Bernhard Hantzsch

Bernhard Hantzsch
Bernhard Hantzsch

Bernhard Adolph Hantzsch (* 12. Januar 1875 in Dresden; † wahrscheinlich Ende Mai / Anfang Juni 1911 in Kanada auf der Baffininsel/Qikiqtaaluk, heute Provinz Nunavut) war ein deutscher Lehrer, Ornithologe und Arktisforscher.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Hantzsch war der jüngste Sohn des Lehrers und Heimatforschers Adolf Hantzsch (1841–1920) und dessen Frau Emma Jenke (1842–1889), Nichte des Begründers der ersten Dresdner Taubstummen-Anstalt, Johann Friedrich Jencke (1812–1893). Der Geograph und Historiker Viktor Hantzsch (1868–1910) in Dresden, der Reg.-Baurat Her(r)mann Hantzsch (1870–1945) in Leipzig und die Pfarrersfrau Bertha Kleinert (1873–1924) in Klingenberg waren seine Geschwister.

Gedenktafel für Bernhard Hantzsch am Gasthaus Zur Alten Schule in Grillenburg

Leben

Seine Taufe erfolgte am 8. Februar 1875 durch Dr. Frommhold (Diakon) von der Annenkirche. 1881 bis 1889 besuchte er die II. Bürgerschule in Dresden. Auf Wunsch seines Vaters wurde Bernhard Hantzsch Lehrer und absolvierte 1889 bis 1895 das königliche Schullehrerseminar in Dresden-Friedrichstadt, danach war er 1895 bis 1898 Hilfslehrer in Grillenburg und 1898 bis 1909 Lehrer in Dresden-Plauen an der höheren Volksschule (ab 1903 XV. Bürgerschule und heute 55. Mittelschule Gottlieb Traugott Bienert, Nöthnitzer Straße).

Arbeit als Ornithologe

Bereits 1897 erschien seine erste naturwissenschaftlicher Veröffentlichung. Nachdem sich seine Pläne, Lehrer oder Missionar in Afrika zu werden, zerschlagen hatten und er die heimische Vogelwelt ausreichend erkundet hatte, zog es ihn in die Ferne.

So bereiste er von April bis September 1903 Island und nahm eine wissenschaftlicher Systematisierung der isländischen Vogelwelt vor. Die Unterarten Acanthis linaria islandica (1904)[1] und Corvus corax islandicus (1906)[2] beschrieb er im Anschluss erstmalig. 1906 forschte er in Kanada über die Vogelwelt des Nordostens der Labrador-Halbinsel. Seine Ergebnisse veröffentlichte er ab 1908.[3]

Bernhard-Hantzsch-Ausstellung in der Grundschule Kurort Hartha

Baffin-Expedition und Tod

Mit finanzieller und materieller Unterstützung der Gesellschaft Naturforschender Freunde, der Rudolf-Virchow-Stiftung aus Berlin, sowie des sächsischen Königs Friedrich August III. wollte er ab Juli 1909 die bis dahin noch unerforschte Baffininsel (Baffinland) in westlicher Richtung durchqueren. Wichtige Ziele seiner Expedition waren die Erforschung des größten Binnensees, dem Nettilling-See, und im Anschluss die ornithologische Erfassung der Ostküste der Insel. Bereits bei der Anfahrt der Walfangstation Kikkerton, die den Ausgangspunkt der Expedition bildete, sank das niederländische Transportschiff Jantina Agatha im Cumberland Sound und Hantzsch verlor seine gesamte Ausrüstung. Im April 1910 durchquerte er mit Hilfe einiger Inuit die Insel und erreichte im September über den Koukdjuak-Fluss, den Abfluss des Nettilling-See, die Westküste der Insel am Fox-Kanal. Große Probleme bei der Nahrungsbeschaffung sowie Mangel an Materialien und Brennstoffen setzten den verbliebenen Expeditionsteilnehmern zu, wahrscheinlich im Juni 1911 starb Hantzsch in Folge des Verzehres rohen Eisbärenfleisches an Trichinellose. Seine von den Inuit in Hantzsch's Heimat zurück gesandten Aufzeichnungen und Sammlungen erfuhren aufgrund des Ersten Weltkrieges keine umfassende wissenschaftliche Bewertung und nur eine eingeschränkte Veröffentlichung.

Wahrnehmung und Ehrungen

Grundschule Bernhard Hantzsch (Neubau) in Kurort Hartha
Bernhard-Hantzsch-Gedenkstein vor der mit den Fahnen von Nunavut und Sachsen beflaggten Grundschule Bernhard Hantzsch (Altbau) in Kurort Hartha

