Rechtsbibliothekar

Rechtsbibliothekar

Der Rechtsbibliothekar hat eine juristische Vorbildung und meist auch eine bibliothekarische Ausbildung. Der Ausdruck „Rechtsbibliothekar“ ist im deutschsprachigen Bereich inzwischen weitgehend üblich geworden. Andere Bezeichnungen sind „juristischer Bibliothekar“ und „Bibliotheksjurist“.

Inhaltsverzeichnis

Berufsbild

Ein Rechtsbibliothekar (im Englischen „law librarian“) betreut und verwaltet eine juristische Bibliothek oder den juristischen Bereich einer Universalbibliothek. Er ist in der Regel nicht nur für die juristische Literatur in der Bibliothek zuständig, sondern auch für die Lösung von Rechtsfragen im Bereich der Bibliothek. Insoweit wird er manchmal auch als Bibliotheksjurist bezeichnet.[1]

In einzelnen Fällen sind Rechtsbibliothekare auch bei anderen Institutionen tätig, wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, einem Ministerium für Wissenschaft und Kultur (für die Bewilligung von Mitteln an Universitäten und andere Institutionen zur juristischen Literaturversorgung), einer Universität oder Fachhochschule (für die Unterrichtung von bibliothekarischen Nachwuchskräften), ferner in größeren Anwaltskanzleien.

Bei „Bibliotheksjurist“ wird die juristische Komponente gegenüber der bibliothekarischen betont; beim „Rechtsbibliothekar“ ist dies umgekehrt. Mit der Größe der Bibliothek und der Anzahl der Bibliotheksbenutzer nehmen auch die Rechtsfragen zu. Sie können (wie bei den Justiziaren großer Staatsbibliotheken) zum Schwerpunkt der Arbeit werden. Aus diesem Grund kann es zu unterschiedlichen beruflichen Bezeichnungen kommen, zumal bei den Bibliothekaren des höheren Dienstes, die zwei juristische Staatsexamen abgelegt haben.

Die Rechtsbibliothekare gehören zu den Bibliothekaren, aber gleichzeitig auch zu den Juristen, und dort meist zur Gruppe der Verwaltungsjuristen. Wenn sich aus einer Biografie ergibt, dass eine Person zugleich als Jurist oder Verwaltungsjurist und als Bibliothekar für eine gewisse Dauer tätig war, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen Rechtsbibliothekar handelt (vgl. als Beispiel Jacob Grimm)[2].

Juristen, die als Dozenten (Professoren) oder Autoren die Wissenschaft besonders gefördert haben, werden als Rechtswissenschaftler bezeichnet. Rechtsbibliothekare gelten meist als Rechtswissenschaftler, wenn sie im Bereich des Bibliotheksrechts oder der Rechtsbibliografie hervorgetreten sind.

Historische Entwicklung

Vermutlich wurde im deutschen Sprachraum der Begriff „Rechtsbibliothekar“ offiziell erstmals 1974 verwendet bei der Gründung einer schweizerischen Arbeitsgruppe Rechtsbibliothekare.[3] Aus dieser Arbeitsgruppe Rechtsbibliothekare entstand 1998 eine Vereinigung der juristischen Bibliotheken der Schweiz (VJBS).[4]

Nachdem vorher fast nur Historiker und Philologen als wissenschaftliche Bibliothekare wirkten, hielt man es von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an im deutschsprachigen Raum für sinnvoll, mit Rücksicht auf andere Wissenschaftsgebiete auch Absolventen anderer Studienfächer als Bibliothekare auszubilden.[5] Als Rechtsbibliothekare in dieser Zeit sind Friedrich List und Heinrich Treplin besonders bekannt geworden, auch durch bibliotheksrechtliche Veröffentlichungen.[6][7]

