Gegen Vergessen

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Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Hauptsitz in Berlin, der unabhängig, überparteilich und konfessionell nicht gebunden ist. Seine Mitglieder engagieren sich für Vielfalt, Toleranz und Teilhabe im demokratischen Staat sowie gegen politischen Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Minderheiten. Grundlage bildet dabei eine Erinnerungs- und Aufarbeitungskultur von Nationalsozialismus und SED-Diktatur.[1] Vorsitzender des Vereins ist Joachim Gauck.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Verein wurde im April 1993 gegründet. Motivation hierfür waren auch die rassistischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen zwischen 1991 und 1993 wie in Hoyerswerda, Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Politiker, Wissenschaftler, Pädagogen, Gewerkschafter, Journalisten und Leiter von Gedenkstätten. Gründungsvorsitzender des Vereins war Hans-Jochen Vogel. Ihm folgte 2000 Hans Koschnick nach, der das Amt bis 2003 ausübte.

Organisationsstruktur

Gegen Vergessen – Für Demokratie ist als gemeinnützig anerkannt und zählt 2.000 Mitglieder. Vorsitzender seit 2003 ist Joachim Gauck, stellvertretende Vorsitzende sind Eberhard Diepgen, Bernd Faulenbach und Cornelia Schmalz-Jacobsen. Vorsitzende des Beirats ist Rita Süssmuth. Die Geschäftsführung des Vereins hat Michael Parak inne.

Der Verein gliedert sich in 26 regionale Arbeitsgruppen, die jeweils durch einen Sprecher repräsentiert werden. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. Der Verein ist eine Nichtregierungsorganisation, die sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Daneben erhält er projektbezogene Förderungen und Zuwendungen.

Kooperationen

Ein großer Teil der Veranstaltungen des Vereins findet in Kooperation mit anderen Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen statt. Zu den Partnern auf überregionaler Ebene gehören die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Bundeszentrale für politische Bildung, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, das Anne Frank Zentrum, Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, das American Jewish Committee, der Zentralrat der Juden in Deutschland und das Internationale Auschwitz-Komitee. Auf lokaler und überregionaler Ebene arbeitet der Verein mit Gedenkstätten, Bildungsträgern und zivilgesellschaftlichen Initiativen zusammen.

Aufgaben und Ziele

Der Verein will historische Erinnerungsarbeit zum Nationalsozialismus und zur SED-Diktatur mit gegenwartsbezogenem Engagement für die Mitgestaltung der demokratischen Zivilgesellschaft verbinden.

Der Verein realisiert Kultur- und Informationsveranstaltungen, führt Projekte durch, organisiert politische Initiativen und berät zivilgesellschaftliche Gruppen. Daneben erstellt er Angebote für Schulen sowie für die Aus- und Weiterbildung, um über Struktur und Funktionsweise von Nationalsozialismus und SED-Diktatur aufzuklären und zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus beizutragen.

Projekte und Veranstaltungen

Der Verein führt auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene jährlich 150-200 Veranstaltungen und Projekte durch.

Historisch-politische Bildung

Im Bereich der historisch-politischen Bildung werden Seminare, Workshops und andere Projekte veranstaltet, oft in Zusammenarbeit mit Gedenkstätten und Zeitzeugen, in denen die Verbrechen des Nationalsozialismus und das Unrecht, das unter der SED-Diktatur begangen wurde, thematisiert werden. So war der Verein u. a. Mitveranstalter des „Geschichtsforum 1989 - 2009: Europa zwischen Teilung und Aufbruch“, einer wissenschaftlichen und erinnerungspolitischen Großveranstaltung aus Anlass des 20. Jubiläums der friedlichen Revolutionen in Deutschland und Ostmitteleuropa wie beispielsweise der Tschechoslowakei.[2] In dem Projekt „Kinder über den Holocaust“ wurden Berichte jüdischer Kinder veröffentlicht, die den Holocaust in Polen überlebt haben; ergänzend dazu wurde eine didaktische Handreichung[3] herausgegeben. Auf der Grundlage der Berichte entstand in Zusammenarbeit mit dem Theater der Jungen Welt Leipzig ein Theaterstück.[4] Mit zu den zahlreichen Projekten auf regionaler Ebene zählen die Aufarbeitung der Geschichte des KZ-Außenlager Hailfingen-Tailfingen in Baden-Württemberg im Rahmen eines Gedenkstättenprojekts. In Sachsen-Anhalt führt die dortige regionale Arbeitsgruppe zusammen mit dem Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen an zahlreichen Schulen eine Veranstaltungsreihe zur DDR-Geschichte durch.[5]

Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements

Der Verein berät und unterstützt zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich auf lokaler und regionaler Ebene mit Geschichte auseinandersetzen und sich gegen politischen Extremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Minderheiten wenden. Unter anderem führt der Verein ein Argumentationstraining gegen rechtsextreme Stammtischparolen durch. Im Rahmen von Seminaren werden Schüler zu Argumentations-Trainern ausgebildet, die wiederum Gleichaltrige dabei unterstützen können, auf rechtsextreme Äußerungen und Parolen zu reagieren.

