Irrgarten

Irrgarten
Irrgarten im Park Schönbusch
Irrgarten im Park von Schloss Schönbrunn, Wien
VanDusen Botanical Garden, Vancouver

Ein Irrgarten ist eine Gartenanlage mit einem verzweigten, kunstvoll-komplizierten Wegesystem, das idealerweise von übermannshohen Hecken gebildet wird. Die Besonderheit des Hecken-Irrgartens besteht in einem Gefühl des zeitweiligen Gefangenseins durch Hindernisse aus blickdichten und undurchdringlichen Hecken. Gelungene Anlagen sind Meisterwerke der Gartenkunst.

Im Unterschied zu einem Labyrinth im engeren Sinn, in dem nur ein Weg ohne Verzweigungen vom Eingang bis zur Mitte führt, erlaubt ein Irrgarten durch sein Netz von Wegen mit Abzweigungen, Kreuzungen, Sackgassen und Wegeschleifen ein wirkliches „Verirren“. Dessen ungeachtet wird ein Irrgarten manchmal auch als Heckenlabyrinth oder Gartenlabyrinth bezeichnet.

Die meisten Irrgartenanlagen haben einen Zielplatz, der eine Aussichtsmöglichkeit bieten kann oder von einem Baum, einer Statue oder einem Brunnen geschmückt wird. Dieses Ziel gilt es zu finden; der Rückweg zum Ausgang kann ebenso schwierig sein.

Bei einem Irrgarten handelt es sich immer um eine künstliche Anlage. Das Wort hat im Laufe der Zeit eine Begriffserweiterung erfahren: So werden vergleichbare Bauwerke aus Stein, Holz, Glas oder Spiegelwänden (Spiegellabyrinthe) ebenso als Irrgärten bezeichnet wie gedruckte Irrgartenspiele und Computerspiele mit labyrinthischer Thematik. Auch bei den für den Zeitraum eines Sommers angelegten Maislabyrinthen handelt es sich um Irrgärten.

Inhaltsverzeichnis

Typisierung

Entwurfsplan eines „Wirbellabyrinths“ von Dezallier d'Argenville (1709)

Der Irrgarten kann nach Dieter Hennebo zu den archetypischen Gestaltungselementen der Gartenkunst gezählt werden. Meist handelt es sich um ein Konzept des „Gartens im Garten“: Der Irrgarten ist Teil eines größeren Gartens. Als eigenständiges Element gibt es ihn in Vergnügungsparks ohne gartenkünstlerischen Anspruch.

Am einfachsten lassen sich die Hecken-Irrgärten nach ihrer Form in drei große Gruppen unterscheiden. Es sind dies: 1. Geometrische oder formale Irrgärten, 2. Irrgärten mit unregelmäßigem Wegenetz, 3. Symbolische Irrgärten mit Superzeichen-Charakter. Am verbreitetsten und bekanntesten sind die formalen Anlagen. Meist sind sie aus geschnittenen Hecken geformt, haben quadratische, rechteckige oder runde Gestalt und weisen ein Netz aus linearen oder (teil)kreisförmigen Wegen auf; Hecken und Wege haben immer konstante Breite. Die unregelmäßigen Formen sind durch in Schwüngen und beliebigen Kurven geführte Wege gekennzeichnet, auch kann die Wegbreite variieren und die Anlage durch kleine Plätze aufgelockert sein. Die symbolischen Irrgärten stellen in ihrer Ganzheit übergroße, stilisierte Bilder dar; sie treten erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, in einer Zeit, in der die Sicht aus der Höhe durch Flugzeuge alltäglich geworden ist.

Eine Sonderform des formalen Irrgartens ist das Wirbellabyrinth, eine Erfindung von Antoine-Joseph Dézallier d'Argenville. Es ist durch die umgekehrte Aufgabenstellung gekennzeichnet: Der Weg vom Eingang führt rasch zu einem zentralen Platz, von dem wirbelartig meist acht Arme in Schwüngen wegführen, den Besucher in die Irre leiten und das Verlassen der Anlage zum Geduldspiel werden lassen.