In den vorhergehenden Jahrhunderten gab es auch schon Rechtsbibliotheken und Universalbibliotheken mit juristischen Beständen. Diese wurden von Bibliothekaren betreut. In ein paar Fällen hat es sich hierbei um Juristen gehandelt, die man nach neuerem Sprachgebrauch als Rechtsbibliothekare bezeichnen könnte. Der Schwerpunkt ihres Wirkens im Laufe des ganzen Berufslebens hat manchmal nicht im Bereich Recht und Bibliothek gelegen. Hier soll nur auf eine rechtsbibliothekarische Komponente hingewiesen werden, wie zum Beispiel bei den Brüdern Jacob[2] und Wilhelm Grimm (die hauptsächlich als Sprach- und Literaturwissenschaftler wirkten) und bei Alfons Maria Stickler (einem Kurienkardinal der römisch-katholischen Kirche). Als Beispiele für juristische Professorenbibliothekare mögen hier dienen für das 17. Jahrhundert Martin Rümelin, für das 20. Jahrhundert Wilhelm Wengler.

Im angelsächsischen Raum war der Begriff „law librarian“ schon viel früher üblich als im deutschsprachigen Bereich der Ausdruck „Rechtsbibliothekar“. Bereits in den Jahren 1887–1890 erschien zum Beispiel in San Francisco eine Zeitschrift unter dem Titel „Law librarian“.[8]

Vor- und Ausbildung

Die juristische Vorbildung wird in Deutschland in der Regel durch die Erste Juristische Staatsprüfung nachgewiesen. Es kann noch eine Zweite Juristische Staatsprüfung hinzukommen. Eine Promotion (bei den Juristen: zum Dr. jur., Doktor der Rechte) war noch bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erforderlich.[9] Zur Gewinnung wissenschaftlicher Bibliothekare gesuchter Fächer (wozu auch Jura gehört)[10] wurden häufig Ausnahmen gemacht. Inzwischen gilt eine Promotion nur noch als erwünscht.[11]

Die bibliothekarische Zusatzausbildung erfolgte früher allgemein durch zwei Jahre Bibliotheksreferendariat mit anschließender Prüfung für den höheren Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Assessor des Bibliotheksdienstes). Inzwischen sind Universitäten und Fachhochschulen durch Masterstudiengänge in die Ausbildung wissenschaftlicher Bibliothekare einbezogen worden.[12]

Bei Juristen ohne Prüfung als Assessor des Bibliotheksdienstes, die als Bibliothekare des höheren Dienstes vorgesehen sind, kann der Bundespersonalausschuss oder ein von ihm zu bestimmender unabhängiger Ausschuss die gleichwertigen Kenntnisse und Fähigkeiten der Bewerber feststellen.[13] Entsprechende Regelungen gelten in den meisten Bundesländern Deutschlands.

Berufsvereinigungen

Eine Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen (AjBD)[14][15] wurde 1971 von Rechtsbibliothekaren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet.[16] Der Ausdruck „Rechtsbibliothekar“ wurde im Namen der neuen Vereinigung bewusst vermieden, da man keinen Personenverband, sondern einen Sachverband schaffen wollte, nach dem Vorbild der International Association of Law Libraries (IALL)[17] und der Arbeitsgemeinschaft der Parlaments- und Behördenbibliotheken (APBB)[18]. Die AjBD ist nach § 2 Abs. 2[19] ihrer Satzung gleichzeitig die deutschsprachige Sektion der IALL.

Auch in vielen anderen Regionen gibt es rechtsbibliothekarische Vereinigungen, zum Beispiel die British and Irish Association of Law Librarians (BIALL)[20] und die American Association of Law Libraries (AALL).[21][22] Ein Verzeichnis rechtsbibliothekarischer Vereinigungen bietet die International Association of Law Libraries.[23]