Beratung zum Thema Rechtsextremismus

Mit der Online-Beratung gegen Rechtsextremismus stellt der Verein ein Beratungsangebot bereit, das anonym im Internet nutzbar ist.[6] Die Beratung steht allen Menschen offen, die direkt oder durch ihr Umfeld mit Rechtsextremismus konfrontiert sind. Besucher der Internetseite finden dort zudem umfangreiche Informationen zum Thema.

Politikberatung und Initiativen

Gegen Vergessen – Für Demokratie nimmt Aufgaben im Bereich der Politikberatung wahr und beteiligt sich mit politischen Initiativen am öffentlichen Diskurs zu folgenden Themen:

Zwangsarbeiterentschädigung

Der Verein hat sich unter der Führung seines Gründungsvorsitzenden Hans-Jochen Vogel aktiv an den öffentlichen Diskussionen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern beteiligt. Diese Diskussionen mündeten in die Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die die Auszahlung von Entschädigungssummen an die noch lebenden Betroffenen aus einem von Bund und Wirtschaft getragenen Fonds verwaltete.

Rechtsextremismus

Der Verein hat wiederholt öffentliche Erklärungen zum Thema Rechtsextremismus abgegeben. Hierzu gehört der Appell an die Politik, eine auf Kontinuität angelegte Förderpolitik für die Bekämpfung von Rechtsextremismus zu etablieren[7] sowie die Aufforderung an den Gesetzgeber, im Hinblick auf ein NPD-Verbot die Verfahrensregeln für ein Verbot verfassungswidriger Parteien zu überprüfen[8].

Rehabilitierung sogenannter Kriegsverräter

1998 und 2002 wurden nationalsozialistische Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege sowie Urteile gegen Wehrmachtsdeserteure mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege durch den Deutschen Bundestag aufgehoben. Von der NS-Militärjustiz wegen Kriegsverrat Verurteilte waren hiervon zunächst ausgeschlossen und wurden erst im September 2009 pauschal rehabilitiert. Der Verein hat sich hierfür u. a. mit Informationsveranstaltungen und mit wissenschaftlicher Expertise vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzt.[9]

Entschädigung Euthanasie-Geschädigter

2007 wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ aus der NS-Zeit (Nationalsozialistische Rassenhygiene) vom Deutschen Bundestag zu einem Unrechtsgesetz erklärt, die Opfer selbst aber nicht vollständig rehabilitiert. Gemeinsam mit dem Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (BEZ) sowie der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas beteiligt sich der Verein an der Diskussion um eine Anerkennung der Betroffenen als NS-Verfolgte.

Preis „Gegen Vergessen – Für Demokratie“

Seit 2005 verleiht die Vereinigung jährlich den Preis „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ an Personen oder Organisationen, die sich für die Aufarbeitung der deutschen Diktaturvergangenheit oder für Toleranz und Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagieren. Die bisherigen Preisträger waren der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau, die Musikgruppe Die Prinzen, das Maximilian-Kolbe-Werk, der Präsident des Deutschen Fußballbundes, Theo Zwanziger und der DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann. Am 7. November 2010 wurde der Preis an den polnischen Historiker Feliks Tych verliehen. Die Laudatio hielt Joachim Gauck. Der Schriftsteller Rafik Schami erhält im Jahr 2011 die Auszeichnung für seinen großen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte. Die Preisverleihung findet am 30.Oktober 2011 in der Bremer Bürgerschaft statt. Die Laudatio hält die ehemalige Kulturstaatsministerin Prof. Dr. Christina Weiss.

Literatur

  • Hans-Jochen Vogel (Hrsg.): Gegen Vergessen – Für Demokratie. Mit Beitr. von Eberhard Bethge. Piper, München/Zürich 1994.
  • Hans-Jochen Vogel / Ernst Piper (Hrsg.): Vom Leben in Diktaturen: das Projekt „Gegen Vergessen – Für Demokratie“. Mit Beitr. von Christoph Klessmann. Piper, München/Zürich 1995.

Weblinks

Fußnoten

  1. Selbstdarstellung auf gegen-vergessen.de
  2. Information auf geschichtsforum09.de
  3. derzeit im Druck, voraussichtlicher Erscheinungszeitraum ist November 2009
  4. Uraufführung am 17. Mai 2009, Informationen auf theaterderjungenweltleipzig.de
  5. Informationen auf sachsen-anhalt.de
  6. Informationen auf gegen-vergessen.de
  7. „Münchner Appell“ vom 17. November 2007, auf gegen-vergessen.de
  8. Erklärung „Eine starke Demokratie braucht starke Demokratinnen und Demokraten“ vom 15. November 2008, auf gegen-vergessen.de
  9. Basis des Engagements des Vereins waren die in einer Buchpublikation vorliegenden Forschungsergebnisse von Wolfram Wette und Detlef Vogel: Wolfram Wette, Detlef Vogel (Hrsg.): Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat. Aufbau Verlag, Berlin 2007.

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