Diebstahl (Deutschland)

Diebstahl (Deutschland)

In der deutschen Strafrechtswissenschaft bezeichnet Diebstahl eine Straftat gegen das Eigentum nach § 242 Strafgesetzbuch (StGB). Die Vorschrift wurde zuletzt 1998 durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz geändert, um auch die Drittzueignung zu erfassen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Wortlaut des § 242 StGB

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

Tatbestand

Fremde bewegliche Sache

Grundsätzlich wird unter einer Sache ein körperlicher Gegenstand - gleichgültig in welchem Aggregatzustand er sich befindet - verstanden (vgl. § 90 BGB). Gegenstück bilden unkörperliche Gegenstände und Rechte. Deshalb ist bspw. ein Diebstahl an elektrischer Energie nicht möglich. (Deren Entziehung wird allerdings von einem eigenen Straftatbestand geahndet, vgl. § 248c StGB.) Im Gegensatz zum Zivilrecht, welches Tiere nicht als Sachen ansieht (vgl. § 90a BGB), erfasst der strafrechtliche Sachbegriff auch Tiere. Fremd ist eine Sache, die im Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum einer anderen Person steht. Darüber hinaus darf die Sache nicht herrenlos sein (vgl. § 958, § 959 BGB). Die Sache muss besitzfähig sein. Zu verneinen ist dies beim menschlichen Körper in Gestalt der Leiche (anders möglicherweise bei Implantat, wie z. B. Herzschrittmacher). Beweglich ist jede Sache, die tatsächlich fortgeschafft werden kann. Auch Sachen, die erst beweglich gemacht werden müssen (z. B. eine festgeschraubte Statue) sind hiervon erfasst. Insofern besteht ein Unterschied zum (deutschen) Zivilrecht hinsichtlich der Eigenschaft „Beweglichkeit“ von Sachen.

Wegnahme

Wegnahme bedeutet den Bruch fremden und die Begründung neuen (nicht notwendigerweise tätereigenen) Gewahrsams.

Gewahrsam ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen (subj. Komponente) getragene tatsächliche Sachherrschaft (obj. Komponente) eines Menschen über eine Sache. Sie ist vergleichbar, nicht aber identisch mit dem zivilrechtlichen Besitz. Insbesondere sind im Strafrecht zivilrechtliche Fiktionen (wie beispielsweise der Erbenbesitz gem. § 857 BGB) unbeachtlich. Grundsätzlich bedarf es zur Begründung der tatsächlichen Sachherrschaft einer engen räumlichen Beziehung zwischen Person und Sache, wie etwa bei Gegenständen, die zur freien Verfügung in der Kleidung oder am Körper getragen werden (sog. Gewahrsamsenklave). Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung, es ist also insbesondere die soziale Anschauung zu berücksichtigen (sozial-normative Theorie). So besteht Gewahrsam bspw. auch an einem auf der Straße geparkten Kfz oder an einem frei herumlaufenden Haustier (auch "gelockerter Gewahrsam“). Bei verlorenen Sachen ist danach zu unterscheiden, ob sie im eigenen räumlich umgrenzten Herrschaftsbereich, in fremder (z. B. Gaststätte, Geschäftsraum) oder außerhalb jeglicher Gewahrsamssphäre (z. B. Wald, Straße) verloren gegangen sind. Während im ersten Fall Gewahrsam weiter besteht, geht dieser im zweiten, einen generellen Gewahrsamswillen vorausgesetzt, auf den „Inhaber“ der fremden Gewahrsamssphäre über. Im letzten Fall würde der Gegenstand gewahrsamlos. Anders ist dies bei vergessenen Sachen. Hieran kann lediglich Mitgewahrsam erworben werden. Der subjektive Herrschaftswille wird allgemein als natürlicher Wille angesehen und ist somit unabhängig von der Geschäftsfähigkeit (vgl. §§ 104 ff. BGB). Mangels Willensfähigkeit juristischer Personen können nur natürliche Personen (Menschen) Gewahrsamsinhaber sein. Folglich ist dies bei juristischen Personen das jeweilige Trägerorgan (z. B. Geschäftsführer). Für die Ermittlung eines natürlichen Herrschaftswillens ist gemäß der Verkehrsauffassung ein genereller (z. B. bei Wohnungsinhaber bzgl. aller Sachen in seiner Wohnung) und potentieller Gewahrsamswille (d. h. auch Bewusstlose oder Schlafende) ausreichend.