Unter den symbolischen Anlagen existiert eine Gruppe von Irrgärten, die einem literarischen oder historischen Thema gewidmet sind. Diese Schöpfungen sind aus diskreten Heckengrundrissen zusammengefügt, die erkennbare Einzelfiguren bilden, die inhaltlich aufeinander bezogen sind. Diese Anlagen haben meist eine regelmäßige Außenform, etwa ein Rechteck oder ein Achteck.

Geschichte

Der Hecken-Irrgarten ist eine europäische Schöpfung, dessen Entwicklung eigenständig und von den vielfältigen Formen ornamentaler Labyrinthdarstellung und christlicher Umdeutung des Labyrinthsymbols in den Fußbodenmosaiken von Kirchen unabhängig stattfand. Die Entwicklung des Hecken-Irrgartens lässt sich in vier Phasen gliedern:

Die späte Renaissance

Plan einer der beiden zerstörten Irrgärten von Johann Peschel in Grüningen (1576)

In den Gärten der Renaissance existierten, lediglich durch Abbildungen überliefert, florale Labyrinthe. Sie befanden sich meist in der Nähe der Terrasse einer Villa, so dass die Muster aus Blumen oder niedrigen Hecken vom Betrachter gut überblickt werden konnten. Der labyrinthische Weg wurde mit den Augen verfolgt, die Begehbarkeit der Pflanzung war wahrscheinlich nicht vorgesehen. Verzweigungen im Netz der meist schmalen Wege kamen nicht oder nur vereinzelt vor. Erst mit der späten Renaissance in Italien tritt ein grundlegender Wandel ein; aus der rein visuellen wird eine kinästhetische Funktion. Nicht mehr die reine Augenbewegung sondern die Begehbarkeit und damit die Bewegung des eigenen Körpers wird zum Erlebnis. Die Wege werden durch höhere Hecken begrenzt, die nicht mehr überstiegen werden können. Der italienische Manierismus, zeitlich zwischen Renaissance und Barock, dürfte den Hecken-Irrgarten heutiger Art hervorgebracht haben. Dazu zählt vor allem ein Wegesystem, das die zum Verirren notwendige Komplexität aufweist. In der Abkehr vom Labyrinth des Spätmittelalters ohne Wegeverzweigungen und der Zuwendung zum Irrgarten mit Abzweigungen und Sackgassen spiegelt sich auch ein geistiger Wandel, der die selbstverantwortliche Entscheidung des einzelnen Menschen, der sich nicht mehr bedingungslos durch göttliche Fügung geleitet sieht, wiedergibt.

Ein früher Plan eines „echten“ Irrgartens ist für den Palazzo del Te um 1530 in Mantua belegt. Der Entwurf, der nie verwirklicht wurde, stammt möglicherweise von Giulio Romano, der ihn für Federico II. Gonzaga anfertigte. Die frühen Irrgärten bestanden häufig noch nicht aus Hecken in Formschnitt, sondern aus Spalierhecken. Dabei wurden Holzspaliere mit kletternden Pflanzen versehen, so dass sich in recht kurzer Zeit blickdichte Wände bildeten. Der erste nachweislich ausgeführte Irrgarten befand sich im Giardino Giusti in Verona um 1570. In Thüringen war es der protestantische Pfarrer Johann Peschel, der für verschiedene Auftraggeber Irrgärten anlegte, den ersten vermutlich 1576 in Grüningen für Caspar von Kutzleben. Von diesen Anlagen ist, auch bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg, keine mehr erhalten. Die Idee des Irrgartens verbreitete sich in den Folgejahren schnell über weite Teile Europas.

