Großer Garten (Hannover)

Großer Garten (Hannover)
Ansicht des Großen Gartens, im Vordergrund das Schloss Herrenhausen. Kolorierter Kupferstich, um 1710

Der Große Garten im hannoverschen Stadtteil Herrenhausen zählt zu den bedeutendsten Barockgärten in Europa. Die große, annähernd rechteckige, von einer Graft umschlossene Gartenfläche stellt das historische Kernstück der Herrenhäuser Gärten dar, zu denen im Übrigen der Berggarten, der Georgengarten und der Welfengarten gehören.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Anlage des Gartens

Glockenfontäne, im Vordergrund Broderiemuster
Tempelallee
Eckpavillon an der Graft von Louis Remy de la Fosse

Herzog Georg von Calenberg ließ 1638 bei dem Dorf Höringehusen einen Küchengarten mit Gebäuden anlegen. Als Georgs Sohn Johann Friedrich 1655 an die Macht kam, benannte er das Dorf um in Herrenhausen und ließ sich hier ein Schloss erbauen. Seinen Gärtner Michael Grosse beauftragte er mit dem Bau eines Lustgartens, der in etwa die Größe des heutigen Großen Parterres hatte. Der Garten wurde im Lauf der Zeit erheblich vergrößert und umgestaltet. Erste kleinere Erweiterungen fanden durch den zuvor in Celle und Osnabrück tätigen Gärtner Henry Perronet († 1690) statt. Der Große Garten war zu diesem Zeitpunkt etwa halb so lang und breit – also ein Viertel so groß – wie heute.

Erweiterungen durch Ernst August und Sophie von der Pfalz

Die größten Veränderungen fanden in der Zeit der Regentschaft Herzog Ernst Augusts (1679 - 1698) statt. Der Herzog erwartete seine Ernennung zum Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg, die im Jahre 1692 erfolgte, und benötigte hierfür repräsentative Anlagen. Unter der Leitung seiner Ehefrau Sophie von der Pfalz wurde der Große Garten neu gestaltet. Sophie hatte ihre Jugend in den Niederlanden verlebt und ließ den Garten im Stil der niederländischen Barockanlagen gestalten.

Zwischen 1676 und 1680 fanden erhebliche Ausbauarbeiten statt. In diesem Zeitraum wurde das Herrenhäuser Schloss erweitert und 1676 die Große Kaskade sowie ein Jahr später die Grotte erbaut. Federführend für die Arbeiten an Schloss und Gartenanlage waren in dieser Zeit der Hofarchitekt Girolamo Sartorio, Fontainenmeister Marinus Cadart (Catarre) sowie Hofbaumeister Brand Westermann. Die Hauptaufgabe des Fontänenmeisters bestand darin, die zahlreichen Wasserspiele mit Wasser zu versorgen. 1686 reiste Cadart mit Hofbaumeister Westermann und dem Zimmermeister Heimsohn nach Bremen, um die dort errichtete Wasserkunst zu besichtigen. Die drei schlugen vor, auch in der Leine bei Herrenhausen ein Schöpfrad wie in Bremen zu erbauen. Man konnte sich aber zunächst nicht darüber einigen, wo das Rad aufgestellt werden sollte. 1687 begann man, vom Benther Berg Wasser nach Herrenhausen zu leiten. 1689 wurde Cadart wegen Untauglichkeit entlassen. Sein Nachfolger, der Celler Hofbauarchitekt Johann Friedrich de Münter, Sohn des Fasanenmeisters Benedictus de Münter, erkrankte 1692 und starb im August 1693.[1] Nun holte man den Kunstmeister Pierre Denis aus Paris, der 1694 seinen Dienst antrat; aber auch seine Bemühungen, das erforderliche Wasser herbeizuschaffen, blieben erfolglos.

Wichtige Weiterentwicklungen erfolgten durch Martin Charbonnier (* um 1655; † 1720). Bei weiteren Baumaßnahmen entstanden in den Jahren 1707 und 1708 ein Pagenhaus im nordwestlichen Teil der Anlage sowie je ein Tempel von Louis Remy de la Fosse in der südöstlichen und in der südwestlichen Ecke des Großen Gartens. Alle drei Gebäude existieren noch.

Um 1710 war der Große Garten weitgehend vollendet. Mit 200 ha entsprach er in etwa der Fläche der Altstadt von Hannover, in der 10.000 Menschen lebten. Der Große Garten hatte bis zu Sophies Tod 1714 seine Ausdehnung vervierfacht. Heute umfasst er eine Fläche von etwa 50 ha.