Quellen

  • Hans-Peter Geh: Law librarians in the Federal Republic of Germany: Their education and prospects. In: International Journal of Law Libraries. 3 (1975), S. 115-134. (Igor I. Kavass übersetzte diesen Aufsatz aus dem Deutschen ins Englische und fügte einige Bemerkungen hinzu.)
  • Ralph Lansky: Die juristischen Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Einführende Darstellung und Verzeichnis der hauptberuflich bibliothekarisch tätigen Juristinnen und Juristen. Directory of law librarians in Germany, Austria, and Switzerland. Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen (AjBD), Regensburg 1997, ISSN 0935-2538. (Recht, Bibliothek, Dokumentation. Sonderheft 1997.)
  • Ralph Lansky: Nekrolog juristischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Deutschland, Österreich und der Schweiz: 1970-1996. Necrology of law librarians in Germany, Austria, and Switzerland: 1970-1996. In: International Journal of Legal Information. 24. 1996 (1998), ISSN 0731-1265, S. 234-262, 25. 1997 (1999), S. XI.
  • Hans-Burkard Meyer: Bibliotheksjuristen. In Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland tätige Juristen. Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen (AjBD), Augsburg 1988.
  • Eric W. Steinhauer: Die Ausbildung der Wissenschaftlichen Bibliothekare und das Laufbahnrecht. In: Bibliotheksdienst. 39 (2005), ISSN 0006-1972, S. 654-673. Online.