Die Barockzeit

In den großen prachtvollen Gartenanlagen des Barock stand der Wunsch sowohl nach Repräsentation als auch Zerstreuung und Amusement der höfischen Gesellschaft im Vordergrund. Der Irrgarten mit überkopfhohen, massiven Heckenwänden war eines der beliebten Gestaltungselemente des Fürstengartens – und verschwiegener Treffpunkt. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gelangte der Irrgarten-Gedanke auch nach England, wo sich, wahrscheinlich von Henry Wise geschaffen, der heute noch existierende, immer wieder nachgepflanzte, berühmte Irrgarten von Hampton Court befindet. Auch im übrigen Europa entstanden in den Gärten von Fürsten und Adeligen zahlreiche Irrgärten; die meisten sind nicht mehr vorhanden. Als Beispiele im deutschen Raum können die Anlagen im Hofgarten der Münchner Residenz, in Nordkirchen und in Altjeßnitz angeführt werden; in Österreich der große, mehrteilige Irrgarten in Schönbrunn und in Italien die Gärten der Villa Barbarigo und der Villa Altieri.

Eine weitere Form des Irrgartens war der Boskett-Irrgarten. Es handelte sich dabei um ein Boskett, in dem die zwischen den durch Hecken begrenzten Wegen nicht begehbaren Bereiche Freiflächen oder mit Büschen oder Bäumen bepflanzte Partien bildeten. Diese Anlagen, häufig Wirbellabyrinthe, beanspruchten eine erhebliche größere Fläche (ein bis zwei Hektar) und zeichneten sich durch breitere Wege aus, die manchmal auch freie Plätze mit Lauben einschlossen. Sie waren typisch für große Gärten des Rokoko.

Die Zeit des Landschaftsgartens

Glendurgan bei Falmouth (Cornwall)

Mit den aufkommenden Landschaftsgärten im englischen Stil im 18. Jahrhundert wurden, zuerst in England, später in anderen Regionen Europas, die überwiegende Zahl der Barockgärten zerstört oder überformt. Mit diesem Wandel gingen fast alle alten Irrgärten verloren; es dürfte sich um vermutlich mindestens einhundert Anlagen gehandelt haben. Allerdings wollte man vielerorts auf labyrinthische Schlängelwege, die einem Garten einen geheimnisvollen Charakter geben, nicht verzichten. So entstanden in die Landschaftsgärten integrierte Bereiche mit irrgarten-ähnlichen Funktionen, mit frei wachsenden Hecken und Bäumen, auch mit künstlichen Felsen oder Wegen, die in unterirdische Grotten führten. Sie waren so angelegt, dass sie den Eindruck erwecken sollten, als habe die Natur selbst diese Irrgänge zufällig geschaffen (La Bagatelle, Wörlitz). Die Künstlichkeit derartiger Pflanzungen war meistens nicht zu überdecken, so dass sie vielerorts verwilderten oder entfernt wurden.

Im 19. Jahrhundert kam, in Reaktion auf den mittlerweile überall anzutreffenden Landschaftsgartenstil, der Wunsch nach Irrgärten in, wie Stephen Switzer es bezeichnete, ancient manner („nach alt-hergebrachter Art“) auf. So entstanden, zuerst in England, zahlreiche neue Irrgärten des formalen Stils mit geschnittenen Hecken und geometrischen Wegesystemen. Es war unter anderem der englische Landschaftsarchitekt William Andrews Nesfield, der eine Reihe kunstvoller Anlagen schuf (Somerleyton Hall, Royal Horticultural Society in Kensington). Diese Entwicklung fand ihre Fortsetzung auch auf dem Kontinent (Schönbusch bei Aschaffenburg).

Die Entwicklung in der Postmoderne

Frederiksoord, De Koloniehof (1992), Kopie des Irrgartens von Arley Hall

Mit den beiden Weltkriegen erlosch das Interesse an Irrgärten weitgehend. In den 1950er Jahren galten sie als Relikte früherer Zeiten. Der hohe Investitionsbedarf für Neupflanzungen, die Unterhaltskosten und die Mühe des sorgfältigen Heckenschnitts trugen zu dieser Einschätzung bei.

