Botho Henning Elster

Botho Henning Elster
Kapitulationszeremonie am 16. September 1944 auf der Loire-Brücke bei Beaugency.

Botho Henning Elster (* 17. Mai 1894 Berlin-Steglitz; † 24. Juni 1952 in Böblingen) war ein deutscher Offizier, zuletzt Generalmajor im Zweiten Weltkrieg. Er befehligte 1944 die größte Kapitulation an der Westfront und rettete somit viele Leben.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg

Botho Elster war der Sohn des ehemaligen herzoglich braunschweigischen Offiziers und späteren Journalisten und Schriftstellers Otto Elster (1852-1922) und seiner Frau Louise (1861-1954). Er wuchs zunächst in Berlin und Nachod in Böhmen auf, wo sein Vater vorübergehend als Archivar im Dienste des Fürsten zu Schaumburg-Lippe tätig war, und besuchte später die Gymnasien in Glatz und Lüneburg.

Da die Finanzen seines Elternhauses ihm kein Studium erlaubten, trat Botho Elster unmittelbar nach dem Abitur im Februar 1913 als Fahnenjunker in das Infanterie-Regiment „von Voigts-Rhetz“ (3. Hannoversches) Nr. 79 in Hannover ein. Im August 1913 erfolgte seine Kommandierung an die Kriegsschule nach Glogau, wo er im Oktober 1913 zum Fähnrich befördert wurde. Im Mai 1914 kehrte er zu seinem Regiment zurück und wurde kurz darauf im Juni zum Leutnant befördert.

Mit dem Reserve-Infanterie-Regiment 77 nahm er bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges an den Kämpfen an der Westfront zunächst als Offizier einer MG-Kompanie, dann als Führer einer Infanteriekompanie teil. Am 12. September 1914 wurde er bei einem Gefecht bei Changigny nahe Reims durch einen Granatsplitter am Unterschenkel verwundet. Nach Lazarettaufenthalt und Genesung wurde er zunächst am 23. November 1914 in das Reserve-Infanterie-Regiment 259 versetzt. Im weiteren Verlauf des Krieges nahm er ab 4. Februar 1915 zunächst an der Winterschlacht in Masuren teil und verblieb bis Anfang April 1917 an der Ostfront. Im Mai 1915 hatte man ihn zum Regiments-Adjutanten ernannt.

Im April 1917 wechselte Elster wieder an die Westfront, nahm an der Schlacht an der Aisne teil und wurde später bei den Abwehrkämpfen um Verdun am 12. Oktober desselben Jahres durch einen Granatsplitter am Kopf schwer verwundet. Am 18. Oktober 1917 erfolgte seine Beförderung zum Oberleutnant. Aufgrund seiner Verletzungen war Elster nicht mehr frontdiensttauglich und absolvierte daher eine Generalstabsausbildung. Er wurde im Juli 1918 zunächst Adjutant der 78. Reserve-Infanterie-Brigade und am 16. August 1918 erfolgte seine Kommandierung als Brigade-Adjutant zur 213. Infanterie-Division. Nach dem Waffenstillstand trat Elster Anfang 1919 nach der Demobilisierung zu seinem Friedenstruppenteil, dem Infanterie-Regiment Nr. 79, zurück. Er bemühte sich um die Aufnahme in die preußische Polizei und wurde zum 30. Juni 1920 auf eigenen Wunsch mit dem Charakter als Hauptmann aus dem aktiven Militärdienst verabschiedet.

Im Polizeidienst

Als Polizeihauptmann gehörte Botho Elster von 1920 bis 1924 der Schutzpolizei in Hannover an, ehe er 1924 nach Altona und 1925 nach Hildesheim versetzt wurde. 1926 erfolgte schließlich seine Versetzung nach Wesermünde, wo er bis 1932 als Führer einer Polizeibereitschaft tätig war. Zwischenzeitliche Bewerbungen um eine Versetzung nach Berlin und eine Abordnung nach Chile (als Ausbilder bei der dortigen Polizei) blieben erfolglos. Nach einem Lehrgang an der Höheren Polizeischule in Eiche wurde Elster im März 1932 zum Polizeimajor befördert und als Sachverständiger für das Polizeiwesen zum Völkerbund nach Genf geschickt.

