- Luftangriffe auf Hannover
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Die Luftangriffe auf Hannover fügten der Stadt Hannover während des Zweiten Weltkrieges schwere Schäden zu. Die Luftangriffe wurden von Einheiten der Royal Air Force (RAF) und den United States Army Air Forces (USAAF) ausgeführt. Bei 88 Angriffen[1][2] starben 6782 Menschen, davon 4748 Einwohner.[3] Insgesamt wurden ca. 900.000 Brandbomben, 50.000 Phosphorbomben, 34.000 Sprengbomben und 1000 Luftminen abgeworfen. Der schwerste Luftangriff erfolgte in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1943 durch die Royal Air Force und forderte 1.245 Menschenleben.
Bei Kriegsende war das Zentrum zu 90 % zerstört; 52 % aller Gebäude im Stadtgebiet waren völlig zerstört oder schwer beschädigt[4] Insgesamt 7,5 Millionen Kubikmeter Schutt waren zu beseitigen. Von den Ende 1939 vorhandenen 147.222 Wohnungen wurden 51,2 % total zerstört bzw. schwer beschädigt, 43,6 % mittel oder leicht beschädigt und nur 7489 Wohnungen (5,2 %) waren noch völlig intakt.[3] Die Aegidienkirche und die Nikolaikapelle wurden nicht wieder aufgebaut und die Ruinen blieben als Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft erhalten.
Inhaltsverzeichnis
Strategische Bedeutung und Angriffsziele
1939 hatte die Hauptstadt der preußischen Provinz Hannover 472.000 Einwohner; vor allem durch Evakuierungen sank die Einwohnerzahl während des Krieges auf 287.000 im Jahresdurchschnitt - bei Kriegsende waren noch 217.000 in der Stadt gemeldet. Als Garnisonsstadt war Hannover Standort einer Infanteriedivision, eines Artillerieregimentes und einer Kriegsschule.[5] Die britischen Luftangriffe auf zivile Flächenziele (Innenstadt, Wohnviertel und andere) erfolgten gemäß der „Anweisung zum Flächenbombardement“ (Area Bombing Directive) des britischen Luftfahrtministeriums vom 14. Februar 1942. [6]
Als Industriestandort lag die Stadt im Deutschen Reich auf Rang 5. Für die Kriegsführung bedeutend waren besonders die Gummi- und Reifenproduktion der Continental-Werke in Vahrenwald und Limmer, der Geschütz- und Panzerfahrzeugbau der Hanomag und deren Tochterfirma MNH (Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover) in Linden, Badenstedt, Wülfel und Laatzen, die Wülfeler Eisenwerke (Wülfel) und die Brinker Eisenwerke in Langenhagen-Brink.
In ihrem 1938 fertiggestellten Werk in Stöcken produzierte die AFA (Accumulatoren Fabrik Aktiengesellschaft - die spätere VARTA) ab 1940 Akkumulatoren ausschließlich für U-Boote und Torpedos der Kriegsmarine.[7] Als Zulieferer der Flugzeugindustrie waren die Vereinigten Leichtmetallwerke in Ricklingen und deren Zweigwerk in Laatzen am südlichen Stadtrand (heutiges Messegelände) Angriffsziel. Im späteren Kriegsverlauf wurden insbesondere die beiden großen Raffinerien der Deurag und Nerag in Misburg am nordöstlichen Stadtrand mit ihrer Produktion von synthetischen Benzin und Motorölen für die Luftwaffe immer wieder bombardiert.
Als Kreuzungspunkt zweier wichtiger Ost-West- und Nord-Süd-Strecken ist Hannover damals wie heute auch bedeutender Eisenbahnknotenpunkt.
Angriffe
Hannover konnte von den britischen Basen gut erreicht werden. Die Stadt war trotz Verdunklung mit Radarnavigation wegen ihrer Gewässer (Maschsee und Steinhuder Meer) relativ leicht zu identifizieren und lag zudem auf der Flugstrecke zur Reichshauptstadt Berlin.
Erste Angriffe 1939 und 1940
Ein erster „Angriff" erfolgte am 4. September 1939: Ein Whitley-Bomber der RAF warf Flugblätter ab. Am 19. Mai 1940 bombardierte die RAF die Raffinerien in Misburg. 19 Menschen starben. In der Seilerstr. (Südstadt) fordert der Bombenkrieg am 1. August 1940 die ersten Opfer in der Stadt. Sechs britische Maschinen zerstörten am 30. September 1940 mehrere Gebäude in Wülfel und Linden.
10. Februar 1941
Bei dem ersten schweren Bombardement mit 220 Flugzeugen kamen in der Stadt 101 Personen ums Leben. Weitere Angriffe folgten am 15./16. April auf Vahrenwald und Hainholz sowie am 15./16. Juni auf die Edelstahlwerke in Ricklingen und die Raffinerien in Misburg. Die Industriebetriebe hatten zwar Produktionsausfälle zu verzeichnen, konnten ihren Betrieb aber auch in den folgenden Jahren immer wieder aufnehmen.