Gebrochen (Bruch) wird der Gewahrsam, wenn er gegen oder jedenfalls ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird. Deshalb ist beim Diebstahl ein tatbestandsausschließendes Einverständnis möglich.

Der Diebstahl ist also vollendet, wenn der Täter fremden Gewahrsam gebrochen und neuen begründet (Begründung neuen Gewahrsams) hat. Für einen Gewahrsamswechsel muss der Täter die tatsächliche Herrschaft über eine Sache derart erlangt haben, dass ihrer Ausübung keine weiteren, wesentlichen Hindernisse im Weg stehen. Wann dies der Fall ist, hat man versucht anhand verschiedener Theorien zu konkretisieren. So genügt etwa bei der Kontrektationstheorie das schlichte Berühren der Sache, wohingegen die Ablationstheorie (lat. ablatio – Abtragung, Ablösung) das Fortschaffen und die Illationstheorie (lat. illatio zu inferre „hineinbringen, -tragen“) das Bergen der Beute verlangt. Als ausreichend flexibel und damit zur hinreichenden Würdigung des Einzelfalls geeignet erwies sich schließlich nur die Apprehensionstheorie, die ein zum Gewahrsamswechsel führendes Ergreifen verlangt. Beim Ladendiebstahl liegt die „Wegnahme“ nicht notwendigerweise erst im Verlassen des Geschäfts mit der unbezahlten Ware vor, sondern bereits im Verbergen in einer Tasche oder in der Kleidung, da diese in der Regel eine Gewahrsamsenklave des Täters bilden.

Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung

Die Zueignung muss zudem rechtswidrig sein. Sie muss also in objektivem Widerspruch zur Eigentumsordnung stehen. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Täter einen fälligen und einredefreien Anspruch auf Übereignung der Sache hat.

Vorsatz

Diebstahl ist nur vorsätzlich begehbar, vgl. § 15 StGB. Das bedeutet, dass der Täter bei Tatbegehung – also zum Zeitpunkt der Wegnahmehandlung – wissen muss, dass es sich bei dem weggenommenen Gegenstand um eine fremde Sache (im Sinne der obigen Definition) handelt und dass ihm bekannt sein muss, dass er (im Sinne der obigen Definition) fremden Gewahrsam bricht.

Zueignungsabsicht

Als zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal muss Zueignungsabsicht vorliegen. Sie wird als überschießende Innentendenz bezeichnet, da sie ein subjektives Merkmal ist, dem kein objektives Tatbestandsmerkmal entspricht. Zueignungsabsicht ist gegeben, wenn der Täter den wahren Berechtigten dauerhaft aus dessen Eigentümerposition verdrängen und sich selbst oder einen Dritten jedenfalls vorübergehend an seine Stelle setzen will. Die Zueignung selbst muss also nicht eingetreten sein, der Zueignungserfolg muss nur angestrebt sein. Es handelt sich daher um ein so genanntes erfolgskupiertes Delikt. Bloße Gebrauchsanmaßung ist grundsätzlich als „Diebstahl“ nicht strafbar. Unter Gebrauchsanmaßung ist eine Wegnahme zum vorübergehenden Gebrauch mit Rückgabeabsicht zu verstehen, bzw. eine Wegnahme ohne Zueignungsabsicht. Eine Ausnahme besteht bei Kraftfahrzeugen oder Fahrrädern, deren unbefugter Gebrauch ist gemäß § 248b StGB strafbar.

