Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg

Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg
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Territorium im Heiligen Römischen Reich

Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg
Wappen
Coat of Arms of George I Louis, Elector of Hanover (1708-1714).svg
Karte
Karte des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg/Hannover 1789
Das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover) 1789
Alternativnamen Churfürstentum Braunschweig-Lüneburg, Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg, Hannover, Churhannover, Kurhannover
Entstanden aus bis 1692 Fürstentum Calenberg
Herrschaftsform Kurfürstentum
Herrscher/Regierung Kurfürst
Heutige Region/en DE-NI, DE-SH, DE-ST
Reichstag Kurfürstenrat & Reichsfürstenrat, Weltliche Bank: bis zu 4 Virilstimmen Fürstentum Calenberg, Fürstentum Grubenhagen (1707–1735 verliehen), Fürstentum Lüneburg (ab 1705), Herzogtum Verden (ab 1715); Teil einer 1 Kuriatstimme für Grafschaft Hoya
Reichsmatrikel verschiedene Fürstentümer siehe oben
Reichskreis Niedersächsisch; Niederrheinisch-Westfälisch für Hoya und Verden
Hauptstädte/Residenzen Hannover, Herrenhausen
Dynastien Welfen
Konfession/Religionen lutherisch
Sprache/n Niederdeutsch, Deutsch, Englisch, Französisch
Aufgegangen in 1806 (de facto) untergegangen/1814 (in Rechtsnachfolge) Königreich Hannover

Mit Braunschweig-Lüneburg wurde ab 1692 das 9. Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reiches bezeichnet (offizieller Name: Chur-Braunschweig-Lüneburg, inoffiziell Chur-Hannover oder Kurhannover oder Hannover). Wahlspruch NEC ASPERA TERRENT (Widrigkeiten schrecken nicht).[1] Das Kurfürstentum war nicht deckungsgleich mit dem Herzogtum Braunschweig und Lüneburg.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

Das Kurfürstentum bestand vor allem im 18. Jahrhundert und lag im heutigen deutschen Land Niedersachsen und Teilen des Landes Sachsen-Anhalt (mit Amt Calvörde und Blankenburg). Es umfasste folgende Territorien des Heiligen Römischen Reiches: Fürstentum Calenberg, Fürstentum Grubenhagen, Grafschaft Hoya, Herzogtum Sachsen-Lauenburg, Fürstentum Lüneburg (ab 1705), Herzogtum Bremen mit Herzogtum Verden (ab 1715). Calenberg, Grubenhagen und Lüneburg waren nominell Teilfürstentümer des mittelalterlichen Herzogtums Braunschweig und Lüneburg.[2] Ursprünglich war das Kurfürstentum ein reines Binnenland (Raum Hannover). Erst mit dem Erwerb des Herzogtums Bremen konnte sich Kurhannover zur Nordsee ausweiten. Der Großteil des Kurfürstentums befand sich im Niedersächsischen Reichskreis. Die Grafschaft Hoya und das Herzogtum Verden waren Teile des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises.

Geschichte

Territoriale Gliederung des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg und dynastische Zusammenhänge innerhalb des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg und zum Königreich Großbritannien.

Vorgeschichte

Ernst August wurde 1679 Herzog zu Braunschweig und Lüneburg und Fürst von Calenberg. Er vermählte sich 1658 mit Sophie, der Tochter des gescheiterten Königs von Böhmen, Friedrich V. von der Pfalz, und dessen Gemahlin Elisabeth, Tochter König Jakobs I. von England, welche jedoch erst 22. März 1701 zur Erbin von Großbritannien erklärt wurde. 1682 proklamierte Ernst August für sein Land das Primogeniturrecht, dem zufolge der älteste Sohn, Georg Ludwig, nicht nur ganz Lüneburg-Grubenhagen, sondern auch die Lande des sohnlosen Georg Wilhelm von Celle, dessen einzige Tochter, Sophie Dorothea, Georg Ludwig 1682 heiratete, allein erben sollte. Auch wurde der Landeshaushalt ins Gleichgewicht gebracht und die gesamte Verwaltung vom Kabinett des Fürsten unter Zuziehung weniger vertrauter Minister, Franz-Ernst Graf von Platen und Herr von Grote, geleitet. Als oberste beratende und kontrollierende Behörde stand dem Fürsten der wieder zu Ansehen gelangende Geheime Rat zur Seite. Unter diesem bestanden die verschiedenen Verwaltungskollegien, die Kanzlei, hauptsächlich für Rechtssachen, die Kammer für das Finanzwesen, das Konsistorium und der Kriegsrat, alle mit streng gesonderten Ressorts. Wichtigstes politisches Ziel Ernst Augusts war der Erwerb der kurfürstlichen Würde für sein calenbergisches Haus. Seit 1689 führte er deshalb Unterhandlungen mit dem Kaiser.