Die Wiederbelebung der Idee des Irrgartens als Gestaltungselement der Gartenkunst begann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und kann der Postmoderne zugeordnet werden. Nach der spektakulären Auftragsarbeit des britischen Künstlers Michael Ayrton (1921–1974), der 1969 eine in Rasen eingesenkte, mit skulpturalem Schmuck versehene Irrgarten-Anlage aus hohen Ziegelmauern für einen amerikanischen Multimillionär anlegte, entstanden auch in Europa wieder klassische Hecken-Irrgärten und ebenso ganz neue Formen in symbolischer Art, als erstes der Umriss eines überdimensionalen menschlichen Fußes in Lechlade (Großbritannien) von Randoll Coate. Vom Flugzeug aus als land art wahrzunehmen, wurden bis heute weitere Großformen angelegt, meist mit kommerziellen Interessen. Der britische Irrgarten-Designer Adrian Fisher hat eine große Zahl von Anlagen in aller Welt geschaffen und damit eine Entwicklung eingeleitet, die sich mancherorts in Kitsch und Beliebigkeit ausdrückt. Eine der letzten Entwicklungen ist in der Einführung des quick exit und der victory bridge zu sehen; sie gestatten dem Besucher nach Erreichen des Ziels das schnelle Verlassen des Irrgartens, kombiniert mit einem Überblick von einer Brücke. Diese neuen Ausgestaltungen entbehren jeglicher historischen Wurzeln.

Irrgärten mit gartenkünstlerischem Anspruch

Zerstörte Anlagen

  • Doolhof van der Burcht (Leiden): runde Anlage auf dem Burgplatz (1651 bis nach 1782)
  • Villa Altieri (Rom): runde Anlage, elf Umgänge (1670 bis 1860)
  • Schönbrunn (Wien): große rechteckige, vierteilige Anlage, partienweise verkleinert (um 1740 bis 1892)
  • Zámecka zahrada (Krumau an der Moldau): rechteckige Anlage (1752 bis 1843), Aussichtspavillon erhalten
  • Belton House (Grantham): runde Anlage (um 1850 bis 1939)
  • Royal Horticultural Society’s Gardens (South Kensington): rechteckig-halbrunde Anlage (um 1862 bis 1888)
  • Arley Hall (Cheshire): sechseckige Anlage, Vorläufer eines modern-formalen Stils (1870 bis um 1940)

Existierende Anlagen

Irrgarten im Park der Villa Pisani, Blick vom Aussichtstürmchen nach Südosten
Barcelona, Villa de Horta, Blick vom nordöstlichen Rundtempel auf den von acht Heckenbögen umstandenen Zielplatz
Plan des Irrgartens der Villa de Horta

Deutschland

  • Altjeßnitz (Sachsen-Anhalt): größter der historischen deutschen Hecken-Irrgärten, ohne Sackgassen (nach 1737, vor 1750)
  • Schloss Mosigkau (Sachsen-Anhalt): Irrgarten mit unregelmäßigem Wegenetz (1756/1757, 1860 verändert, restauriert 1990)
  • Park Schönbusch (Bayern): runder Irrgarten mit Baum im Ziel (1829, 1948 vergrößerte Neupflanzung)
  • Weimar-Belvedere (Thüringen): rechteckige, sehr kleine Anlage im „Russischen Garten“ (1843)
  • Großer Garten in Hannover-Herrenhausen: achteckige Anlage, keine echten Irrwege (1936/1937, restauriert 1985)

Österreich

  • Schloss Schönbrunn (Wien): Nachbildung eines Teilbereichs des zerstörten Irrgartens (1998/1999)
  • Blumengärten Hirschstetten (Wien): symbolischer Irrgarten in Form eines stilisierten Schmetterlings (2001/2002)
  • Schloss Rosegg (Kärnten): rechteckige Anlage mit Aussichtsturm anstelle eines durch Hochwasser zerstörten Gartens (2001)