18. und 19. Jahrhundert

Der Große Garten, Calenberger Neustadt, Altstadt Hannover und Dorf Linden um 1800

Von 1720 bis 1723 entstand durch den Hofarchitekten Böhm im Nordosten des Gartens die Orangerie. Bereits 1739 musste deren in Fachwerkbauweise ausgeführte Nordwand erneuert werden. Zwischen 1747 und 1749 entstand im nordwestlichen Teil ein kleineres, zweigeschossiges Gebäude als Wohnung für den Gartendirektor von Hardenberg nach einem Entwurf des Hofarchitekten Heumann.

Von 1819 bis 1821 erneuerte der Hofbaumeister Georg Ludwig Friedrich Laves das Schloss Herrenhausen und zwei Jahre später die Orangerie. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts geriet der Große Garten in Vergessenheit, da sich die folgenden in Personalunion regierenden Herrscher von Hannover und Großbritannien in London aufhielten und sich nicht um den Garten kümmerten. Dies entpuppte sich als Glücksfall für den Garten: Während im 18. Jahrhundert viele Fürsten anfingen, ihre Barockgärten der damaligen Mode folgend in Landschaftsgärten umzugestalten, blieb der Große Garten unverändert. Für Kontinuität in der Pflege sorgten ab 1780 für drei aufeinanderfolgende Generationen die anerkannten Botaniker und Hofgärtner aus der Familie Wendland.

1862 wählte Georg V. von Hannover Herrenhausen zu seiner ständigen königlichen Residenz. 1865 erreichte die Große Fontäne nach technischen Verbesserungen eine Höhe von etwa 56 m. Nach dem verlorenen Krieg von 1866 und der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen endete 1866 die gesellschaftliche Bedeutung des Großen Gartens und die Anlage verwahrloste erneut.

Übernahme durch die Stadt Hannover

Detail eines Broderiemusters

Nach dem Kauf des Gartens durch die Stadt Hannover im Jahr 1936 fand eine Umgestaltung statt. Dabei entstanden als Neuschöpfungen neben acht Sondergärten der Irrgarten, eine nachempfundene Anlage nach einem Plan von 1674 mit achteckigem Grundriss und einem Durchmesser von 38 Metern. Es ist nicht bekannt, ob sich im 17. Jahrhundert tatsächlich ein Irrgarten im Großen Garten befunden hat. Die Renovierung setzte einseitig auf den Schauwert des Gartens, der Gesichtspunkt des Nutzgartens wurde nicht berücksichtigt.

Die Große Fontäne

Große Fontäne

Die Große Fontäne in der südlichen Gartenhälfte wurde um 1700 gebaut.

Nachdem die vorherigen Bemühungen erfolglos geblieben waren, kam 1696 Gottfried Wilhelm Leibniz auf die Idee, die Leine aufzustauen und mit einem das Gefälle nutzenden Pumpwerk die Wasserversorgung der Gartenanlage zu sichern. Aus England kamen der Mechaniker Andrews sowie der Kunstmeister Joseph Cleeves mit seinem Sohn Johann, die, nachdem andere Mechaniker gescheitert waren, mit der Realisierung betraut wurden. Zur Einweihung 1719 kam der König von England, Georg I., nach Hannover. Statt der erhofften 20 war der Wasserstrahl der Fontäne jedoch nur enttäuschende 5 m hoch. Der aus Frankreich stammende Mechaniker Jean Théophile Desagulier (1683–1744), Sohn eines evangelischen Geistlichen, erkannte den Fehler: Das Verbindungsrohr vom Bassin war nicht gekrümmt, sondern rechtwinklig gebogen. Im September 1720 waren die Arbeiten endlich beendet. Joseph Cleeves und sein Sohn wurden bei der Stadt als Kunstmeister angestellt, um die Funktionalität auf Dauer zu gewährleisten.[2] Die Große Fontäne erreichte erstmals 1721 eine Höhe von rund 35 m und war damit bereits die größte ihrer Zeit an einem europäischen Hof.[3]

Dennoch konnte die Leistung schon in den Folgejahren bis auf etwa 70 m gesteigert werden; durch Einsatz einer Ringdüse wurde ein Hohlstrahl erzeugt. Das als Wasserkunst bezeichnete Pumpwerk liegt außerhalb der Gartenanlage und ist heute ein funktionsfähiges technisches Denkmal, durch welches heute der Wasserstand der den Großen Garten umgebenden Graft reguliert wird.[4]

Grotte

Niki de Saint Phalle-Grotte

Im Großen Garten befindet sich eine der letzten Arbeiten der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Sie gestaltete die dreiräumige Grotte im nordwestlichen Teil der Gartenanlage neu. Ursprünglich dienten die mit Kristallen, Mineralien, Glas und Muscheln verzierten Räume als kühlende Rückzugsmöglichkeit an heißen Sommertagen; die Verzierungen sollten die Besucher bei ihrem Aufenthalt verzaubern.

