tabernakel, Stiftshütte)
Im 2. Buch Mose (Ex 25-27 EU und Ex 36-39 EU) ist die Konstruktion eines zerlegbaren und transportablen Zeltheiligtums sehr detailliert beschrieben. Dort wird das Heiligtum „Zelt der Begegnung“ (Ex 27,21 EU) genannt. Dieser Name wird in späteren lateinischen Übersetzungen als Tabernakel wiedergegeben. In der Lutherbibel heißt das Heiligtum „Hütte des Stifts“, in der Revision 1975 im Zwischentitel zu Ex 26 Lut auch „Stiftshütte“. Das Zelt diente den Israeliten während ihrer Wüstenwanderung und bis zur Zeit König Davids als zentraler Ort der Begegnung mit Gott. Zuerst wurde es auf den Wanderungen mitgeführt, später hatte es seinen Standort in Schilo etwa in der Mitte des Landes Israel. Nachdem David Jerusalem von den Jebusitern erobert und zur Hauptstadt Israels gemacht hatte, ließ er das Zeltheiligtum dorthin bringen. Später wurde es möglicherweise in zerlegter Form im unten beschriebenen salomonischen Tempel aufbewahrt; spätestens mit der Zerstörung dieses Tempels ging es verloren.
Die Größenangaben sind in der Bibel in Ellen angegeben, deren heutige Entsprechung zwischen 45 cm und 52,5 cm liegen kann. Nach der biblischen Beschreibung war die Stiftshütte 30 Ellen lang, 10 Ellen hoch und 10 Ellen breit. Im Inneren befand sich das Allerheiligste Kodesh HaKodashim (קדש הקדשים wörtlich „das Heiligende der Heiligtümer“), wahrscheinlich ein Würfel mit 10 Ellen Kantenlänge. Daneben war das Heilige, das zweimal länger als breit war. Die Konstruktion bestand aus Fachwerkrahmen. Er war aus mit Gold überzogenem Akazienholz gemacht. Über diesen Rahmen wurden Leinendecken gehängt, auf die bunte Cherubim gestickt waren. Auch der Übergang vom Heiligen zum Allerheiligsten war mit solch einer Decke abgeschirmt, da nur der Hohepriester einmal im Jahr zum Jom Kippur das Allerheiligste betreten durfte. Auf den Leinendecken lagen Decken aus Ziegenhaar, darauf Decken aus rot gefärbten Widderfellen und darauf schließlich Decken aus Seehundfellen (oder Seekuhfellen, oder noch etwas anderes; die genaue Übersetzung des entsprechenden hebräischen Wortes tahasch ist heute nicht mehr bekannt).
Am Eingang zum Heiligen standen fünf mit Gold überzogene Säulen.
Die Stiftshütte war von einem Vorhof umgeben, der 100 mal 50 Ellen maß. Er war nach außen hin mit einem 5 Ellen hohen Zaun umgeben. Er wurde mit kupfernen Säulen gehalten.
Im Allerheiligsten stand die Bundeslade mit zwei Cheruben über ihr. Im Heiligen waren die goldenen Leuchter, der goldene Räucheraltar, der Schaubrottisch und goldene Geräte. Im Vorhof stand der Brandopferaltar und ein kupfernes Becken, das mit Wasser zum Waschen der Priester gefüllt wurde.
Einige Forscher sind der Ansicht, dass manche Details in der Beschreibung des Zeltheiligtums und seiner Zeremonien in Wirklichkeit dem späteren steinernen Tempel entstammen und erst nachträglich auf das Zeltheiligtum zurückprojiziert wurden. Martin Noth beruft sich im Neuen Göttinger Bibelwerk auf die kostbaren Materialien, die verwendet wurden. So führten die Israeliten bei ihrem Auszug aus Ägypten trotz ihres Status als Sklavenvolk - dessen Historizität umstritten ist - Wertgegenstände mit sich (Ex 12,35 EU). Sie jagten weitere auch während der Wanderung den Midianitern und Amalekitern ab, mit denen unter anderem in Abwesenheit von Moses das Goldene Kalb durch Aaron erstellt wurde, und die entsprechend so auch für das JHWH-Heiligtum zur Verfügung standen (Ex 35,5 EU).
