Geschichte der Erbschaftsteuer

Geschichte der Erbschaftsteuer

Die Erbschaftsteuer ist eine der ältesten in der Geschichte nachweisbare Steuer. Sie wird anlässlich des Todes einer Person (des Erblassers) entweder unmittelbar vom Nachlass oder beim Erben von seinem Erwerb erhoben. In Deutschland wurde die Erbschaftsteuer einheitlich im Jahr 1906 eingeführt.

Inhaltsverzeichnis

Frühe Ursprünge

Die Erbschaftsteuer soll bereits im sumerischen Reich erhoben worden sein. Nachgewiesen ist sie als Besitzwechselabgabe im Alten Ägypten für das Jahr 117 v. Chr. und ebenfalls schon für die Römische Republik. In der Römischen Kaiserzeit wurde sie seit dem Jahr 8 n. Chr. mit wenigen Ausnahmen in Höhe von fünf Prozent bis zum 4. Jahrhundert erhoben. Im Mittelalter spielte die Erbschaftsteuer in Europa keine besondere Rolle und tauchte dort dann zuerst wieder im Mittelmeerraum als frühes Finanzierungsinstrument der italienischen Stadtstaaten auf. Bekannt waren aber bereits als Vorläufer im frühen Mittelalter an den Tod oder Besitzwechsel anknüpfende vom Standesherrn erhobene Abgaben, Mortuarium genannt. Auch überschnitt sie sich mit in der Neuzeit erhobenen Stempelabgaben, die auch auf Urkunden wie Testamente und Erbschaftsverträge anfallen konnten. Bereits von Anbeginn waren mit der Erhebung der Erbschaftsteuer einerseits die Frage nach einer wertabhängigen Progression und andererseits die der Freistellung von nahen Familienangehörigen verbunden.[1]

Wiedereinführung der Steuer in Europa

In Schweden findet sich der früheste Nachweis eines Erbschaftsteuergesetzes in Form des jüngeren Westgotengesetzes (västgötalagen) im 14. Jahrhundert, wonach der Erbe 1/10 des ererbten beweglichen Vermögens abgegeben musste.[2] Während des Spanisch-Niederländischen Unabhängigkeitskrieges wurde die Erbschaftsteuer Ende des 16. Jahrhunderts in den dortigen Provinzen eingeführt, im 17. Jahrhundert folgten einige deutsche Länder (Braunschweig, Lüneburg und Hamburg). England führte die Erbschaftsteuer 1694, Frankreich 1703, Österreich 1759, Dänemark und Norwegen 1702 ein. Auf dem Gebiet der Schweiz wurde sie seit 1798 erhoben. 1873 erließ Preußen das erste moderne umfassende Erbschaftsteuergesetz auf deutschem Gebiet, gefolgt von Hamburg 1894 und Baden 1899. Nach der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Jahrhundertwende 1900, das erstmals eine Vereinheitlichung des Erbrechts brachte, wurde 1906 auf der Grundlage des als Vorbild dienenden preußischen Erbschaftsteuergesetzes ein Reichserbschaftsteuergesetz erlassen.[3]

Ideengeschichtliche Entwicklung

Ideengeschichtlich geht die Erbschaftsteuer in der Neuzeit auf die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Gewährung des Erbrechts zurück. Adam Smith lehnte sie als Behinderung der Akkumulation von Privatkapital ab. Die Frühsozialisten, wie Henri de Saint-Simon forderten eine Abschaffung des Erbrechts, weil hierdurch die ungleiche Vermögensverteilung aufrechterhalten werde. Das Kommunistische Manifest übernahm zwar diese Forderung, aber später nahmen sie Karl Marx und Friedrich Engels wieder ausdrücklich zurück. Die Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel, darunter auch Grund und Boden, würde denselben Verteilungseffekt erzielen, ohne der Gefahr, dass sich breite Bevölkerungsschichten durch einen befürchteten Zugriff auf ihr Eigentum möglicherweise gegen die soziale Bewegung stellen könnten.[4] Eine Auseinandersetzung mit der sozialpolitischen Bedeutung von Erbrecht und Erbschaftsteuern spielte auch bei der frühen sozialdemokratischen Opposition im preußischen Parlament und dem Reichstag keine besondere Rolle. Der um 1900 in Italien, Frankreich und England heftig diskutierte nach seinem Urheber Eugenio Rignano benannte Plan, durch Erbschaftsteuererhebung innerhalb von drei Generationen alles Erbvermögen zu konfiszieren, erlangte bei den politischen Erbschaftssteuerdiskussionen in Deutschland keine besondere Bedeutung (obgleich schon 1905 ins Deutsche übersetzt). Andererseits wurde die Erbschaftsteuer von Anbeginn an von ihren Gegnern stets als Angriff auf und Eingriff in die Familie angesehen.[5]