Großbritannien

  • Hampton Court Palace (London): einer der bekanntesten Irrgärten, Wegemuster vielerorts kopiert (1691)
  • Woburn Abbey (Bedfordshire): runde Anlage (um 1830)
  • Glendurgan bei Falmouth (Cornwall): kleine Anlage mit unregelmäßigem Wegenetz (1833)
  • Hatfield House (Hertfordshire): rechteckige Anlage, zwei Eingänge, alle Verzweigungen führen in Sackgassen (1841)
  • Somerleyton Hall (Suffolk): halbrunde Anlage, im Ziel ein Hügel (1846)
  • Chatsworth House (Derbyshire): rechteckige Anlage mit einbeschriebenem Kreis (1962)
  • Lechlade Mill (Gloucestershire): Anlage in Form eines stilisierten linken Fußes, erster symbolischer Irrgarten (1975)

Italien

  • Valsanzíbio (Véneto): große quadratische Anlage im Garten der Villa Barbarigo (um 1688)
  • Strà (Véneto): trapezförmige Anlage mit einbeschriebenem Kreis im Garten der Villa Pisani (1720/1721, heutige Form seit 1809)

Niederlande

  • Kasteel Weldam (Markeloo, Overijssel): rechteckige Anlage, Wegesystem ähnlich Hampton Court (1885/1890)
  • Het Oude Loo (bei Apeldoorn, Gelderland): rechteckige Anlage mit kleinteiligem Wegenetz (um 1914)
  • Menkemaborg (Uithuizen, Groningen): rechteckige Anlage (1925)
  • Amstelpark (Amsterdam, Noord-Holland): kleine, trapezförmige Anlage auf einer Insel (1972)

Spanien

Neueste Entwicklung

Irrgarten in Hemer (2010) aus Hainbuche

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Irrgärten mit Schmuckfunktion nur noch vereinzelt angelegt (Chatsworth House, 1962). Ende des 20. Jahrhunderts trat mit Wiederherstellungsarbeiten beschädigter oder zerstörter Anlagen eine Änderung ein. So erfolgte zum Beispiel die Rekonstruktion des großen Lorbeerlabyrinths im Garten von Alameda de Osuna (Madrid) durch Carmen Añon. In Deutschland wurde der Irrgarten Altjeßnitz und der umliegende Gutsgarten sorgfältig restauriert (2004–2008), der Irrgarten im Park Schönbusch bei Aschaffenburg erneuert (2006). Neuschöpfungen von Landschaftsarchitekten finden sich in Berlin-Marzahn mit der Neuinterpretation des Hampton-Court-Musters durch Thomas Michael Bauermeister (2007) und in Hemer mit der Schaffung einer Anlage durch Christof Geskes und Kristina Hack, die sich vom alten Hainbuchen-Irrgarten im dänischen Egeskov inspirieren ließen (2010).

Der Irrgarten als volkstümliches Vergnügen

Achteckiger Irrgarten in einem Ausflugsgebiet bei Symonds Yat (Herefordshire) mit Hecken aus Scheinzypresse (1981)
Longleat House, Blick von der Aussichtsplattform. Auf dem Gelände befinden sich weitere Irrgärten und ein Safaripark.

Unabhängig von großen und kunstvollen Gartenanlagen der Fürsten und den privaten Bürgergärten wohlhabender gesellschaftlicher Eliten existierten schon früh einfache Irrgärten für ein allgemeines Publikum. Die ersten ausschließlich dem Spaß des Verirrens gewidmeten Irrgärten gab es als werbende Attraktionen bei holländischen Herbergen. Eine dieser Anlagen war der Oude Doolhof („Alter Irrgarten“) zwischen der Prinsengracht und Looiersgracht in Amsterdam. Er wurde um 1620 angelegt und bestand bis 1862. Die meisten Irrgärten dieser Art erfuhren häufige Veränderungen oder verschwanden bereits nach wenigen Jahren.