Abgrenzung zum Betrug

Problematisch ist die Abgrenzung des Diebstahls zum Betrug (§ 263 StGB). Nach der allgemein vertretenen Exklusivitätsthese kann eine Tathandlung nur entweder ein Diebstahl oder ein Betrug sein. Es kann nur eine Wegnahme des Täters oder eine Vermögensverfügung des Opfers vorliegen, jedenfalls kann bei einem Tatobjekt nicht beides gleichzeitig vorliegen.

Abgrenzungsschwierigkeiten treten deshalb beim Dreiecksbetrug bzw. beim Diebstahl in mittelbarer Täterschaft auf, sowie bei den Fallkonstellationen des Trickdiebstahls.

Dreiecksbetrug

Während der Diebstahl ein Fremdschädigungsdelikt darstellt, ist ein Betrug ein Selbstschädigungsdelikt. Problematisch ist die Einordnung von Fallkonstellationen, in denen ein Dritter – beispielsweise ein Familienangehöriger – irrtümlich eine Sache des Opfers an den Täter herausgibt.

Im Wesentlichen sind in diesem Zusammenhang zwei Theorien zu nennen: Die „Theorie der rechtlichen Befugnis“ und die „Lagertheorie“. Die Theorie der rechtlichen Befugnis stellt ein Selbstschädigungsdelikt (also einen Betrug) nur dann fest, wenn derjenige, der das Tatobjekt an den Täter heraus gibt (Irrtumsträger), rechtlich dazu befugt war, über die Sache zu verfügen.

Die Lagertheorie stellt auf das Näheverhältnis zwischen Irrtumsträger und Opfer (bzw. Täter) ab. Stand der Irrtumsträger „im Lager“ des Opfers (z. B. ein Familienangehöriger) liegt ein Selbstschädigungsdelikt vor. Stand der Irrtumsträger dagegen „im Lager“ des Täters (z. B. ein Komplize) wird ein Fremdschädigungsdelikt angenommen.

Trickdiebstahl

Beim Trickdiebstahl übergibt oder überlässt das Opfer die Sache dem Täter, weil dieser ihm eine Situation vorgetäuscht hat, in der die Wegnahme für das Opfer nicht als solche erkennbar ist oder es glaubt, die Übergabe sei rechtens oder ein Widerstand dagegen zwecklos. Obwohl insoweit eine Wegnahme im Sinne des § 242 StGB nicht vorliegt, wird hier dogmatisch nicht etwa Betrug (wegen des Vortäuschens) oder Erpressung (wegen der Zwangslage) angenommen, sondern Diebstahl, da der verwirklichte Tatbestandskern darin besteht, dass das Opfer den Gewahrsam dauerhaft gegen seinen Willen (Fremdschädigungsdelikt) verliert. An die Stelle des Wegnahmeaktes tritt hier also die (unfreiwillige) Weggabe aufgrund einer Täuschung oder Überrumpelung. Im Unterschied zum Betrug bringt die Täuschung das Opfer nicht dazu, die Sache freiwillig (Selbstschädigungsdelikt) wegzugeben (vielmehr übergibt das Opfer die Sache an den Täter in dem irrigen Glauben, es liege gar keine Weggabe vor oder es sei gegen seinen Willen gezwungen, die Sache wegzugeben). Im Unterschied zur Erpressung besteht keine echte Zwangslage, sondern eine solche wird dem Opfer allenfalls vorgegaukelt.

Qualifizierte Tatbestände

Im deutschen Strafrecht gibt es – im Grundsatz – genauso wie im österreichischen Recht Qualifizierungen, Strafschärfungen (Regelbeispiele) und andere Vermögensdelikte.

Einzelnachweis

  1. Artikel 1 Nr. 48 Sechstes Strafrechtsreformgesetz vom 26. Januar 1998, Bundesgesetzblatt I, S. 164; Thomas Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze (Beck'scher Kurz-Kommentar), 55. Auflage, Beck, München 2008, ISBN 3406594220.

Literatur

  • Wolfgang Bittner: Der Gewahrsamsbegriff und seine Bedeutung für die Systematik der Vermögensdelikte, Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-8381-0051-7
  • Felix Prinz: Diebstahl §§ 242 ff.. Nomos-Verl.-Ges., Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-8124-8.
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