Carnuntum

Carnuntum
Carnuntum: schematisierter Gesamtplan
Lage von Carnuntum am oberpannonischen Limes
Verlauf der Bernsteinstraße, die bei Carnuntum die Donau überquert

Carnuntum war ein römisches Militärlager und später Hauptstadt der römischen Provinz (Ober-) Pannonien.

Carnuntum lag etwa 40 Kilometer östlich von Wien unmittelbar am Südufer der Donau im heutigen Gemeindegebiet von Petronell-Carnuntum und Bad Deutsch-Altenburg (Niederösterreich). Carnuntum liegt an der Stelle, an der bereits in der Antike die Bernsteinstraße die Donau überquerte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In den antiken Schriftquellen wird Carnuntum zum ersten Mal in Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 6 n. Chr. genannt, der Regierungszeit von Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.). Damals errichtete ein römisches Heer unter dem Kommando von Tiberius ein Winterlager, um den germanischen Stammesverband der Markomannen zu bekämpfen, der nördlich der Donau im Bereich des heutigen Böhmen und Mähren siedelte. Der genaue Standort dieses augusteischen Lagers ist unbekannt.

Die ältesten römischen Siedlungsspuren in Carnuntum wurden für die Zeit von etwa 40/50 n. Chr. nachgewiesen, als die Legio XV Apollinaris an die Donau verlegt wurde und in Carnuntum ihr Standlager errichtete. Um das Legionslager entwickelte sich in der Folge eine ausgedehnte Lagerstadt (canabae legionis), in der die Familien der Soldaten wohnten. Obwohl römische Militärangehörige erst nach 25-jähriger Dienstzeit heiraten durften, gründeten viele Mädchen aus der ansässigen keltischen Bevölkerung eine Familie. Etwa 1,2 Kilometer südwestlich des Lagers wurde vermutlich im ausgehenden 1. Jahrhundert n. Chr. ein weiteres Militärlager für eine 500 Mann starke Reitereinheit angelegt.

Nordwest-Pannonien im 1. Jahrhundert n. Chr.

Im Westen entlang der Limesstraße Richtung Vindobona (Wien) entstand parallel dazu eine Zivilstadt. Sie wurde unter Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.) in den Rang eines Munizipiums erhoben (Municipium Aelium Carnuntum). Spätestens bei der Teilung der Provinz Pannonien in Pannonia superior (Oberpannonien) und Pannonia inferior (Unterpannonien) unter Kaiser Trajan (98–117 n. Chr.) war Carnuntum auch Sitz des Statthalters von Oberpannonien. Auf dem topographisch markanten Pfaffenberg am Ostrand Carnuntums wurden Tempel für Jupiter Optimus Maximus und heilige Stätten für den Kaiserkult errichtet.

Im Laufe des 2. Jahrhunderts vergrößerte sich Carnuntum kontinuierlich. Selbst die Wirren der Markomannenkriege in den 60er- und 70er-Jahren hatten für die gedeihliche Entwicklung der Siedlung keine nachhaltigen Auswirkungen. Im Zuge der römischen Offensive gegen die germanischen Stämme nördlich der Donau, die den Limes bildete, hielt sich der römische Kaiser Mark Aurel (161–180) für drei Jahre (171-173) in Carnuntum auf und verfasste hier einige seiner Selbstbetrachtungen. Im Jahre 193 wurde der oberpannonische Statthalter Septimius Severus (193–211) in Carnuntum von den Carnuntinern zum Parallelkaiser ausgerufen. Während der Severerdynastie (193–235) erlebte Carnuntum eine wirtschaftliche Blütezeit und dürfte zu dieser Zeit auch seine maximale Ausdehnung von etwa 10 km² und 50.000 Bewohnern erreicht haben. Damals bekam die Zivilstadt auch den Ehrentitel einer Colonia verliehen (Colonia Septimia Aurelia Antoniniana Carnuntum).

Etwa in der Mitte des 3. Jahrhunderts, während der Regentschaft von Gallienus (253–268), erhob das pannonische Heer Regalianus zum Parallelkaiser, der aber nur sechs Monate später von seinen eigenen Soldaten ermordet wurde. In dieser kurzen Zeit ließ er aber Münzen mit seinem Abbild und das seiner Frau Sulpicia Dryantilla drucken, die in Carnuntum gefunden wurden. Im Jahre 308 war Carnuntum Schauplatz einer Kaiserkonferenz von historischer Bedeutung unter der Leitung des bereits zurückgetretenen Diokletian (284–305), bei der die Machtverhältnisse im Römischen Reich mit vier Kaisern neu geregelt wurden und das Christentum - später auch andere Religionen - im Reich toleriert wurden.