Erlangung der Kurwürde

1692 wurde vom Kaiser die neue (neunte) Kur des Heiligen Römischen Reiches kreiert. Der im Fürstentum Calenberg regierenden Linie der Welfen wurde diese neunte Kurwürde verliehen. Dies wurde möglich durch einen Vertrag zwischen dem Römisch-deutschen Kaiser und den beiden Linien des Hauses Lüneburg, laut dessen gegen Erteilung der Kurwürde an das Haus Hannover unter eventueller Beteiligung von Celle eine ewige Union zwischen den Häusern Habsburg und Lüneburg stattfinden sollte. Bei allen künftigen Königswahlen sagte Lüneburg fest die Zustimmung zur Wahl des habsburgischen Erstgeborenen zu.

Umgangssprachlich wurde das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg auch Kurfürstentum Hannover oder kurz Kurhannover genannt. Das welfische Teilfürstentum Calenberg-Göttingen wurde von Kaiser Leopold I. als Dank für die Unterstützung im Pfälzischen Erbfolgekrieg mit der Kurwürde belohnt. Der Reichstag stimmte der Erhebung erst 1708 zu.

Begründung der Personalunion mit Großbritannien

Georg Ludwig, Ernst Augusts Nachfolger seit 23. Januar 1698, vereinigte 1705 die Gesamtlande des Hauses Braunschweig-Lüneburg beim Tod seines Onkels und Schwiegervaters Georg Wilhelm mit dem Fürstentum Lüneburg. Weiterhin eigenständig blieb das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, das spätere Herzogtum Braunschweig.

Nach dem Tode der ohne Nachkommen gebliebenen Königin Anne Stuart von Großbritannien erbte der Kurfürst 1714 die britische Königskrone. Gemäß dem Settlement Act von 1701 fiel die Krone an die nächsten protestantischen Verwandten, also an das Haus Hannover. Georg verband durch diese Personalunion Großbritannien mit dem deutschen Kurfürstentum, das damit zu einem der mächtigsten im Heiligen Römischen Reich wurde. Die Personalunion endete erst 1837 mit der Thronbesteigung von Königin Victoria, da im Königreich Hannover nur männliche Nachkommen den Thron erben konnten. Daher ging die Herrschaft auf Victorias Onkel, Ernst August, Herzog von Cumberland, über.[3]

Der größte Teil der Regierung Georg Ludwigs wurde von zwei großen Kriegen (dem Spanischen Erbfolgekrieg und dem Nordischen Krieg) ausgefüllt, an denen Georg sowohl in seiner Eigenschaft als Kurfürst sowie als König starken Anteil nahm. Sein kriegerisches Engagement endete mit einer beträchtlichen Vergrößerung seiner Länder.

Mit der Belehnung der Kurwürde beim Tode des Vaters ging ein kurzer, wenig blutiger Kampf mit der braunschweig-wolfenbüttelschen Linie des Hauses Braunschweig-Lüneburg einher. Die wolfenbüttelschen Welfen empfanden die Erhöhung der calenbergischen Linie "Neues Haus Lüneburg" in Hannover als unerträgliche Zurücksetzung. Als ihre Proteste darüber ungehört verhallten, verbanden sie sich 1700 mit anderen deutschen Fürsten in Nürnberg zum Bunde der "korrespondierenden Fürsten". Notfalls wollte man mit Waffengewalt die Kurerhöhung Hannovers verhindern. Im gleichen Jahr überrumpelten Georg Wilhelm und Georg Ludwig unter Mithilfe des Kaisers die wolfenbüttelschen Fürsten und nötigten sie zur Anerkennung der Kurwürde.

Die Union mit Großbritannien verwandelte Kurhannover in ein Nebenland, dessen Adel ohne starke fürstliche Führung Freiheiten ausnutzte. In wirtschaftlicher Hinsicht profitierte das Land von neuen handelspolitischen Beziehungen. Das überaus agrarisch geprägte Land produzierte weit mehr Produkte, als es für den eigenen Gebrauch benötigte, und fand im britischen Empire einen Abnehmer seiner Überschüsse. Die im Entstehen begriffene Industrie Großbritanniens konnte im Gegenzug das Kurfürstentum mit fehlenden Gütern versorgen. Erschien Kurhannover während des 18. Jahrhunderts in politischer Beziehung fast ausschließlich als Trabant Großbritanniens, so hob sich dennoch das Ansehen und die Bedeutung des Landes im Reich infolge dieser Verbindung beträchtlich. Sein Einfluss in innerdeutschen Angelegenheiten blieb nur hinter dem von Habsburg und Brandenburg-Preußen zurück.