Nachdem im 18. Jahrhundert die Verzierungen entfernt worden waren, diente die Grotte als Lagerraum. Zwischen 2001 und 2003 – dem neuen Eröffnungsjahr – gestalteten Mitarbeiter von Niki de Saint Phalle die Innenräume mit Glas- und Spiegelmosaiken sowie einigen Plastiken neu. Vom achteckigen mittleren Raum zweigen links und rechts die beiden anderen Räume ab, an dessen Stirnseiten sich jeweils ein kleiner Brunnen mit einer Statue befindet.

Schloss Herrenhausen

Die nördliche Seite des Großen Gartens wurde vom Schloss Herrenhausen begrenzt, das am 18. Oktober 1943 bei einem Luftangriff auf Hannover zerstört wurde.

Es bestand in großen Teilen aus verkleideten Holzfachwerk. Die Gartenanlage war im Jahr 1966 annähernd wiederhergestellt. Die Grotte, die Große Kaskade und die Freitreppe des Schlosses waren unzerstört geblieben: Die Grotte sowie die Kaskade stehen noch auf ihrem ursprünglichen Platz, während die Freitreppe im folgendem Wiederaufbau der Gartenanlage an den südwestlichen Rand des Parterre versetzt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es verschiedene nicht umgesetzte Vorschläge zur Umgestaltung des Großen Gartens. Besonders der freie Platz, auf dem das Schloss stand, war Gegenstand verschiedener Verbesserungsvorschläge. Zwei Vorschläge (im April und Mai 1958 von Oberbaurat Karl Cravatzo vorgetragen) sahen ein Schlosshotel vor. Ein Jahr später entwarf Otto Fiederling ein Museum für bildende Künste mitsamt einer Kunsthalle. 1963 sollte nach einem Vorschlag von Cravatzo die Musikhochschule den Schlossplatz einnehmen. Wiederum ein Jahr später sollte eine Aussichtstribüne mit Restaurant namens Bella Vista entstehen. Im selben Jahr entstand nördlich der Kaskade ein provisorisches Restaurant, welches im Laufe der Zeit erweitert wurde. 1977 schlug der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht vor, das Herrenhäuser Schloss wieder aufzubauen. Im Jahr darauf hatten die Ingenieure Jürgen Haack und Peter Krüger die Idee, eine bepflanzte Aussichtsplattform zu schaffen.

Im November 2007 wurden Verhandlungen zwischen der Stadt Hannover und der VolkswagenStiftung über den Wiederaufbau des Schlosses Herrenhausen bekannt. Im Juli 2009 wurde zwischen der Stadt und einer stiftungseigenen Gesellschaft ein über 99 Jahre laufender Erbbaurechtsvertrag geschlossen. Auf dieser Basis wird die Fassade des klassizistischen Laves-Schlosses aus Mitteln der Volkswagenstiftung rekonstruiert. Im Inneren ein wissenschaftliches Tagungszentrum mit einem 250 Plätze umfassenden Hörsaal errichtet. Die gesamten Kosten werden auf über 20 Millionen Euro geschätzt.[5] Darüber hinaus will die Stadt in Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen im Schloss ein Leibniz-Museum zu eröffnen. Der Grundstein für das Schloss wurde am 6. Juni 2011 gelegt, die Eröffnung ist für Ende 2012 geplant.

Veranstaltungen

Internationaler Feuerwerkswettbewerb

Internationaler Feuerwerkswettbewerb

Jährlich findet im Großen Garten der Internationale Feuerwerkswettbewerb statt. An fünf Terminen zwischen Mai und September treten Pyrotechniker aus aller Welt gegeneinander an. Seit 2007 hat jede teilnehmende Nation zunächst ein Pflichtprogramm zu festgelegter musikalischer Begleitung zu absolvieren. Anschließend können sich die Nationen in einer individuellen Kür präsentieren. Den Feuerwerken voraus geht ein vielfältiges Rahmenprogramm, das eine Mischung aus Kleinkunst, Musik und Gartentheater bietet.