In der Mitte des 4. Jahrhunderts dürfte Carnuntum von einem schweren Erdbeben erschüttert worden sein, was große Zerstörungen hinterließ. Anlässlich des Aufenthalts von Kaiser Valentinian I. (364–375) in Carnuntum beschreibt der römische Schriftsteller Ammianus Marcellinus die einstige Provinzhauptstadt als verfallenes und schmutziges Nest (Amm. 30, 5, 1–2). In den letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts lassen sich allerdings sowohl in der Zivilstadt als auch in dem – nun nicht mehr ausschließlich militärisch genutzten – Legionslager noch eine Reihe von Bauvorhaben nachweisen. Dazu gehört ein vierseitiges Triumphmonument südwestlich des Siedlungsgebiets, das später Heidentor genannt wurde. Zu dieser Zeit waren große Teile des einstigen Siedlungsareals bereits unbewohnt und wurden als Friedhof genutzt. Die Steine der Gebäude wurden nach und nach als Baumaterial für neue Bauvorhaben in der ganzen Umgebung abtransportiert.

Verlagerung des Siedlungsschwerpunkts von Carnuntum (Petronell/Bad Deutsch-Altenburg) nach Hainburg an der Donau im Frühmittelalter

Antike Siedlungsspuren lassen sich noch bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts nachweisen. Sie lassen sich besonders gut im Inneren des einstigen Legionslagers nachweisen, wohin sich wohl der Großteil der Zivilbevölkerung zurückgezogen hatte.

Der Großraum Carnuntum blieb zwar in der Völkerwanderungszeit weiter besiedelt, das Legionslager, das in der Spätantike den Siedlungskern Carnuntums gebildet hatte, verödete aber ab der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts zusehends und wurde schließlich ganz aufgegeben. Weder aus der Langobardenzeit noch aus der Zeit der Awarenherrschaft liegt Fundmaterial aus dem Lagerinneren vor.

Zur selben Zeit wie die große frühmittelalterliche Wallanlage auf dem Kirchenberg bei Bad Deutsch-Altenburg bestand auch während des 9./10. Jahrhunderts im Inneren des ehemaligen Legionslagers kurzfristig wieder eine kleinere Siedlung. Der Siedlungsschwerpunkt verlagerte sich aber um die Mitte des 11. Jahrhunderts weiter ostwärts nach Hainburg an der Donau.

Legionslager

Zusammen mit dem Auxiliarlager von Arrabona (Győr) zählte das von der 15. Legion errichtete Legionslager in Carnuntum zu den ältesten bekannten militärischen Anlagen am pannonischen Limes. Beide Lager markierten jeweils den Endpunkt von wichtigen Straßenverbindungen, die sich im Inneren der Provinz, in Claudia Savaria, der ältesten Kolonie Pannoniens, trafen und weiter über die Bernsteinstraße nach Poetovio und von dort nach Italien führten.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Legionsstandorten am Rhein- und Donaulimes handelt es sich bei dem etwa in der Mitte zwischen Bad Deutsch-Altenburg und Petronell gelegenen Carnuntiner Lager um ein vollkommen unverbautes Geländedenkmal. Nicht nur das Legionslager, sondern weite Teile des antiken Siedlungsareals werden heute landwirtschaftlich genutzt und bieten hervorragende Möglichkeiten für großflächige archäologische Prospektionsvorhaben, wie geophysikalische Messungen und insbesondere auch luftbildarchäologische Untersuchungen. Führt man Grabungs- und Prospektionsergebnisse zusammen, erhält man mittlerweile einen sehr detaillierten Gesamtplan vom Carnuntiner Legionslager und den canabae legionis. Der unregelmäßige Grundriss des Lagers hebt sich mit den umlaufenden Vertiefungen der Befestigungsgräben deutlich als Plateau von seiner Umgebung ab. Die exponierte Nordfront des Lagers ist bereits zur Donau hin abgerutscht.

Bei den zwischen 1877 und 1914 durchgeführten Grabungen konnte ein Großteil des ursprünglich knapp 18 Hektar großen Legionslagers freigelegt werden, sodass zumindest der Aufbau des Standlagers der seit trajanischer Zeit hier stationierten 14. Legion rekonstruiert werden kann. Zu großen Teilen ergraben wurden die Kasernen, die Zentralgebäude (principia/Stabsgebäude und praetorium/Unterkunft des Legionslegaten), das Valetudinarium (Lagerlazarett), drei der sechs Tribunenhäuser (Offiziersunterkünfte) sowie drei größere Wirtschaftsgebäude in der östlichen Lagerhälfte.