Georgs I. Regierung war für die kurbraunschweigisch-lüneburgischen Lande, wie sie seit 1705 offiziell genannt wurden, in jeder Beziehung bedeutend. Von der Kampagne am Rhein (Ende 1709) zurückgekehrt, wandte der Kurfürst den auch an seinen Grenzen geführten Kämpfen des Nordischen Kriegs seine ganze Aufmerksamkeit zu.[4]Der mit Dänemark(1712) geplante Defensiv- und Offensivbund gegen Karl XII. kam freilich nicht zustande. Dennoch stand Kur-Braunschweig-Lüneburg, das seit dieser Zeit militärisch gut gerüstet war, bereit, im geeigneten Augenblick einzugreifen, um die im Westfälischen Frieden 1648 vergeblich erstrebten reichen Herzogtümer Bremen und Verden wenn nötig mit Waffengewalt zur Abrundung des territorialen Besitze zu erringen. Inzwischen begnügte sich der Kurfürst, die Protestanten in den Hochstiften Münster, Paderborn, Hildesheim in seinen Schutz zu nehmen, wie er seinerseits den Katholiken in seinen Landen völlige Glaubensfreiheit gewährte. Hildesheim wurde kurzzeitig militärisch besetzt. Am 1. Oktober 1714 starb die britische Königin Anna aus dem Hause Stuart. Der Kurfürst siedelten zwar von Hannover nach London um, dies führte aber zu keiner direkten Verfassungsänderung im Kurfürstentum. Erst allmählich zeigte es sich, dass Statthalter[5] und Geheimer Rat fortan die eigentlichen Regenten waren. Der Geheime Rat behielt die Verhandlungen mit den Ständen, die Kontrolle der Landesverwaltung, der Finanzen, der Rechtspflege, der geistlichen, Militär- und auswärtigen Angelegenheiten sowie unter Vorbehalt kurfürstlicher Bestätigung die Ernennung der Beamten mit Ausnahme der höchsten Chargen, also die eigentliche Regierung des Landes, unter der Bedingung regelmäßiger Berichterstattung an den Landesherrn in seiner Hand. Die unter ihm stehenden Kollegien für die einzelnen Ressorts, Kanzlei, Kammer, Konsistorium und Kriegskanzlei standen mit ihm durch die ausschließlich aus seiner Mitte entnommenen Departementschefs in steter unmittelbarer Verbindung. Die reichen Einkünfte aus den Domänen, aus direkten und indirekten Steuern, die selbst während der glänzenden Hofhaltung der Fürsten der letzten Generation zeitweise Überschüsse ergeben hatten, wanderten, unter Abzug der verhältnismäßig beträchtlichen Ausgaben für das Beamtentum und die in Hannover weiter bestehenden Hofhaltung, in die Kasse des Kurfürsten-Königs und ermöglichten trotz bedeutenden Aufwandes für das Stehende Heer die Begründung eines bedeutenden Hausschatzes.

Inzwischen führten die Hartnäckigkeit des Königs Karl XII. von Schweden, die drohende Nähe der russischen Truppen in Mecklenburg, die Furcht, dass der Nordische Krieg ganz Niederdeutschland ergreifen und zuletzt nur dem Zaren geholfen hätte, eine Annäherung des dänischen Königs Friedrich IV. an Kur-Braunschweig-Lüneburg und die übrigen dabei interessierten deutschen Fürsten herbei, die Anfang 1714 zum Braunschweiger Kongress zwecks Einigung über die nordischen Friedenstraktate, ein Jahr später zu einer Offensiv- und Defensivallianz zwischen Dänemark und Kur-Braunschweig-Lüneburg führte mit gegenseitiger Garantie. Dänemark sicherte das Verbleiben der damals unter dänischer Verwaltung stehenden schwedischen Herzogtümer Bremen und Verden bei Kurhannover. Auf der anderen Seite sollte die dauernde Verbindung Schleswigs mit Dänemark garantiert werden. Eine endgültige Sicherung im Besitz der Herzogtümer Bremen (nicht die Freie Reichsstadt Bremen) und Verden, die wegen ihrer reichen Einkünfte (jährlich eine viertel Million Reichstaler) wertvoll waren, gewährte der Vertrag von Stockholm (November 1719), worin Schweden gegen Zahlung von einer Million Reichstaler sein Anrecht auf die Herzogtümer an das Kurfürstentum abtrat. Die kaiserliche Belehnung mit denselben, in die auch Braunschweig-Wolfenbüttel aufgenommen wurde, erfolgte allerdings erst 1733.

Georg I. sorgte auch dafür, dass in den 1720er Jahren weit reichende Pläne der Habsburger gegen Frankreich vereitelt wurden, indem Kurhannover mit dem preußisch König Friedrich Wilhelm I. die "Hannoversche Allianz" in Herrenhausen zur Erhaltung des bestehenden Rechtszustandes schloss.

Georg II. und Georg III.