Bei seiner Rückkehr 1933 wurde er von der neuen nationalsozialistischen Regierung der Technischen Polizeischule in Berlin zugeteilt und als Leiter der Abteilung "Fremde (d.h. nichtpreußische) Polizeien" in das Ministerium des Innern abgeordnet. Im März 1935 heiratete Botho die 13 Jahre jüngere Richterstochter Gisela Riehl, die er auf einem Faschingsball kennengelernt hatte. Wenige Monate später erfolgte die Übernahme der Landespolizei durch die Wehrmacht, und Elster wurde dadurch erneut Heeresoffizier.

Dienst in der Wehrmacht

Im Herbst 1935 wurde Botho Elster zum Kommandeur der Panzerabwehrabteilung 3 in Frankfurt an der Oder ernannt, ein Jahr später erfolgte seine Beförderung zum Oberstleutnant. 1938 nahm er mit seiner Abteilung an der Besetzung des Sudetenlandes teil, ehe er im Zuge der alljährlichen Heeresvermehrung zum Kommandeur des Panzerregiments 8 ernannt und nach Böblingen versetzt wurde, wo auch sein Sohn Welf-Botho geboren wurde. Kurz vor Kriegsbeginn wurde Elster im August 1939 noch zum Oberst befördert.

Zweiter Weltkrieg

Mit dem Panzerregiment 8 nahm Botho Elster im September 1939 am Polenfeldzug teil, wo ihm General Guderian für seinen Beitrag zu der Einnahme der Festung Brest-Litowsk seine Anerkennung aussprach. Auch während des Frankreichfeldzuges im Frühjahr 1940 befehligte er sein Regiment. Als sich jedoch im Frühjahr 1941 abzeichnete, dass das Panzerregiment 8 als Teil des neu zu bildenden Afrikakorps nach Libyen verlegt werden sollte, bat Elster unter Verweis auf ein durch seine Verwundung im Ersten Weltkrieg hervorgerufenes Zahnleiden um seine Ablösung und ließ sich für tropenuntauglich erklären. Er erhielt nun das Kommando über die aus französischen Beutepanzern gebildete Panzerbrigade 101, später über die Panzerbrigade 100. Im März 1943 zum Generalmajor befördert, wechselte er dann in eine Stabsverwendung und diente für ein knappes Jahr als Feldkommandant in Marseille, wo er im Herbst an der Entwaffnung der abgefallenen italienischen Truppen beteiligt war. Von hier aus wurde Elster im April 1944 ebenfalls als Feldkommandant nach Mont-de-Marsan in Aquitanien, unweit der spanischen Grenze in den Pyrenäen, versetzt.

Die Kapitulation von Beaugency

Die Landung der alliierten Truppen in der Normandie am D-Day, dem 6. Juni 1944, läutete den Anfang vom Ende der NS-Herrschaft ein. Aber erst nach dem Durchbruch der amerikanischen Truppen bei Avranches und der Landung weiterer alliierter Kräfte in Südfrankreich erteilte Hitler den deutschen Besatzungstruppen an der Atlantikküste den Rückzugsbefehl.