Legionslager Carnuntum: Übersichtsplan

Die letzten Ausgrabungen im Legionslager wurden zwischen 1968 und 1977 von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Kooperation mit dem Österreichischen Archäologischen Institut durchgeführt.

Canabae legionis (Lagerstadt)

Die Carnuntiner Lagerstadt umschloss das Legionslager an drei Seiten und hatte eine stadtähnliche Struktur. Die canabae wurden durch drei wichtige Hauptstraßenzüge erschlossen:

  • Die so genannte Limesstraße, die als via principalis das Legionslager querte und weiter der Donau entlang Richtung Westen zur Zivilstadt führte.
  • Die Straßenverbindung zum Nachbarkastell Gerulata (Rusovce, Slowakei), die das Legionslager durch das Südtor (porta decumana) verließ und Richtung Südosten führte.
  • Die so genannte Bernsteinstraße, die vom Westtor des Legionslagers (porta principalis sinistra) ausgehend nach Südwesten verlief und über Scarbantia, Savaria und Poetovio nach Italien führte. Insbesondere in der frühen Kaiserzeit dürfte diese Straße eine besondere Bedeutung besessen haben, denn außerhalb des Siedlungsbereichs wurden hier bevorzugt Grabanlagen angelegt („Gräberstraße“).
Überreste einer Therme im Archäologiepark Carnuntum.

Das wirtschaftliche Zentrum der canabae bildete das Forum, eine große von Säulenhallen eingefasste Platzanlage, die nahe der Südwestecke des Lagers angelegt wurde. Das in der zweiten Bauperiode etwa 225,60 mal 182 Meter große Forum der Lagerstadt war offenbar auf den Statthalterpalast (praetorium) ausgerichtet, der nördlich der Limesstraße unmittelbar am Donauufer lag, von dem sich aber aufgrund von Hangrutschungen nur mehr geringe Reste erhalten haben. Das 97,55 mal 76,40 Meter große Militäramphitheater (Amphitheater I) lag in rund 110 Meter Entfernung gegenüber der Nordostseite des Legionslagers, knapp nördlich der Limesstraße, in einer Bodensenke, wobei der Haupteingang mit dem vorgelagerten Nemesis-Heiligtum nach Westen Richtung Lager zeigte. Am Ostrand der Carnuntiner canabae befanden sich eine ausgedehnte Thermenanlage, ein Heiligtum für Liber und Libera sowie ein Tempelbezirk für die heliopolitanischen Gottheiten.

Auxiliarkastell (Reiterlager)

Grabstein eines Zenturios der XV. Legion, Titus Calidius Severus, der sein Pferd und seine Rüstung zeigt, gefunden in Carnuntum

Vermutlich unter Kaiser Domitian (81–96 n. Chr.) wurde am Westrand der Lagerstadt ein ursprünglich 225 mal 178 Meter großes Hilfstruppenlager für eine 500 Mann starke Reitereinheit, in einer ersten Bauperiode in Holz-Erde-Bauweise, danach in Stein, angelegt. Zunächst dürften hier die ala I Tungrorum Frontoniana und danach die ala I Pannoniorum Tampiana stationiert gewesen sein. Als Besatzung des Steinlagers ist die ala I Thracum victrix nachgewiesen. Die Aufgabe des Auxiliarkastells um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. wird mit den Militärreformen des Gallienus (259–268) in Zusammenhang gebracht.

Zivilstadt

Außerhalb des um das Legionslager sich erstreckenden militärischen Territoriums entstand im Laufe der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. eine Straßensiedlung, die anfangs noch keine Stadtrechte besaß (vicus). Die Siedlung dürfte eine günstige wirtschaftliche und demographische Entwicklung genommen haben, sodass sie unter Kaiser Hadrian (117–138) in den Rang eines Munizipiums (Municipium Aelium Carnuntum) und unter Septimius Severus (193–211) in den Rang einer Colonia erhoben wurde (Colonia Septimia). Die 142 mal 65 Meter große Forumsanlage im Zentrum der Zivilstadt lag südlich des West-Ost verlaufenden decumanus maximus, der mit der Limesstraße gleichzusetzen ist. Der Grundriss des Forums kann mit Hilfe von geophysikalischen Messungen (Geomagnetik, Bodenradar) sehr genau rekonstruiert werden. Nördlich davon erstreckte sich eine ergrabene, große Thermenanlage, die wegen ihrer monumentalen Bauweise und der repräsentativen Innenausstattung früher fälschlicherweise mit dem Begriff „Palastruine“ bezeichnet wurde. Das hadrianische Munizipium wurde von einer Stadtmauer umgeben, die eine Fläche von rund 1100 mal 550 Meter einschloss.