Kleines Fest im Großen Garten

Das Kleine Fest im Großen Garten hat sich als internationales Kleinkunstfestival in Deutschland etabliert. Das Festival findet jährlich im Sommer an verschiedenen Tagen statt und bietet auf vielen festen sowie mobilen Bühnen ein breitgefächertes künstlerisches Angebot. Mittlerweile ist das Kleine Fest Teil einer Reihe von Kleinkunstfestivals; es gibt ähnliche Veranstaltungen in Bad Pyrmont, Ludwigslust, Clemenswerth und Evenburg.

Gartentheater u.a.

In den Sommermonaten nutzt das Theater für Niedersachsen das Gartentheater des Großen Gartens für Musical- und Theateraufführungen.

Ferner wird die Orangerie für Fach- und Kunstausstellungen sowie für klassische Konzerte genutzt; im Foyer der Orangerie werden Matineen veranstaltet.

Literatur

  • Nik Barlo Jr., Hanae Komachi, Henning Queren: Herrenhäuser Gärten. Rostock: Hinstorff Verlag 2006. Bildband (144 Seiten). ISBN 3-356-01153-7
  • Die königlichen Gärten. Ruhm und Glanz einer Residenz. Hrsg. von Kurt Morawietz. Hannover: Steinbock-Verlag 1963
  • Eugen Horti: Der Herrenhäuser Garten und seine Statuen. Bedeutung, Symbolik. Bad Münder: Leibniz-Bücherwarte 1985. ISBN 3-925237-00-3
  • Friedrich Lindau: Hannover – der höfische Bereich Herrenhausen. Vom Umgang der Stadt mit den Baudenkmalen ihrer feudalen Epoche. Mit einem Vorwort von Wolfgang Schäche. München (u. a.): Deutscher Kunstverlag 2003. ISBN 3-422-06424-9
  • Niki de Saint Phalle. The Grotto. Published on the occasion of the opening of the Grotto designed by Niki de Saint Phalle in the Herrenhausen Gardens in Hanover. Hrsg.: Landeshauptstadt Hannover, Fachbereich Umwelt und Stadtgrün (u. a.). Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2003. ISBN 3-7757-1276-3
  • Hubert K. Rettich: Der Große Garten zu Hannover-Herrenhausen. Die Sommerresidenz der Welfen im Wandel ihrer Nutzungen. In: Die Gartenkunst [N.F.], Bd. 4, 1992, H. 2, S. 243–256
  • Waldemar R. Röhrbein: Die Rettung der Herrenhäuser Gärten. In: Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Heimat bewahren, Heimat gestalten. Beiträge zum 100-jährigen Bestehen des Heimatbundes Niedersachsen. Hannover 2001. S. 95-99
  • Waldemar R. Röhrbein: Herrenhausen: Alleen, Gartentheater und der Wiederaufbau des Schlosses – eine Diskussion ohne Ende?. In: Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Heimat bewahren, Heimat gestalten. Beiträge zum 100-jährigen Bestehen des Heimatbundes Niedersachsen. Hannover 2001. S. 118-126
  • Eckard Schrader: Der Große Garten zu Herrenhausen, Hannover. Mit einer Einführung von Franz Rudolf Zankl. Hrsg. vom Aktionsausschuss für Herrenhausen e.V. Hannover: Schlüter 1985. ISBN 3-87706-196-6
  • Hauptstadt Hannover (Hrsg.): Der Große Garten in Herrenhausen, Hannover (zur Wiedereröffnung der Herrenhäuser Gärten 1937)
  • Eva Benz-Rababah: Großer Garten in: Stadtlexikon Hannover, S. 230

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Teichert, Oscar, Geschichte der Ziergärten und der Ziergärtnerei in Deutschland während der Herrschaft des regelmässigen (sic!) Gartenstyls, Berlin, Verlag von Wygandt & Hempel, 1865, S. 208. Hannoversche Geschichtsblätter, Band 7, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1904, S. 341.
  2. Die Wasserkunst von Herrenhausen, von Irmgard Lange-Kothe 1959, Hannoversche Geschichtsblätter.
  3. Stadtlexikon Hannover, „Wasserkunst“, S. 656.
  4. Die imposanten Wasserräder und Pumpen der Wasserkunst sind ein herausragendes technisches Denkmal, Webseite der Stadt Hannover.
  5. 20-Millionen-Projekt: Schlossgebäude als Tagungsstätte. Information zum Projektauftakt am 23. November 2007. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Landeshauptstadt Hannover, November 2007, abgerufen am 7. Oktober 2010.
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