Moderne Entwicklung

Das Erbschaftsteuergesetz von 1906 führte eine progressive Besteuerung ein, nahm jedoch die Ehegatten und die Kinder von der Besteuerung aus. In den Jahren 1908 und 1909 wurde im Reichstag zwar die Frage der Einbeziehung auch der Ehegatten und Kinder in die Besteuerung heftig diskutiert, jedoch von der Mehrheit schließlich als Eingriff in die Familien abgelehnt. Erst mit den 1919 erfolgenden Finanzreformen des später ermordeten dem Zentrum angehörenden Reichsfinanzminister Matthias Erzberger fand dann wieder eine allgemeine Reform des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes statt, in dem nunmehr erstmals auch die Ehegatten und Kinder der Steuerpflicht unterworfen wurden. Sie bildeten die erste Steuerklasse mit einem progressiv ansteigenden Steuersatz von 4–35%. Bei Dritten und fernen Verwandten stieg der Spitzensteuersatz (ab eine Million Mark Wert) auf 70 %, der noch um 20 % auf 90 % angehoben wurde, wenn der Erbe bereits ein 100.000 Mark übersteigendes Vermögen besaß. Ebenfalls wurde eine zusätzliche Nachlasssteuer bis zu fünf Prozent erhoben. Jedoch bereits 1922 kam es zu einer neuen Reform, in der der Spitzensteuersatz der Steuerklasse 1 halbiert und die Ehegatten wieder gänzlich befreit wurden, was 1925 für kinderlose Ehegatten zurückgenommen wurde. Die Nachlassteuer wurde abgeschafft und die Steuerklassen differenziert. Seither haben sich alle nachfolgenden Erbschaftsteuergesetze in diesem Rahmen bewegt.[6]

DDR

Siehe Erbschaftsteuer in der DDR

Bundesrepublik Deutschland

Seit 1955 werden die Ehegatten wieder generell zur Erbschaftsteuer veranlagt, die Last aber durch im Laufe der Jahrzehnte mehrmals angehobene Freibeträge gemindert, dies gilt auch für Kinder. Der Spitzensteuersatz in der Steuerklasse I (Ehegatte, Kinder) betrug 15 %, in der Steuerklasse V (Fremde, ferne Verwandte) 60 %. Im Jahre 1974 wurden unter der sozialliberalen Koalition (SPD/FDP) die Steuersätze für die Familien drastisch erhöht, wodurch eine Verdoppelung des Steueraufkommens erreicht wurde. Der Freibetrag für Ehegatten betrug DM 250.000, für Kinder DM 90.000 und für sonstige Erben DM 3000.[7] Bis zur letzten Steuerreform 2008 wurden die Freibeträge für Ehegatten auf 300.000 Euro und für Kinder auf 200.000 Euro erhöht, zudem wurde zugunsten von Ehegatten ein Versorgungsfreibetrag eingeführt.

Literatur

  • Jens Beckert: Unverdientes Vermögen, Soziologie des Erbrechts, Frankfurt am Main 2004, Campus-Verlag, ISBN 3-593-37592-3,
  • Troll-Gebel-Jülicher: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblattkommentar, 37. Aufl., Vahlen 2009, ISBN 978-3-8006-2402-7, Einführung Rdn. 60 ff.

Einzelnachweise

  1. Troll-Gebel-Jülicher: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblattkommentar, 37. Aufl. 2009, Vahlen, ISBN 978-3-8006-2402-7, Einführung Rdn. 60 und 61; Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, HDWW, Bd. 2 1980, G. Fischer – J. C. B. Mohr-Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3525102572, unter: Erbschafts- und Schenkungsteuer, S. 448
  2. Ernst Johannsson: Erbrecht in Schweden, in: Rembert Süß (Hrsg.): Erbrecht in Europa, 2. Aufl. 2008, Zerb Verlag, ISBN 978-3-935079-57-0, Seite 1318 f. Nr. 183
  3. Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, HDWW, Bd. 2, 1980, G. Fischer – J. C. B. Mohr-Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3525102572, unter: Erbschafts- und Schenkungsteuer, S. 448; Troll-Gebel-Jülicher: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblattkommentar, 37. Aufl. 2009, Vahlen, ISBN 978-3-8006-2402-7, Einführung Rdn. 61 -63; Bundesfinanzministerium: Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer, Geschichtliche Entwicklung;
  4. Vgl. z. B. Karl Marx, Bericht des Generalrats über das Erbrecht, 367 Nr. 2, abgerufen am 13. September 2009, [1]
  5. Jens Beckert: Unverdientes Vermögen, Soziologie des Erbrechts, Frankfurt am Main 2004, Campus-Verlag, ISBN 3-593-37592-3, Seite 253-255
  6. Troll-Gebel-Jülicher: Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Loseblattkommentar, 37. Aufl., Vahlen 2009, ISBN 978-3-8006-2402-7, Einführung Rdn. 65 ff.; Jens Beckert: Unverdientes Vermögen, Soziologie des Erbrechts, Frankfurt am Main 2004, Campus-Verlag, ISBN 3-593-37592-3, Seite 263-273
  7. Jens Beckert: Unverdientes Vermögen, Soziologie des Erbrechts, Frankfurt am Main 2004, Campus-Verlag, ISBN 3-593-37592-3, Seite 272; Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, HDWW, Bd. 2, 1980, G. Fischer – J. C. B. Mohr-Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3525102572, unter: Erbschafts- und Schenkungsteuer, S. 448

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