Amphitheater der Zivilstadt

Das zweite etwa 127,5 mal 111 Meter große Amphitheater Carnuntums lag knapp 300 Meter südlich der Zivilstadt. Es fasst etwa 13.000 Zuschauer. Südlich des Amphitheaters II wird eine frühchristliche Kirche vermutet, die man auf Luftbildern zu erkennen glaubt.

Die aktuellen Grabungen, die einen Querschnitt durch die gesamte Geschichte der Siedlung bieten, konzentrieren sich auf ein Wohnviertel und eine weitere Thermenanlage im Südostbereich der Zivilstadt. Diese im so genannten Spaziergarten des Petroneller Schlosses gelegenen römischen Gebäude bilden heute den Kern des Freilichtmuseums Carnuntum.

auf den alten Fundamenten rekonstruiertes Wohn- und Wirtschaftshaus eines Tuchhändlers, Blickrichtung Süden (rechts davon Nachbau eines Ziegelbrennofens)
rekonstruierte Stadtvilla im Freilichtmuseum , Blickrichtung Norden (Ausbauphase um 295 n.Chr.)

Heidentor

Heidentor in Carnuntum
Rekonstruktion der ursprünglichen Bauform am Schaugelände
Museum Carnuntinum in Bad Deutsch Altenburg
Das Wohn- und Wirtschaftshaus des Tuchhändlers Lucius während der Rekonstruktionsphase (2006)
Großer Saal mit Apsis und originalen Wandmalereien in der Villa Urbana (2008)

Hauptartikel: Heidentor (Carnuntum)

Knapp 900 Meter südlich der Carnuntiner Zivilstadt sind die Überreste des sog. Heidentors zu sehen, ein Vierbogenmonument und heute das Wahrzeichen der archäologischen Region Carnuntum. Der Zweck des Quadrifrons) ist heute geklärt. Die Funktion eines Denkmals an die historische Kaiserkonferenz von 308 wird nach den neuesten Forschungen ausgeschlossen, es wurde zweifelsfrei nachgewiesen, dass es erst ca. 50 Jahre später, in der Regierungszeit von Constantius II., als Triumphmonument zur Verherrlichung seiner Siege gegen die Barbaren errichtet wurde.

Pfaffenberg

Der durch moderne Steinbrucharbeiten teilweise abgetragene Pfaffenberg liegt im Osten Carnuntums. Auf ihm befand sich ein Heiligtum, das eine Reihe von Kultbauten und sogar ein kleines Amphitheater umfasste und dem Jupiter- und dem Kaiserkult vorbehalten war. Die ältesten Weiheinschriften reichen bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zurück, die jüngste erhaltene Weihung datiert in das Jahr 313 n. Chr. Die Kulthandlungen dürften aber noch im weiteren Verlauf des 4. Jahrhunderts n. Chr. fortgeführt worden sein.

Neuere Entwicklungen

Bis in das späte 18. Jahrhundert wurden die alten Ruinen noch bewusst abgetragen, da sie die landwirtschaftliche Nutzung behinderten. Der Marmor wurde zu Kalk gebrannt. Erst um 1850 setzten Ausgrabungen ein, die sich jedoch hauptsächlich auf das Aufsammeln wertvoller Funde beschränkten, während man die freigelegten Siedlungsstrukturen wieder zuschüttete. Ab 1877 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges begannen großflächige archäologische Untersuchungen, die sich zunächst auf das Legionslager und in geringerem Umfang auf die canabae konzentrierten. Ab den 1950er-Jahren wurde die archäologische Erforschung der Zivilstadt forciert.