Erst 1977 wurden seine Tagebücher in Kanada veröffentlicht. Dr. Heinz Israel vom Völkerkundemuseum Dresden schrieb dadurch angeregt 1980/81 über den Forscher in den Mitteilungsheften des Museums. Das Naumann-Museum Köthen würdigte in seinen Blättern 1995 sein Lebenswerk. 1996 ehrte ihn der Fremdenverkehrsverein Tharandter Wald e. V. Kurort Hartha mit einer Gedenktafel an der ehem. Grillenburger Schule (heute Gasthaus Zur Alten Schule) und einer kleinen Ausstellung im Jagdschloss Grillenburg. Diese Ausstellung wurde 2002-3, u. a. ergänzt durch Leihgaben der Dresdner Sammlungen und Museen, nochmals gezeigt und ist heute Bestandteil der Dauerausstellung in der Grundschule Kurort Hartha. 2005 fand im Auftrag eines Verlages eine Recherchereise für ein Filmprojekt, u. a. zu Nachfahren der Inuit, mit denen der Forscher bis zu seinem Tod unterwegs war, nach Baffinland statt. Das Historische Zentrum in Stadskanaal gestaltete 2011 eine Ausstellung über den Kapitän W.C. Dijkstra des Schiffes Jantina Agatha, welche auch über Bernhard Hantzsch als Gast auf deren letzten Fahrt berichtet.

Der am Familiengrab auf dem Alten Annenfriedhof in Dresden errichtete Gedenkstein und die von seinem Vater gegründete Bernhard-Hantzsch-Stiftung existieren heute nicht mehr. Ein Fluss, der Hantzsch River[4], und die Bucht dessen Mündung im Foxe Basin wurde nach ihm benannt, ebenso wie eine Vogelinsel an der Südspitze der Baffininsel[5]. In seiner Heimatstadt Dresden ist seit 1932 eine Straße im Stadtteil Plauen nach ihm benannt und die dortige 55. Mittelschule, in deren Räumen er zuletzt unterrichtete, bewahrt eine Gedenktafel im Foyer auf. Die Grundschule in Kurort Hartha trägt seit 2002 seinen Namen und beherbergt die einzige Dauerausstellung zu Leben und Werk des Forschers. Diese wurde im Mai 2011 zum 100. Todestag um die Poster der Ausstellung aus Stadskanaal und einen Gedenkstein vor der Schule ergänzt. Er trägt die Inschrift, welche einst am Familiengrab an den Forscher erinnerte. Die natur- und völkerkundlichen Sammlungen von Hantzsch werden heute in den Depots des Naturkundemuseums Berlin, der Museen Berlin-Dahlem, des Naumann-Museums in Köthen und des Museums für Völkerkunde (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) bzw. im Museum für Tierkunde sowie im Museum für Mineralogie und Geologie (Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresden) aufbewahrt.

Werke (Auswahl)

  • Bernhard Hantzsch: Beitrag zur Kenntnis der Vogelwelt Islands. Friedländer, Berlin 1905. (Online: Biodiversity Heritage Library, abgerufen 8. Mai 2009)
  • Bernhard Hantzsch: Beitrag zur Kenntnis der Vogelwelt des nordöstlichsten Labradors. In: Journal für Ornithologie, Leipzig, Band 56, 1908, S. 175–202, 307–392.
  • Bernhard Hantzsch: Eskimo-Steingräber im nordöstlichen Labrador und das Sammeln anthropologischen Materials aus solchen. In: Abhandlungen und Berichte des Königl. Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museums zu Dresden. Band 12, Nr. 3, 1908.
  • Bernhard Hantzsch, Bruno Oetteking: Ein Beitrag zur Kraniologie der Eskimo. Teubner, Leipzig 1908.
  • Bernhard Hantzsch: Beiträge zur Kenntnis des nordöstlichsten Labradors. In: Mitteilungen des Vereins für Erdkunde zu Dresden. Heft 8 und 9, 1909, S. 168–320.
  • Bernhard Hantzsch: Meine Baffin-Land-Reise in: Dresdner Anzeiger, Nr. 233, 179. Jgg., S. 5, 13. August 1909; Nr. 2-3 und Nr. 41 der Sonntags Beilage, 8. Januar 1911, 15. Januar 1911 und 8. Oktober 1911; Nr. 8 und Nr. 42 der Sonntags Beilage, 19. Januar 1913 und 19. Oktober 1913.
  • Bernhard Hantzsch: Ornithologisches Tagebuch. Aufzeichnungen während einer Reise in Baffinland. Berlin 1914.
  • Bernhard Hantzsch: Beobachtungen über die Säugetiere von Baffinsland. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. Jahrgang 1914, Nr. 2, 1914, S. 141–160.
  • Bernhard Hantzsch: The crossing of Baffin Island to Foxe Basin (englische Übersetzung von M.B.A. Anderson). Anhang in: A.E. Millward Southern Baffin Island : an account of exploration, investigation and settlement during the past fifty years. F.A. Acland, Ottawa 1930.

Einzelnachweise

  1. Ornithologische Monatsberichte. Band 12, S. 32–34
  2. Ornithologische Monatsberichte. Band 14, S. 130–131
  3. Bernhard Hantzsch: Beitrag zur Kenntnis der Vogelwelt des nordöstlichsten Labradors. In: Journal für Ornithologie. Band 56, 1908, S. 175–202, 307–392
  4. Hantzsch River67.575717-72.191162
  5. Informationen über Hantzsch Island bei Bird Studies Canada (Vogelschutzverein), abgerufen 13. Januar 2008

Literatur

Weblinks


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