Der salomonische Tempel
Informationen über den salomonischen Tempel liefert lediglich die Bibel. Davon unabhängige historische Zeugnisse sind nicht bekannt. Die Aufzeichnungen über den Salomonischen Tempelbau finden sich – außer einzelnen Notizen bei Jer 52 EU und in 2 Kön 25 EU – in 1 Kön 5,15-6,38 EU, und 2 Chr 1,18-5,1 EU.
Nach biblischen Angaben (1 Kön 6,1 EU) wurde der Bau des ersten festen Tempels von Salomo im vierten Jahr seiner Regentschaft begonnen, das entspricht nach biblischer Chronologie dem Jahr 957 v. Chr. Die Bauzeit betrug sieben Jahre (1 Kön 6,38 EU). Das steinerne Gebäude wurde mit Hilfe phönizischer Baumeister auf dem Berg Moria in Jerusalem errichtet und hatte die Maße von 60 Ellen Länge, 20 Ellen Breite und 30 Ellen Höhe. Es war an drei Seiten mit Seitenzimmern in drei Stockwerken übereinander umgeben, welche zur Bewahrung der Schätze und Gerätschaften des Tempels dienten. Der Eingangsseite vorgelagert war eine 10 Ellen breite Vorhalle. Davor standen zwei bronzene Säulen, Jachin und Boas („Festigkeit und Stärke“), die keine konstruktive Funktion hatten, sondern den Eingang zur Vorhalle flankierten. Wie in der Antike üblich befand sich der Eingang im Osten, das Allerheiligste im Westen.
Das Innere enthielt einen 40 Ellen langen Vorderraum, das Heilige, worin die goldenen Leuchter, der Schaubrottisch und der Räucheraltar standen, und einen durch einen Vorhang davon geschiedenen quadratischen Hinterraum von 20 Ellen Länge, das Allerheiligste, mit der Bundeslade und den zwei großen Cherubim. Beide Räume waren an den Wänden, das Allerheiligste (Adyton) auch am Boden und an der Decke mit Holzwerk getäfelt. Der große Hauptaltar für die Brandopfer stand im Hof, vor dem Eingang des eigentlichen Tempels.
Man geht heute allgemein davon aus, dass das Heilige nur den Priestern zugänglich war, das Allerheiligste durfte nur der Hohenpriester einmal jährlich, am Jom Kippur, betreten. Nach Überlieferung des Talmud wurden allerdings von Zeit zu Zeit Reinigungskräfte von oben in Körben in den Raum hinabgelassen; diese verrichteten ihre Arbeit mit Blick zur Wand, das Betrachten des Inneren des Raumes war ihnen strikt verboten.
Das Tempelgebäude war von einem inneren Vorhof der Priester mit dem Brandopferaltar, dem Reinigungsbecken und anderen Gerätschaften umgeben, und dieser durch Säulengänge mit bronzenen Toren von dem für das Volk bestimmten und von einer Mauer umschlossenen äußern Vorhof getrennt.
Der Tempel wurde zu Beginn des babylonischen Exils von den Babyloniern zerstört.
Der serubbabelische Tempel
Nachdem der salomonische Tempel 586 v. Chr. durch Nebukadnezar II. zerstört worden war, wurde einige Jahrzehnte nach der Rückkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil der zweite, nach Serubbabel genannte Tempel errichtet. Dieser wurde wahrscheinlich an gleicher Stätte und zumindest grob nach dem Plan des ersten erbaut und 516 v. Chr. vollendet. Er reichte in Größe und Pracht nicht an den ersten Tempel heran. Das Allerheiligste war jetzt leer, da die Bundeslade bei der Zerstörung des salomonischen Tempels vermutlich verloren gegangen war. Die Auseinandersetzungen um den Neubau des Tempels haben im Haggaibuch ihren literarischen Niederschlag gefunden.
Durch Antiochos IV. Epiphanes 169 v. Chr. entweiht, wurde dieser Tempel von Judas Makkabäus wiederhergestellt (was bis heute im Chanukka-Fest gefeiert wird) und militärisch befestigt.
Der herodianische Tempel
Unter Herodes dem Großen begann seit 21 v. Chr. eine gänzliche Umgestaltung des Tempels in großartigem Maßstab und im griechischen Stil (daher Herodianischer Tempel). Diese Tempelanlage war nach Flavius Josephus ein Stadion (zwischen 185 bis 200 m) lang und ein Stadion breit. Im jüdisch-römischen Krieg im Jahr 70 war der Tempel die letzte Schutzwehr der Juden und wurde schließlich zerstört. Einige Historiker vermuten, dass die Juden den Tempel selbst anzündeten, um seine Entweihung zu verhindern. Von der Klagemauer wird heute angenommen, sie sei der einzige erhaltene Teil der unter Herodes errichteten Westmauer der Tempelberganlage.
