Fritz Reinhardt (Staatssekretär)

Fritz Reinhardt (Staatssekretär)
Fritz Reinhardt

Fritz Reinhardt (* 3. April 1895 in Ilmenau; † 17. Juni 1969 in Regensburg) war Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Am Anfang des Ersten Weltkrieges hielt sich Reinhardt in Riga auf und wurde als feindlicher Ausländer in Sibirien interniert. 1919 war Reinhardt Direktor der Thüringenschen Handelsschule in Ilmenau und gründete 1924 die erste deutsche Fernhandelsschule in Herrsching am Ammersee. Daneben war er Sachbearbeiter im Landesfinanzamt Thüringen.

Im Oktober 1926 (nach anderen Quellen 1924) trat er der NSDAP bei und machte durch sein rednerisches Talent und seine Kenntnisse des Wirtschafts- und Steuersystems schnell Karriere. Im gleichen Jahr wurde er Ortsgruppenleiter von Herrsching, 1927 Bezirksleiter von Oberbayern-Süd und 1928 bis 1930 Gauleiter von Oberbayern. Von 1928 bis 1933 war Reinhardt Leiter der Reichsrednerschule der NSDAP, während dieser Zeit wurden 6.000 Parteimitglieder propagandistisch geschult.[1] Im Jahr 1930 wurde er Mitglied des Reichstages und übernahm in der NSDAP die führende Rolle in Finanzfragen. Von Oktober 1930 bis März 1931 übernahm er die Schriftleitung des Ingolstädter NS-Kampfblattes Der Donaubote. Er wurde 1933 SA-Gruppenführer und Mitglied im Stab des Stellvertreters des Führers. 1937 folgte die Ernennung zum SA-Obergruppenführer.

Staatssekretär

Am 6. April 1933 wurde er nach Intervention Hitlers Staatssekretär im Reichsministerium der Finanzen unter Schwerin von Krosigk und damit Nachfolger des wegen seines jüdischen Glaubens aus dem Amt entfernten Staatssekretärs Arthur Zarden. Reinhardt konnte sich der Rückendeckung der NSDAP und Hitlers sicher sein, weswegen er von Anfang an eine sehr starke Position innehatte. Reinhardt traf die Entscheidungen im Steuerwesen, ihm unterstanden die von ihm ab 1935 eingerichteten Reichsfinanzschulen zur Ausbildung von Steuer- und Zollbeamten und der 1937 gegründete Zollgrenzschutz.

Er war einer der Motoren bei den Programmen gegen die Arbeitslosigkeit, die auch unter dem Namen Reinhardt-Programm bekannt wurden. Auf ihn geht der § 1 des Steueranpassungsgesetzes vom Oktober 1934 zurück, der vorschrieb, dass die Steuergesetze nach nationalsozialistischer Weltanschauung auszulegen waren. Auch in der Folgezeit trugen eine Reihe von Verordnungen und Entscheidungen gegen Juden seine Unterschrift, wie z. B. im Jahr 1942 die Abrechnung über das Raubgold der enteigneten und ermordeten Juden.

Er war Herausgeber der Deutschen Steuerzeitung, die er neben seinen vielen anderen Publikationen den Finanzbeamten zur Pflichtlektüre machte.

Strittig ist, ob er der Namensgeber der „Aktion Reinhardt“ war[2].

Entnazifizierung

Ab 1945 saß er in alliierter Haft und wurde am 17. Juni 1949 im Entnazifizierungsverfahren als Hauptschuldiger eingestuft und zu vier Jahren Arbeitslager verurteilt. Im Berufungsverfahren Ende 1949 wurde das Urteil bestätigt, die Strafe aber auf drei Jahre reduziert. Ende 1950 wurde das Urteil endgültig bestätigt. Seine bisherige Internierung wurde auf die Strafe angerechnet, womit er sofort frei kam. Bei den Gerichtsverhandlungen sah sich Reinhardt in der Rolle des Finanzexperten, der sich nur den Reichsfinanzen verpflichtet fühlte, Nachteile für Juden abmilderte und sich ansonsten Entscheidungen anderer Ministerien beugen musste.

Nachkriegszeit

Reinhardts sämtliche Schriften – mit Ausnahme von Buchführungspraxis Fritz Reinhardt. Kaufmännische Lehre durch Selbstunterricht und Fernunterricht (1920), Das Haushaltwesen in Reich, Staat und Gemeinde (1922) und Die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (1927) – wurden in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[3]

Reinhardt arbeitete als Steuerberater, trat ansonsten aber nicht öffentlich in Erscheinung. Wohnhaft war er in Bad Wörishofen und Riedenburg. Sein 1941 geborener Sohn Klaus Reinhardt wurde Bundeswehrgeneral.

Bücher (Auswahl)

  • Die Herrschaft der Börse, 1927
  • Buchführung, Bilanz und Steuer: Lehr und Nachschlagwerk, 1936
  • Was geschieht mit unserem Geld?, 1942
  • Mehrwertsteuer-Dienst: Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 1967

Einzelnachweise

  1. Gerhard Paul: Aufstand der Bilder. Die NS-Propaganda vor 1933. Bonn 1992, ISBN 3-8012-5015-6, S. 67.
  2. so bei Hermann Weiß (Hg.), Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, Fischer, Frankfurt 1998, S. 370
  3. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-r.html

Literatur

Weblinks


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