- École nationale d’administration
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Die École Nationale d’Administration (ENA) ist eine in Straßburg ansässige Grande école, die traditionell die Elite der französischen Verwaltungsbeamten ausbildet. Sie wurde am 9. Oktober 1945 von Charles de Gaulle ins Leben gerufen, um den Aufbau einer von der Vichy-Vergangenheit unbelasteten Verwaltung zu ermöglichen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Gründung der ENA war Teil eines Programms zur Reform der französischen Verwaltung, geleitet vom damaligen Generalsekretär der Parti communiste français (PCF), Maurice Thorez. Die Schule wurde in Paris eingerichtet, zunächst an der Adresse 56, rue des Saint-Pères, später an der Adresse 13, rue de l’Université. Édith Cresson setzte als Premierministerin im Zuge der bislang eher halbherzigen Dezentralisierungsbestrebungen 1992 gegen erhebliche Widerstände durch, dass die klassische ENA-Ausbildung nach Straßburg verlegt wurde. Über zehn Jahre hinweg lief der Betrieb der ENA zugleich in Paris und in Straßburg ab, bevor 2005 der Umzug der restlichen Ausbildungseinrichtungen der ENA nach Straßburg abgeschlossen wurde. Damit einher ging auch die Integration des Institut international d’administration publique (IIAP) in die ENA. Die Pariser Gebäude wurden von Sciences Po Paris (früher bekannt als Institut d’études politiques de Paris/ IEP Paris), welche auch fast alle der ENA-Studenten stellt, übernommen.
Zulassung
Die ENA ist geprägt von den historischen Umständen ihrer Gründung, insbesondere vom Geist derer, die - oftmals aus der Résistance kommend - den Wiederaufbau Frankreichs übernahmen. Vor 1945 hatte es keine zentrale Ausbildungsstätte für die höheren französischen Verwaltungsbeamten gegeben. Um den Zugang zur ENA so gerecht und transparent wie möglich zu gestalten, wurde ein rigoroser Concours als Zulassungsverfahren eingeführt. Von jährlich etwa 3000 Bewerbern bestehen 120 das strenge Auswahlverfahren. Viele der ausländischen Studenten an der ENA sind Deutsche, die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) ein Stipendium erhalten. Die ENA kooperiert mit mehreren ausländischen Hochschulen; Kooperationspartner in Deutschland sind die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAKÖV), die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, die Universität Potsdam und die Führungsakademie des Landes Baden-Württemberg.
Ausbildung
Aufgabe der ENA ist es, den zukünftigen höheren Verwaltungsbeamten eine fachübergreifende Ausbildung zukommen zu lassen. Der Unterricht dauert 27 Monate und teilt sich in eine Studienphase von 15 Monaten sowie eine Praktikumsphase von 12 Monaten. Die Praktika müssen bei Präfekturen, diplomatischen Vertretungen oder internationalen Organisationen abgeleistet werden. Die Ziele der Studienphase, die aus Fallstudien, Gruppen- und Einzelarbeiten besteht, sind
- die Vertiefung der Kenntnisse des Rechts, der Ökonomie, sowie europäischer und internationaler Themen
- die Vermittlung von Verwaltungstechniken (z. B. das Verfassen juristischer Texte, öffentliches Rechnungswesen, Leitung, Mitarbeiterführung, Verhandlungstechniken, Sprachen, EDV)
- die Entwicklung der Fähigkeit in den Verwaltungswissenschaften zu forschen
Absolventen
Französische Absolventen der ENA müssen nach dem Abschluss mindestens zehn Jahre im französischen Staatsdienst arbeiten. Viele „Enarchen“ treten ihren Dienst zunächst beim Conseil d’État, beim Rechnungshof oder in französischen Ministerien an. Einige verpflichten sich für den diplomatischen Dienst. Während der Eintritt und Verbleib im Staatsdienst bereits mit Bestehen des ENA-Auswahlverfahrens garantiert ist, hängt die Erlangung lukrativer Dienstposten zu Beginn der Beamtenlaufbahn entscheidend vom erreichten Classement bei der Abschlussprüfung ab.