Auf dem Tempelberg entstand dann zunächst ein römischer Jupiter-Tempel, der unter dem zum Christentum konvertierten römischen Kaiser Konstantin niedergerissen wurde, worauf er eine christliche Basilika erbauen ließ. Unter dem wieder zum Heidentum zurück konvertierten römischen Kaiser Julian Apostata gab es einen Versuch, den jüdischen Tempel wieder zu errichten. Er plante 363 den Wiederaufbau in Jerusalem, was jedoch dann zugunsten des Perserfeldzugs zurückgestellt und niemals verwirklicht wurde. Theodoret beschreibt in seiner Kirchengeschichte (Bd. 3, Kap. 20), dass der Bau wohl begonnen wurde, es aber zu übernatürlichen Erscheinungen, schweren Erdbeben und Feuern gekommen sei, wodurch dann die Bauleute schließlich ihr Vorhaben aufgegeben und die Flucht ergriffen hätten. Seit 691 stehen auf der Tempelstätte der islamische Felsendom und seit 705/715 die Al-Aqsa-Moschee. Streng orthodoxe Juden betreten den Tempelberg nicht, aus Angst, dort unwissentlich das Allerheiligste zu betreten, in dem die Bundeslade stand. Man weiß nicht genau, an welcher Stelle sie sich befand, weil der damalige Ort des Allerheiligsten unbekannt ist.
Pläne zur Neuerrichtung
Seit Jahrzehnten bestehen Pläne zur Neuerrichtung des Tempels. Diese werden vor allem von einer kleinen Gruppe nicht-sephardischer Rabbiner [1] forciert, allerdings vom Großteil der israelischen Bevölkerung sowie wichtigen Rabbinern abgelehnt[2]. Die Neuerrichtung des Tempels würde einerseits den Abriss des Felsendoms und der Al-Aqsa-Moschee erfordern und damit eine Friedenslösung für den Nahen Osten auf längere Zeit unmöglich machen, andererseits herrscht jedoch auch innerhalb des Judentums die Meinung vor, dass der Bau eines Dritten Tempels erst im messianischen Zeitalter geschehen dürfe. Viele Juden glauben, dass im messianischen Tempel keine blutigen Tieropfer mehr stattfinden werden.
Das Christentum sieht im auferstandenen Jesus Christus die Verkörperung des dritten Tempels gemäß Joh 2,19-21 EU: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes.“
Die israelitischen Tempel des Reformjudentums
Anfang des 19. Jahrhunderts bildete sich in Deutschland eine an der Aufklärung orientierte Reformbewegung des Judentums, die eine religiöse Erneuerung hervorrief, die bis heute vor allem in Nordamerika fortbesteht. Ein Merkmal der Reformen war die Neugestaltung der Synagoge als Tempel, so dass das Ziel aufgegeben wurde, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen. In Hamburg wurde 1844 der Neue Israelitische Tempel in der Poolstraße eingeweiht, dessen religiöse Reformen (unvergitterte Frauenempore, Orgel, Predigt auf Deutsch usw.) Aufsehen erregten.
Auch die Hauptsynagoge von Wien wird als Stadttempel bezeichnet.
Einzelnachweise
- ↑ Hintergrundinformationen rund um Rabbi Etzion, die rote Kuh und den Tempel (englisch)
- ↑ Informationen des Evangelischen Arbeitskreis Kirche und Israel in Hessen und Nassau; Hintergrundinformationen zur Neuerrichtung des Tempels (letzter Abschnitt)
Literatur
- Theodor A. Busink: Der Tempel von Jerusalem: von Salomo bis Herodes - eine archäologisch-historische Studie unter Berücksichtigung des westsemitischen Tempelbaus, Bd. 1 Leiden 1970; Bd. 2 Leiden 1980.
- Paul von Naredi-Rainer: Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen historischer Irrtümer, Köln: DuMont 1995.
- Wolfgang Zwickel: Der Salomonische Tempel (Kulturgeschichte der Antiken Welt 83), Mainz: von Zabern 1999. ISBN 3-8053-2466-9
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