Mit der Entwicklung des modernen Tourismus im 19. Jahrhundert wurde die Idee wieder aufgegriffen. In den wohlhabenden Industrieländern entstanden durchorganisierte Vergnügungsparks, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Freizeitparks, die häufig als eine Attraktion einen Irrgarten, gelegentlich auch ein Spiegellabyrinth, aufweisen. Diese Anlagen erfreuen sich in der Gegenwart steigender Beliebtheit.

Beispiele

  • Tivoli (Kopenhagen): kleines Wirbellabyrinth mit einem Pavillon (1877, zerstört 1908)
  • Probsteierhagen (Schleswig-Holstein): Nachahmung des Irrgartens von Altjeßnitz bei einer Gaststätte (1927)
  • Aberdeen (Schottland): annähernd rechteckige Anlage im Hazlehead Park (1935)
  • Hellendoorn (Overijssel): Anlage mit linearem Wegesystem in einem Abenteuerpark (1949)
  • Longleat House (Wiltshire): Großanlage mit unregelmäßigem Wegenetz und Brücken (1975/1978, erweitert 1989 und 2000)
  • Vaalserberg (Limburg): große Anlage mit Wappenmotiven, beweglichen Türen und interaktiven Wasserspielen (1991–1992)
  • Merritown House (Christchurch, Dorset): große, achteckige Anlage zum Thema Alice-in-Wonderland (1992)
  • Kleinwelka (Sachsen): ursprünglich quadratische Anlage, mit Brücke (1992, mehrfach erweitert)
  • Evionnaz (Kanton Wallis): große Anlage mit zahlreichen Spielgeräten (1998)

Die meisten Irrgärten in Vergnügungsparks haben lediglich eine beschränkte Lebensdauer; stellt sich der wirtschaftliche Erfolg nicht binnen einiger Jahre ein, werden sie gerodet, spätestens wenn eine vollständige Erneuerung der Pflanzung erforderlich wird. Der gegenwärtige Trend ist von der Konkurrenz um immer größere Anlagen gekennzeichnet.

Vermeintliche Irrgärten

Die als Trojaburgen bezeichneten Steinsetzungen und Rasenlabyrinthe sind auch dann keine Irrgärten, wenn ihr Wegesystem gelegentlich Verzweigungen aufweist. Ebenso handelt es sich bei dem häufig als „labyrinthischen Wald“ bezeichneten Garten Sacro Bosco nicht um einen Irrgarten. Als Zwischenform kann der Irrhain bei Nürnberg zu seiner Entstehungszeit angesehen werden, heute existieren dort keine Irrwege. Ebenso handelte es sich beim ehemaligen Labyrinthe de Versailles nicht um einen Irrgarten, sondern vielmehr um ein Boskett mit einer Fläche von etwa einem Hektar, dessen Wege an 39 Springbrunnen, die mit Skulpturen und Sinnsprüchen zu den Fabeln des Äsop geschmückt waren, vorbeiführten: Die Aufgabe bestand darin, jeden Brunnen genau einmal zu erreichen.

Planung und Bau

Wegesystem

Wegesystem des Irrgartens von Hampton Court
Schema zweier Wegetypen: nur Sackgassen (links) oder Wegenetz

Das System der Wege in einem Irrgarten kann aus einem Zielweg mit vielen abzweigenden Sackgassen, die ihrerseits weiter verzweigt sein können, oder aus einem Netz, das eine Vielzahl von Zielwegen ermöglicht, bestehen. Die meisten Anlagen weisen eine Kombination der beiden Prinzipien auf. Es können einfache Abzweigungen oder Kreuzungen eingeplant werden, je höher die Zahl, um so schwieriger scheint die Lösung. In Wirklichkeit spielen aber geschickte Täuschungen eine mindestens ebenso wichtige Rolle.