Archäologiepark Carnuntum

Der Archäologiepark Carnuntum umfasst ein ca. 10 km² großes Areal in der Umgebung der Ortschaften Petronell und Deutsch-Altenburg in Niederösterreich, auf dem allerdings erst 0,5 Prozent der Bausubstanz der einstigen Römersiedlung Carnuntum ausgegraben sind. Über dem Rest breitet sich Ackerland aus. Die Umrisse der antiken Fundamente zeichnen sich bei Luftaufnahmen als Verfärbungen ab. Weitere Grabungen gestalten sich aber nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus juristischen Gründen bei der Ablöse des in Privatbesitz befindlichen Ackerlands als schwierig. Man setzte daher seit etwa 1970 auf Qualität und Anschaulichkeit anstatt auf Quantität. Im Sinne einer experimentellen Archäologie wird die die antike Lebenswelt für das zeitgenössische Publikum einerseits durch Veranstaltungen wie Reiter- oder Gladiatorenspiele und andererseits durch den weltweit einzigartigen Wiederaufbau von Gebäuden und die durchgehend wissenschaftlich belegte Gestaltung von Innenräumen und Vorgärten in einem Freilichtmuseum erlebbar gemacht.

Als Vorlage für die baulichen Rekonstruktionen wurde das vierte Jahrhundert, die sogenannte Bauperiode fünf, gewählt. Das Freilichtmuseum befindet sich in einem freigelegten Teil der früheren Zivilstadt im sog. Spaziergarten des Schlosses Petronell. 10 bzw. 20 Gehminuten entfernt liegt das Amphitheater der Zivilstand und das Wahrzeichen der Region, das Heidentor, ein Triumphmonument aus dem 4. Jahrhundert.

Östlich davon, in Deutsch-Altenburg, wo sich früher das Militärlager befand, ist ein zweites, besser erhaltenes Amphitheater und ein Museum mit den schönsten Fundstücken zu besichtigen. Im Zuge der Ausgrabungen wurden auch Reste vor- und frühchristlicher Kultstätten freigelegt.

Im Zeitraum von 2006 bis 2011 wurde der Park mit Investitionen von insgesamt 26 Mio. Euro für die Niederösterreichische Landesausstellung neu gestaltet. Ein Stadtteil aus dem 3. Jahrhundert bestehend aus mehreren Straßen, zwei Häusern und einer Badeanstalt wurden auf den freigelegten Fundamenten mit Hilfe fachübergreifender wissenschaftlicher Erkenntnisse und historischer Quellen originalgetreu rekonstruiert und bis zur Inneneinrichtung detailgetreu neu aufgebaut, sodass der Besucher einen unmittelbaren Eindruck vom damaligen Alltagsleben bekommt. Bis zu 120 Personen wurden für Grabungen, Bauarbeiten, den Betrieb des Freilichtmuseums und die Betreuung der zuletzt 250.000 Besucher pro Jahr eingesetzt. Fertiggestellt wurden drei Gebäudekomplexe:

  • das Haus des Tuchhändlers Lucius,
  • das Patrizierhaus Villa Urbana (eröffnet im Juni 2008)
  • die benachbarte öffentliche Badeanstalt (Thermen).

Der Bau der rekonstruierten Gebäude erfolgte nicht mit moderner Bautechnik, sondern mit original nachgebauten römischen Kellen, Meißeln, Hämmern. Für den Mörtel verwendete man wie zur Römerzeit Flusssand und Kalk, für die Dachkonstruktionen wurden möglichst alte, wie zur Römerzeit mit der Axt behauene Balken aus Abbruchhäusern und Scheunen der Umgebung verwendet. Diese experimentelle Archäologie ist zwar kostenintensiv, gibt aber zugleich wertvolle Aufschlüsse über Bauzeiten und Baukosten zur damaligen Zeit. Auch die für die Römerzeit typische Fußbodenheizung (Hypocaustum) wurde nachgebaut und wird in der Therme von April bis November wie zu Zeiten der Römer mit Holzscheiten befeuert.

Das Museum Carnuntinum mit den Funden aus Carnuntum (z.B. Bernsteinbestände) befindet sich in Bad Deutsch-Altenburg. Es wurde als „Schatzhaus“ von Friedrich Ohmann im Stil einer römischen Villa erbaut und im Jahre 1904 von Kaiser Franz Josef I. eröffnet.

Im Jahre 2006 fanden anlässlich des 2000-jährigen Bestehens der römischen Siedlung zahlreiche Veranstaltungen (Schaukämpfe, Schaukochen usw.) statt.