Einzelnachweise

  1. Eric W. Steinhauer: Rechtsbibliothekar oder Bibliotheksjurist. In: Bibliotheksrecht. Virtueller Zettelkasten mit Hinweisen und Anmerkungen zu bibliotheksrechtlichen Themen. (Beitrag vom 11. Mai 2009 – Zugriff am 11. August 2011.)
  2. a b Bernhard Fabian (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland, Österreich und Europa. Digitalisiert von Günter Kükenshöner. Olms Neue Medien, Hildesheim 2003. Darin Abschnitt: Niedersaechsische Staats- und Universitaetsbibliothek; Nr. 2.49: Carl Manfred Grebe: Rechtswissenschaft (Jus): „Jacob Grimm, der Bruder von Wilhelm Grimm, hat während seiner Göttinger Jahre an der Bibliothek als Rechtsbibliothekar gewirkt ...“ (Zugriff am 25. September 2011.)
  3. Lotte Kunz: Vom Debattierclub zum Datenlieferanten. Die Entwicklung der schweizerischen Arbeitsgruppe Rechtsbibliothekare, aus den Akten zusammengestellt. In: Bibliothek und Recht – international. Festschrift Ralph Lansky. Hamburg/Augsburg 1991, ISBN 3-926911-04-2, S. 173–199. – Weitere Nachweise unter den Suchwörtern „Rechtsbibliothekare“ und „Bibliotheksjuristen“ im Wissenschaftsportal b2i bei der Bayerischen Staatsbibliothek (Zugriff am 3. September 2011).
  4. Vgl. Peter Johannes Weber: Das juristische Bibliothekswesen in der Schweiz. In: Festschrift für Dietrich Pannier. Heymann, Köln 2010, ISBN 978-3-452-27332-1, S. 425-452 (429-430). (online) (Zugriff am 3. September 2011.)
  5. Alexandra Habermann: Der wissenschaftliche Bibliothekar – Zur Professionalisierung eines Berufes. In: Verein Deutscher Bibliothekare 1900-2000. Festschrift. Hrsg. von Engelbert Plassmann und Ludger Syré. Harrassowitz, Wiesbaden 2000, ISBN 3-447-04247-8, S. 42-58.
  6. Friedrich List: Grundriß eines Bibliotheksrechts. Roth, Gießen 1928.
  7. Heinrich Treplin, Hildebert Kirchner: Bibliotheksrecht. In: Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Band 2: Bibliotheksverwaltung. 2. Aufl. Harrassowitz, Wiesbaden 1961, S. 762-818. (1. Aufl. 1933 von Treplin in Handbuch der Bibliothekswissenschaft Band 2, S. 599-634.) – Bibliotheksrechtliche Fragen. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen. 42 (1925), S. 488–498 (Vortrag, online – Zugriff am 26. September 2011).
  8. Law librarian. – San Francisco Nr. 1 (1887) – 5 (1888); Vol. 1 (1889) – 2 (1890). ISSN 0195-9654
  9. Dies war eine Nachwirkung von § 2 Abs. 5 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst (im Deutschen Reich). Vom 18. August 1938. In: Lansky: Bibliotheksrechtliche Vorschriften, 2. Aufl. 1969, Nr. 655: „Nicht promovierte Bewerber haben – wenn sie zum Vorbereitungsdienst zugelassen werden – die Promotion bis zur Meldung zur bibliothekarischen Fachprüfung (§ 15) nachzuholen.“
  10. Annette Schlag: Rechtsbibliothekare – eine aussterbende Spezies? In: Recht, Bibliothek, Dokumentation. 26 (1996), ISSN 0935-2538, S. 60-65.
  11. So ausdrücklich erwähnt in § 3 Satz 2 der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den höheren Bibliotheksdienst bei den wissenschaftlichen Bibliotheken (in Bayern). Vom 9. Dezember 2003 mit Änderungen vom 7. Juni 2004 und 23. März 2010. In: Lansky/Kesper: Bibliotheksrechtliche Vorschriften, 4. Aufl., Stand 2011, ISBN 978-3-465-03482-7, Nr. 1633: „Darüber hinaus ist der Nachweis der Promotion erwünscht.“
  12. Vgl. Vereinbarung „Zugang zu den Laufbahnen des höheren Dienstes durch Masterabschluss an Fachhochschulen“. Beschluss der Innenministerkonferenz vom 7. Dezember 2007 und der Kultusministerkonferenz vom 20. September 2007. In: Lansky/Kesper: Bibliotheksrechtliche Vorschriften, 4. Aufl., Stand 2011, ISBN 978-3-465-03482-7, Nr. 1615.
  13. Zum Bundespersonalausschuss vgl. §§ 119-124 Bundesbeamtengesetz.
  14. Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen (AjBD). (Zugriff am 31. August 2011.)
  15. Zur AjBD vgl. auch Ralph Lansky: Handbuch der juristischen Bibliotheken. Deutsches Bibliotheksinstitut, Berlin 1993, ISBN 3-87068-437-2, S. 271-314; Hans-Peter Ziegler: Die Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen (AJBD). In: Festschrift für Dietrich Pannier. Heymann, Köln 2010, ISBN 978-3-452-27332-1, S. 453–459.
  16. Im Hinblick auf die DDR vgl. Gerda Graf: Rechtsbibliotheken im Osten Deutschlands / Die Arbeitsgruppe rechtswissenschaftlicher Bibliotheken. In: Recht, Bibliothek, Dokumentation 21 (1991), ISSN 0935-2538, S. 18-23 / 54-55; Ralph Lansky: Rechtsbibliothekarische Kontakte im geteilten Deutschland. (Mit einem Nachruf von Gabriele Beger auf Heinz Werner.) In: West-östliche Bande. Erinnerungen an interdeutsche Bibliothekskontakte. Hrsg. von Georg Ruppelt. Klostermann, Frankfurt am Main 2011, ISSN 0514-6364, (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. Sonderband 103.) S. 81-90 und 198-199.
  17. International Association of Law Libraries (IALL). (Zugriff am 31. August 2011.)
  18. Arbeitsgemeinschaft der Parlaments- und Behördenbibliotheken (APBB). (Zugriff am 31. August 2011.)
  19. Satzung der AjBD. (Zugriff am 1. September 2011.)
  20. British and Irish Association of Law Librarians (BIALL). (Zugriff am 12. September 2011.)
  21. American Association of Law Libraries (AALL) (Zugriff am 3. September 2011.)
  22. Adolf Sprudzs: Die Amerikanische Vereinigung der Rechtsbibliotheken. In: Mitteilungen. Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen. 9 (1979), ISSN 0300-0990, S. 63–73.
  23. Law library associations and related organizations. (Zugriff am 31. August 2011.)

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