26. Juli 1943 – Zerstörung des Zentrums
Bei einem ersten Tagesangriff durch die 8. US-Luftflotte in den Mittagsstunden wurden große Teile des Stadtzentrums zerstört – Marktkirche, Altes Rathaus, Hauptbahnhof, Opernhaus und Leineschloss waren getroffen und brannten teils völlig aus. Alte Markthalle und Café Kröpcke wurden völlig zerstört. 273 Menschen kamen ums Leben; 4000 Menschen wurden obdachlos.
September 1943
In den südlichen Stadtteilen Bemerode, Döhren und Wülfel kamen am 22. September 201 Menschen um - 5000 wurden obdachlos. Ein weiterer Angriff fünf Tage später (27.9.) forderte 196 Opfer im nördlichen Stadtgebiet (20.000 Obdachlose). Bombentreffer auf eine Flakbatterie in Langenhagen töteten 13 als Flakhelfer eingesetzte Schüler der Bismarck- und Humboldtschule.
9. Oktober 1943 – Der „Schwarze Tag"
Beim schwersten Angriff auf Hannover wurden am 9. Oktober nachts zwischen 1.05 und 1.45 Uhr aus 540 Flugzeugen der Royal Air Force 1660 Tonnen (258.000 Brand- und 3.000 Sprengbomben) abgeworfen und das Stadtzentrum zu großen Teilen zerstört. 1.245 Menschen starben – 250.000 wurden obdachlos. Der Zugverkehr über den Hauptbahnhof konnte erst nach vier Tagen über ein Gleis wieder aufgenommen werden.
Ein weiterer Angriff am 18. Oktober tötete 157 Personen - 7.000 wurden obdachlos. Das Schloss Herrenhausen brannte aus.
1944
Nach einem Luftkampf stürzte am 11. Januar ein Jagdflugzeug der Luftwaffe in ein Gebäude der Reinigungsfirma Stichweh. 28 Arbeiter starben. 31 Menschen kamen durch Bomben der USAAF am 18. Juni ums Leben. Ein weiterer Angriff auf das Zentrum am 26. Oktober forderte 201 Opfer.
28. März 1945 – Letzter Angriff
Nach Bombardierungen am 5. und 10. Januar, 11. Februar sowie dem 3., 14., 15. (Raffinerien in Misburg) und 17. März verursachen die letzten beiden Luftangriffe auf Hannover am 25. und 28. März 1945 mit je 600 Bombern der britischen und amerikanischen Streitkräfte schwere Zerstörungen, auch drei der fünf Kasernen am Welfenplatz waren betroffen. Am 10. April 1945 besetzten amerikanische Truppen nahezu kampflos die Stadt.
Als Fotografin der USAAF reiste Margaret Bourke-White mit General George S. Patton durch Deutschland und dokumentierte die Zerstörungen in Hannover aus der Luft (siehe Weblinks).
Einzelnachweise
- ↑ Alfred Gottwaldt: Hannover und seine Eisenbahnen, Alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-345-9, S. 83
- ↑ Heinz Koberg: Hannover 1945. Zerstörung und Wiedergeburt. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 1985, ISBN 3-87706-198-2, S. 9
- ↑ a b Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Hannover Chronik: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Zahlen • Daten • Fakten, Schlütersche, Hannover, 1991
- ↑ Ausstellung des Volksbund Niedersachsen: „Niedersachsen im Krieg" - Der Bombenkrieg (pdf, 533 kB)
- ↑ Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.): Stadtlexikon Hannover: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Schlütersche, Hannover, 2009, S. 694
- ↑ Friedrich, Jörg, 2002,Titel Der Brand, S.83 Ullstein Verlag, München.
- ↑ Burkhard Nadolny, Wilhelm Treue: VARTA - Ein Unternehmen der Quandt Gruppe 1888-1963, Verlag Mensch und Arbeit München 1964
Siehe auch
Literatur
- Serie der Neuen Presse: Als die Stadt in Trümmern lag, Hannover vom Juli – Oktober 2003
- Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945. Ullstein-Heine-List, München 2002, ISBN 3-548-60432-3
- Heinz Koberg: Hannover 1945. Zerstörung und Wiedergeburt. Schlütersche Verlagsanstalt, Hannover 1985, ISBN 3-87706-198-2
Weblinks
- Luftbild der zerbombten Stadtmitte Hannovers 1945
- Luftbild von 1945 des zerstörten Hauptbahnhofs Hannover. Links unten die Ruine des alten Hauptpostamtes - heute Standort des Einkaufszentrums Ernst-August-Galerie
- Zerstörte Fabrikanlagen der Hanomag in Linden - Unten rechts der Bahnhof Hannover-Linden/Fischerhof
Kategorien:- Geschichte (Hannover)
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