Im Jahr 2011 wurde durch Luftaufnahmen und Messungen mit dem Bodenradar durch das Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologie die typischen Umrisse einer römischen Gladiatorenschule entdeckt, die in ihren Ausmaßen mit jener neben dem Kolosseum in Rom vergleichbar ist. Ihre Ausgrabung gestaltet sich jedoch schwierig, da ein Großteil des Geländes in privater Hand ist.[1]

Literatur

Statue des Iuppiter Dolichenus im Museum Carnuntum
Legionärshelm

Einführende Werke:

  • Franz Humer (Hrsg.): Marc Aurel und Carnuntum. Amt der NÖ Landesregierung – Abteilung Kultur und Wissenschaft, Horn 2004, ISBN 3-85460-217-0 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 450), (Ausstellungskatalog, Archäologisches Museum Carnuntinum, Bad Deutsch-Altenburg, 20. März – 15. Dezember 2004).
  • Franz Humer (Hrsg.): Legionsadler und Druidenstab. Vom Legionslager zur Donaumetropole. 2 Bände. Amt der NÖ Landesregierung – Abteilung Kultur und Wissenschaft, St. Pölten 2006, ISBN 3-85460-229-4 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 462), (Ausstellungskatalog, Archäologisches Museum Carnuntinum, Bad Deutsch-Altenburg, 21. März 2006 – 11. November 2007).
  • Werner Jobst: Provinzhauptstadt Carnuntum. Österreichs größte archäologische Landschaft. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1983, ISBN 3-215-04441-2.
  • Werner Jobst: Der römische Tempelbezirk auf dem Pfaffenberg. Ausgrabungen - Funde - Forschungen. = The roman temple district of Pfaffenberg, Carnuntum. JobstMedia, Klagenfurt 2006, ISBN 3-9502039-0-7.
  • Manfred Kandler: 100 Jahre Österreichisches Archäologisches Institut 1898–1998. Forschungen in Carnuntum. Bilddokumentation 100 Jahre Österreichisches Archäologisches Institut 1898–1998. Österreichisches Archäologisches Institut, Wien 1998, ISBN 3-900305-25-0 (Begleitband zur Bilddokumentation, Bad Deutsch-Altenburg, Museum Carnuntinum, 20. Mai – 26. Oktober 1998).
  • Manfred Kandler: Carnuntum. In: Herwig Friesinger, Friedrich Krinzinger (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich. Führer zu archäologischen Denkmälern. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 3-7001-2618-2, S. 258–272.

Weiterführende Werke:

  • Michael Alram, Franziska Schmidt-Dick (Hrsg.): Numismata Carnuntina. Forschungen und Material. 3 Bände. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 978-3-7001-3821-1 (Die Fundmünzen der römischen Zeit in Österreich. Abteilung 3: Niederösterreich. Band: Die antiken Fundmünzen im Museum Carnuntinum.), (Archäologischer Park Carnuntum 4), (Veröffentlichungen der Numismatischen Kommission 44), (Österreichische Akademie der Wissenschaften – Philosophisch-Historische Klasse Denkschriften 353).
  • Kurt Genser: Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1986, ISBN 3-7001-0783-8 (Der Römische Limes in Österreich 33), S. 574–684.
  • Christian Gugl, Raimund Kastler (Hrsg.): Legionslager Carnuntum – Ausgrabungen 1968–1977. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2007, ISBN 978-3-7001-3726-9 (Der Römische Limes in Österreich 45).
  • Werner Jobst: Das Heidentor von Carnuntum. Ein spätantikes Triumphalmonument am Donaulimes. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2001, ISBN 3-7001-2973-4.
  • Manfred Kandler (Hrsg.): Das Auxiliarkastell Carnuntum. Band 1: Herma Stiglitz (Hrsg.): Forschungen 1977–1988. Phoibos-Verlag, Wien 1997, ISBN 3-900305-21-8 (Österreichisches Archäologisches Institut Sonderschriften 29).
  • Manfred Kandler (Hrsg.): Das Auxiliarkastell Carnuntum. Band 2: Manfred Kandler (Hrsg.): Forschungen seit 1989. Phoibos-Verlag, Wien 1997, ISBN 3-900305-22-6 (Österreichisches Archäologisches Institut Sonderschriften 30).
  • Manfred Kandler u. a.: Carnuntum. In: Marjeta Šašel Kos, Peter Scherrer (Hrsg.): The Autonomous Towns of Noricum and Pannonia. = Die autonomen Städte in Noricum und Pannonien. Band 2: Pannonia. Teil 2. Narodni Muzej Slovenija, Ljubljana 2004, ISBN 961-6169-30-0, S. 11–66 (Situla 42).

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gladiatorenschule in Carnuntum entdeckt auf ORF vom 30. August 2011, abgerufen am 30. August 2011

Weblinks

 Commons: Carnuntum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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