Ende August mussten die deutschen Truppen, größtenteils zu Fuß, den Rückzug von den Pyrenäen durch und aus ganz Frankreich antreten. Elster, der bereits beim Abmarsch die sinnlose Zerstörung von Gebäuden und Kraftwerken verweigert hatte, bildete dabei mit etwa 25.000 Mann die Nachhut. Seine Einheit war kaum noch kampffähig, aber ständig Angriffen US-amerikanischer Jagdbomber und von Angehörigen der französischen Résistance ausgesetzt. Nach zwei Wochen qualvollen Marschierens riss in Mittelfrankreich der Kontakt zu den anderen deutschen Truppen ab; außerdem musste befürchtet werden, dass eine Überquerung der Loire vor dem Eintreffen der Amerikaner nicht mehr möglich sein würde. Um weiteres sinnloses Blutvergießen zu verhindern, entschloss sich Elster daher zur Kapitulation seiner Truppen, die sich zu dieser Zeit im Gebiet zwischen Issoudun und Châteauroux befanden. Vermittelt durch Résistance-Mitglieder nahm Elster Kontakt zu den Amerikanern auf und handelte die Bedingungen aus. Da Elster der Résistance großes Misstrauen entgegenbrachte, wurde ihm gestattet, die Bewaffnung bis zur endgültigen Übergabe zu behalten.

Nach einem letzten mehrtägigen Marsch nach Norden ergab sich Elster am 16. September 1944 mit 18.850 Soldaten und 754 Offizieren auf der Loire-Brücke von Beaugency formell dem US-General Robert C. Macon von der 83rd Infantry Division. Dafür wurde er noch kurz vor Kriegsende, am 7. März 1945, in Abwesenheit vom 1. Senat des Reichskriegsgerichts unter Leitung von Generalrichter Erich Lattmann in Torgau wegen „gefährlicher und falsch verstandener Menschlichkeit“ zum Tode verurteilt. Als einer der wenigen hohen deutschen Militärs galt Elster nach Beendigung seines Entnazifizierungs-Verfahrens als unbelastet. Die Verurteilung zum Tode wurde jedoch erst 1998 per Gesetz aufgehoben.

Gefangenschaft und letzte Lebensjahre

Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in England kam Botho Elster im Oktober 1944 in das Kriegsgefangenenlager in Clinton (Mississippi). Dort war er wegen seiner Kapitulation zunächst Anfeindungen von Seiten nationalsozialistisch gesinnter Offiziere ausgesetzt, wurde aber nach wenigen Wochen von einem eigens eingesetzten "Ehrenrat" unter Vorsitz des Generals Erwin Vierow von jeglichem unehrenhaften Fehlverhalten freigesprochen. Im April 1945 wurde Elster in das Lager Dermott (Arkansas) verlegt. Von dort kehrte er im März 1946 nach Europa zurück, wurde jedoch erst im Februar 1947 nach weiteren Aufenthalten in Belgien und in Munsterlager endgültig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Elster wieder in seiner ehemaligen Kommandeursvilla in Böblingen, von wo aus er sich um seine Rehabilitation im Entnazifizierungsverfahren bemühte und durch das Übersetzen von Klassikern der Weltliteratur seinen Lebensunterhalt bestritt. Eine ihm angebotene Mitarbeit am Aufbau des neugebildeten Bundesgrenzschutzes lehnte er ab. Elster starb 1952 im Alter von 58 Jahren in Böblingen an einem Herzinfarkt.

Auszeichnungen

Film

Der Hessische Rundfunk und ARTE produzierten im Jahre 2003 eine Fernsehdokumentation:

  • Barbara Dickenberger, Mike Conant (Deutschland 2003): Ein deutscher Held – Die Kapitulation des Botho Hennig Elster. Sie wurde u. a. am 21. Januar 2004 ausgestrahlt.

Literatur

  • Dermot Bradley, Karl-Friedrich Hildebrand: Die Generale des Heeres 1921-1945 Band 3 (Dahlmann-Fitzlaff), Osnabrück 1994
  • Welf Botho Elster: Die Grenzen des Gehorsams. Das Leben des Generalmajors Botho Henning Elster in Briefen und Zeitzeugnissen. Olms Georg AG, Hildesheim. 228 Seiten, 27 Abbildungen. 2005. ISBN 3487084570

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