Verwendete Pflanzen

Die für die Heckenwände geeigneten Pflanzen bilden eine sehr begrenzte Liste. Sie müssen sowohl dichte Grünmassen bilden, robust und langlebig sein und regelmäßigen Schnitt (Topiari) vertragen können. Immergrüne Pflanzen haben den Vorteil, einen Irrgarten auch im Winter für Besucher attraktiv zu halten. Ideale Pflanze ist die Eibe, ebenso der Buchsbaum. Sehr häufig wird die Hainbuche verwendet, auch Feldahorn und Liguster sind möglich. In südlichen Ländern ohne Frostgefahr kommen auch Myrte und Lorbeerbaum zum Einsatz. Für einen mittelgroßen Hecken-Irrgarten werden zwischen 1500 und 3000 Pflanzen benötigt, eine große Anlage wie Longleat besteht aus über 15000 Eiben.

Schmuck und Ausgestaltung

Aussichtsplattformen oder Türmchen im Ziel gibt es erst seit dem Barock. Viele historische Irrgärten weisen skulpturalen Schmuck auf, so ist etwa das Türmchen im Irrgarten der Villa Pisani mit einer Statue der Minerva versehen, ein Symbol der Weisheit. Im Zentrum des Labyrinths von Horta in Barcelona steht eine Statue des Eros, die mit den Standbildern in den Rundtempeln der Aussichtsterasse durch Sichtachsen verbunden ist. Auch eine Grotte wurde gelegentlich als zusätzliche Überraschung eingesetzt.

Labyrinthspiele

Von der Irrgarten-Idee abgeleitet sind Labyrinthspiele. Es handelt sich dabei meist um kleine Geschicklichkeitsspiele, bei denen eine oder mehrere Kugeln in Ziele jongliert werden müssen. Ferner gibt es eine große Zahl von labyrinthischen Computerspielen, bei denen der Spieler aufgefordert ist, auf seinem virtuellen Weg Aufgaben zu lösen (etwa Monster besiegen oder Gegenstände suchen und sammeln); die Herausforderung, den Zielweg des Irrgartens zu finden, tritt zugunsten der „Action“elemente meist in den Hintergrund. Allerdings gibt es auch Computerspiele, bei denen das Finden des Zielwegs die Hauptaufgabe darstellt und keine weiteren Rätsel- oder Geschicklichkeitsaufgaben bewältigt werden müssen.

Analyse und Lösung von Irrwegesystemen

Wegeschema des Irrgartens der Villa Horta
Wegenetz des Irrgartens der Villa Horta als „straight-line-diagram“

Als erster analysierte William Henry Matthews (1882–1948) die Wegenetze der Irrgärten von Hampton Court und Hatfield House mittels einer schematischen Darstellung, die er straight line diagram („Gerade-Linie-Diagramm“) nannte. Dabei wird der Zielweg ungeachtet der metrischen Entfernungen als kürzeste Linie dargestellt, nachdem alle „Knoten“ (Abzweigungen und Kreuzungen) bezeichnet worden sind; alle anderen Wege werden lagerichtig rechts und links dieser Hauptlinie eingetragen. Mithilfe einer derartigen Zeichnung kann auch die Anzahl der Zielwege bestimmt werden.

Die Frage nach einer allgemeinen Regel, die angewendet werden kann, um nach dem Vergnügen der erfolgreichen Zielsuche dem Irrgarten wieder zu entkommen, bewegt alle Besucher einer solchen Anlage. Die Fragestellung wurde von Leonhard Euler 1736 mit der Formulierung des Königsberger Brückenproblems aufgegriffen. Eulers Gedanken lassen sich auf beliebige Irrgärten übertragen, wenn deren Wegesysteme als ebene, zweidimensionale und endliche Graphen aufgefasst werden. Da das Brückenproblem nur dann eine Lösung hat, wenn eine Brücke abgebrochen und somit das Wegesystem verändert würde, scheint eine allgemeine Lösung nur in bestimmten Fällen möglich. Durch Eulers Kunstgriff, alle Wege zu verdoppeln, das bedeutet, zweimal abzugehen, können jedoch alle Wegenetze, auch solche mit Sackgassen, gelöst werden, da die strenge Bedingung des Eulerkreises für eine Lösungsregel eines labyrinthischen Systems nicht erfüllt werden muss.