Ein Großteil der französischen Spitzenpolitiker haben ihre Laufbahn als ENA-Absolvent begonnen. Alle bisherigen Enarchen, d. h. Absolventen der ENA, (von der Gründung bis 2007 ca. 5600) sind im Verzeichnis "annuaire" gemeinsam mit den ausländischen ENA-Absolventen aufgeführt. Jeder Abschlussjahrgang wählt einen Namen, mit dem beispielsweise eine bestimmte Person geehrt wird. Später werden die Absolventen dann etwa als Mitglieder der Promotion Nelson Mandela bezeichnet. Die Ehemaligenvereinigungen wie die Association des anciens élèves de l’ENA (AAEENA) in Paris und die Gesellschaft der deutschen ehemaligen ENA-Schüler e. V. haben sich mit anderen ausländischen ENA-Ehemaligenvereinigungen zu einer Confédération zusammengeschlossen.
Zu den bekanntesten Absolventen zählen:
- Édouard Balladur, ehemaliger Premierminister
- Michel Camdessus, ehemaliger Direktor des IWF
- Jacques Chirac, ehemaliger Staatspräsident und ehemaliger Premierminister
- Jean-François Cirelli, Vorstandsvorsitzender von GDF
- Laurent Fabius, ehemaliger Premierminister
- Louis Gallois, Vorstandsvorsitzender von EADS
- Valéry Giscard d’Estaing, ehemaliger Staatspräsident
- Lionel Jospin, ehemaliger Premierminister
- Alain Juppé, ehemaliger Premierminister
- Pascal Lamy, Generalsekretär der WTO und ehemaliger EU-Kommissar
- Michel Pébereau, Vorsitzender von BNP Paribas
- Michel Rocard, ehemaliger Premierminister
- Ségolène Royal, ehemalige Ministerin, Kandidatin der Sozialistischen Partei für die französische Präsidentschaftswahl 2007
- Dominique Strauss-Kahn, ehemaliger Chef des IWF
- Jean-Claude Trichet, Direktor der EZB
- Dominique de Villepin, ehemaliger Premierminister
Kritik an der ENA
Die ENA ist in Frankreich hoch angesehen, ihre Ausbildung ist begehrt, zugleich aber nicht unumstritten. Über die Jahre hat sich gezeigt, dass auch der neutrale Concours eine auffallende Homogenität der Studenten nicht verhindern konnte. Man fürchtet eine daraus resultierende Bildung eines gewissen Korpsgeistes und einseitig „enarchisch“ geprägte Sichtweisen, was faktisch zur Einengung der staatlichen Handlungsfähigkeit führen kann, insbesondere bei den dringend notwendigen Reformprojekten zur Dekonzentration und Dezentralisierung in Frankreich. Immer wieder werden Forderungen erhoben, nicht selten von ehemaligen Absolventen der ENA selbst, die Ausbildung, die Zulassung und die Verquickung mit dem Zugang zum öffentlichen Dienst (über das classement) zu reformieren. Im Zuge des Umzugs der ENA nach Straßburg ist zwar ihr Curriculum überarbeitet worden; ob dies die Kritiker verstummen lässt, bleibt allerdings abzuwarten. Mittlerweile rekrutiert sich die französische Elite nämlich nahezu ausschließlich aus einem Milieu, das gerade einmal zehn Prozent der Bevölkerung ausmacht.[1]
Weblinks
Commons: École nationale d’administration – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Julia Amalia Heyer: Schluss mit den Meriten. Sarkozy will den Eliteschulen eine Quotenregelung verpassen, in Süddeutsche Zeitung vom 23/4. Januar 2010
Kategorien:- Grande école
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- Bildung und Forschung in Straßburg
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