- Sozialliberale Koalition
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Unter einer sozialliberalen Koalition versteht man eine Koalition einer sozialdemokratischen oder sozialistischen Partei mit einer liberalen Partei.
In Deutschland wird dieser Begriff vor allem mit der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene von 1969 bis 1982 assoziiert. Eine ähnliche Variante stellte bis 1986 die Rot-Blaue Koalition in Österreich – zwischen der SPÖ und der damals noch liberal ausgerichteten FPÖ – dar.
Inhaltsverzeichnis
Deutschland
In Deutschland haben Sozialdemokraten und Liberale bereits 1917/1918 zusammengearbeitet, unter Einschluss der Zentrumspartei. In der Weimarer Republik gab es die Weimarer Koalition, die allerdings nach 1920 im Reich nur unter Einschluss der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei Mehrheiten erzielte.
Erst in der Bundesrepublik etablierte sich der Ausdruck sozialliberale Koalition. Wegen der Farben der beiden Parteien, der SPD und der FDP, spricht man auch von einer rot-gelben Koalition.
Da die FDP vorzugsweise mit den Unionsparteien koaliert, sind sozialliberale Koalitionen vergleichsweise selten. Die erste auf Landesebene, in Nordrhein-Westfalen ab 1956, wurde von den Liberalen als Notwehrreaktion eingegangen: Bundeskanzler Konrad Adenauer wollte im Bund ein Mehrheitswahlrecht einführen, das die FDP bedeutungslos gemacht hätte. Die FDP verließ die Koalition auf Bundesebene und sorgte mit der sozialliberalen Koalition in Nordrhein-Westfalen dafür, dass Adenauer im Bundesrat keine Mehrheit mehr hatte. Nach den Landtagswahlen von 1958 endete die Koalition bereits wieder durch den Wahlsieg der Union.
Danach gab es weitere sozialliberale Koalitionen auf Länderebene, aber der zweiten sozialliberalen Koalition in Nordrhein-Westfalen (seit 1968) sprach man eine besondere Bedeutung zu. Sie sei ein Experiment für eine solche Koalition erstmals auf Bundesebene. Die Bundespräsidentenwahl im März 1969 galt als Testfall auf Bundesebene: SPD-Kandidat Gustav Heinemann erhielt mit dem Großteil der FDP-Stimmen eine knappe Mehrheit.
Im Oktober 1969 kam eine SPD-FDP-Koalition auf Bundesebene zustande. SPD-Chef Willy Brandt räumte der FDP unter Walter Scheel bedeutende Ministerposten ein, die sie von der Union nie erhalten hatte (Äußeres und Inneres, später auch Wirtschaft). Außerdem hing damals noch ein erneuter Versuch der Union in der Luft, das Mehrheitswahlrecht einzuführen.
Während der sozialliberalen Koalition auf Bundesebene kam es leicht verstärkt auch zu solchen Koalitionen in den Ländern. Sie wurde 1974 von Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) fortgeführt, endete aber 1982 mit der sogenannten Bonner Wende. Seitdem sind sozialliberale Koalitionen auf Länderebene tendenziell seltener geworden. Das hat auch mit dem Aufkommen der Grünen zu tun, die oftmals der SPD als Koalitionspartner dienten. Die bislang letzte sozialliberale Koalition (Rheinland-Pfalz) endete 2006, nachdem die SPD die absolute Mehrheit gewonnen hatte.
Eine Koalition von SPD, FDP und Grünen nennt man Ampelkoalition. Eine solche gab es in gewissem Sinne in Brandenburg 1990–1994, wobei die Grünen damals vor allem in Gestalt von Bündnis 90 teilnahmen. 1991 bis 1995 wurde Bremen von einer Ampelkoalition regiert.
Berlin
- 1963–1966 Willy Brandt trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1966–1967 Heinrich Albertz trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1967–1971 Klaus Schütz trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1975–1977 Klaus Schütz
- 1977–1981 Dietrich Stobbe
- 1981 Hans-Jochen Vogel
Bremen
- 1959–1965 Wilhelm Kaisen trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1967–1971 Hans Koschnick
Hamburg
- 1957–1961 Max Brauer trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1961–1965 Paul Nevermann trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1965–1966 Herbert Weichmann trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1970–1971 Herbert Weichmann trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1971–1974 Peter Schulz trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1974–1978 Hans-Ulrich Klose
- 1987–1988 Klaus von Dohnanyi
- 1988–1991 Henning Voscherau
Hessen
- 1970–1976 Albert Osswald
- 1976–1982 Holger Börner
Niedersachsen
- 1963–1965 Georg Diederichs
- 1974–1976 Alfred Kubel
Nordrhein-Westfalen
- 1956–1958 Fritz Steinhoff
- 1966–1978 Heinz Kühn
- 1978–1980 Johannes Rau
Rheinland-Pfalz
- 1991–1994 Rudolf Scharping
- 1994–2006 Kurt Beck
Bis 1991 hatte die FDP in Rheinland-Pfalz mit der CDU regiert. Bei der Landtagswahl 1991 verlor Schwarz-Gelb aber die absolute Mehrheit und die FDP koalierte daraufhin mit der SPD. Bei der Landtagswahl 1996 bekamen CDU und FDP wieder eine Mehrheit, die FDP setzte aber die Regierungsarbeit mit der SPD fort. Fünf Jahre später erhielt das damals in Deutschland viel praktizierte Bündnis Rot-Grün eine Mehrheit, aber die sozialliberale Koalition beendete ihre Zusammenarbeit nicht. Erst nach der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2006 endete diese, als die SPD die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag errang und die FDP trotz Angebot der SPD ein Bündnis ablehnte.
Literatur
- Peter Borowsky: Sozialliberale Koalition und innere Reformen. In: Informationen zur politischen Bildung 258 (1998), S. 31–40.
- Daniel Hofmann: „Verdächtige Eile“. Der Weg zur Koalition aus SPD und F.D.P. nach der Bundestagswahl vom 28. September 1969. In: VfZ 48 (2000), S. 515–564.
Weblinks
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