Daraus resultiert die Rechte-Hand-Regel (engl. auch wall follower method). Die Bezeichnung hat ihre kulturhistorische Erklärung in der Bevorzugung der rechten Hand. Darüber hinaus scheinen in Irrgärten Zielwege mit Abzweigungen rechterhand zu überwiegen; bei den meisten Entwürfen von Johann Peschel führt das fortwährende Verzweigen nach rechts ohne Umwege zum Ziel. Selbstverständlich kann auch unter konsequenter Benutzung der linken Hand vorgegangen werden. Die beiden Zielwege können sich in ihrer Länge erheblich unterscheiden.

Beim Betreten des Irrgartens berührt der Besucher mit dem ausgestreckten rechten Arm die Heckenwand und folgt, ohne zu überlegen, allen Abzweigungen. Wird das Ende einer Sackgasse erreicht, wendet sich der Wanderer und geht, weiterhin mit nach rechts ausgestreckter Hand, denselben Weg bis zu seiner Einmündung zurück und zweigt dort wiederum nach rechts ab.

Die Regel ist zwar einfach zu merken und kann auch vom Zielplatz aus zur Suche des Ausgangs angewendet werden, sie funktioniert jedoch nur in Anlagen, deren Ziel mit der Außenhecke verbunden ist. Liegt das Ziel in einer Insellage (Wegeschlaufe), versagt die Methode immer. Vom Eingang aus erreicht der Wanderer das Ziel niemals, er kehrt vielmehr zum Ausgangspunkt zurück; vom Zielplatz aus geht er ebenfalls „im Kreis“ und bleibt ewig gefangen. In diesem Fall kann das Trémauxsche Verfahren oder ein anderer Lösungsalgorithmus angewendet werden.

Im Gegensatz zu Höhlensystemen stellen jedoch auch die größten Irrgärten (San Ildefonso: 2504 m, Longleat: 2950 m Wegelänge) keine wirkliche Gefahr dar. Die Geduld des Besuchers auf die Probe zu stellen ist Teil des Vergnügens am Irrgang.

Literatur

  • William Henry Matthews: Mazes and labyrinths. A General Account of Their History and Developments. London 1922. (online)
  • Josef Hempelmann: Labyrinthe und Irrgänge im Wandel der Jahrhunderte. In: Die Gartenkunst. Band 39, Heft 4, 1926, S. 54–58.
  • Adrian Fisher, Georg Gerster: The Art of the Maze. Weidenfeld and Nicolson, London 1990, ISBN 0297830279.
  • Philosophie der Sackgasse. Labyrinthe […] erleben eine weltweite Renaissance. In: Der Spiegel. Jahrgang 45, Heft 13, 1991, S. 266–269.
  • Hermann Kern: Labyrinthe. Erscheinungsformen und Deutungen. Prestel, München 1982, S. 359–389.
  • Maria Luisa Reviglio della Veneria: Il laberinto. La paura del Minotauro e il piacere del giardino. Polistampa, Florenz 1998, ISBN 88-85977-59-6.
  • Robert Field: Mazes. Ancient and Modern. Tarquin Publications, Stradbroke 1999, ISBN 1899618295.
  • Jeff Saward: Labyrinths and mazes. The definitive guide to ancient and modern traditions. Gaia, London 2003, ISBN 1-85675-183-X.
  • Jacques Vergely: Labyrinthes et jardins. In: Labyrinthes, du mythe au virtuel. Paris 2003, ISBN 2-87900-776-3. (Ausstellung in La Bagatelle vom 4. Juni bis 14. September 2003.)
  • Fons Schaefers, Anne Mieke Backer: Doolhoven en labyrinten in Nederland. De Hef, Rotterdam 2007, ISBN 978-90-6906-039-2.

Weblinks

 Commons: Irrgärten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Irrgarten – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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