Der Nachfolger Georgs I., Georg II. (1727-60), teilte mit seinem Vater die Vorliebe für das deutsche Stammland, wo er sich gern aufhielt. Mit seinem Vetter und Schwager Friedrich Wilhelm I. stand er teils aus persönlicher Antipathie, beruhend auf der Verschiedenheit ihrer Charaktere, teils aus gegenseitiger Rivalität durchweg in einem sehr misslichen Verhältnis. Die ernstlichste Verwickelung führte 1731 eine Ursache von geringem Belang, die Vorliebe des Preußenkönigs für die langen Soldaten und die Rücksichtslosigkeit seiner Werbeoffiziere im Hannöverschen, herbei. Schon standen die Heere beider Fürsten kampfbereit an der Landesgrenze einander gegenüber, als durch Vermittlung der Herzöge von Gotha und Braunschweig noch im letzten Augenblick dem Bruderkampf vorgebeugt wurde. Ein wirkliches Anrecht auf die Dankbarkeit seiner Erblande erwarb sich der Kurfürst durch die Stiftung der Universität Göttingen 1737, welche, durch die Bemühungen des vortrefflichen Ministers von Münchhausen ins Leben gerufen und reich dotiert, bald die ausgezeichnetsten Gelehrten Deutschlands und eine große Zahl Studierender an sich zog. Als Kurfürst des Reichs und Garant der Pragmatischen Sanktion stand Georg II. während des österreichischen Erbfolgekriegs von 1741 bis 48 auf seiten Maria Theresias. Der Sieg von Dettingen (27. Juni 1743) ist der letzte Sieg, den ein britischer König an der Spitze seiner Truppen selbst errang. Der Siebenjährige Krieg traf Kurhannover sehr hart, war es doch eines der Hauptkampfplätze. Der Bund Österreichs mit dem alten Feind Frankreich hatte die politischen Verhältnisse verrückt und im Gefolge Großbritanniens auch Hannover zum Bund mit Friedrich II. von Preußen getrieben. In den ersten Jahren waren die preußisch-britischen Streitkräften in meist schlechter Lage. Trotz des großen militärischen Geschicks von Herzogs Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, welchen der preußische König bereitwillig seinem Alliierten als Oberbefehlshaber des alliierten Heeres überließ, konnte die Verluste der beiden ersten Jahre, vor allen die Niederlage des Herzogs von Cumberland bei Hastenbeck (1757) und die sich daran schließende Konvention von Kloster Zeven, die das ganze Land den Franzosen ein Jahr lang überließ, nicht völlig wieder gutmachen.

Georgs II. Nachfolger war 1760 sein Enkel Georg III. (1760–1820). Die Art und Weise der Regierung blieb auch unter dem neuen Regenten dieselbe, die sie seit 1714 gewesen war, nur dass Statthalter und Geheimer Rat um so selbständiger verfuhren, als der König-Kurfürst fortan seine bleibende Residenz in England, dem Land seiner Geburt, nahm, wo er freilich ein stehendes Kabinett für die Kurlande einrichtete. Bis zu den Zeiten der französischen Revolution, ein volles Menschenalter hindurch, erfreute sich das Kurfürstentum gleich dem gesamten Deutschland zum ersten Mal wieder einer Zeit ungestörten Friedens. An der innerdeutschen Politik begann Kurhannover sich erst seit dem Bayrischen Erbfolgekrieg, engagierter zu beteiligen und zwar diesmal in Übereinstimmung mit der preußischen Politik und gegen die josephinischen Expansionsbestrebungen. Von seiten der österreichischen Habsburgermonarchie drohte durch die geplante Annexion Bayerns ein völliger Umsturz des bisherigen inneren politischen Machtverhältnisses, welcher katholische wie protestantische, große wie kleine Fürsten gleich gefährdete. Daher fanden sich die meisten, unter ihnen auch Georg III., in dem von Friedrich II. von Preußen gegründeten Fürstenbund 1785 zusammen, dessen Statuten von Preußen, Kurhannover und Kursachsen noch zwei nur für diese drei Kontrahenten verbindliche geheime Separatartikel hinzugefügt wurden, die für den Fall eines Kriegs gegenseitige Unterstützung mit einem Hilfskorps von 15.000 Mann vorsahen, anderseits gemeinsame Maßregeln vorsahen, um das Streben des Kaisers, die Mitglieder seines Hauses Habsburg in die Koadjutorschaften sämtlicher wichtiger geistlicher Reichsstände zu bringen, zu nichte zu machen.

Koalitionskriege und Ende des Kurfürstentums

An den Kämpfen gegen die französische Revolution nahm Hannover nicht direkt Anteil. Allerdings wurde ein erst 13.000, dann 16.000 Mann starkes Korps unter der Führung des Feldmarschalls Freytag dem König von Großbritannien überlassen, das mitkämpfte, bis es beim Rückzug des britischen Hauptheers auch in die Heimat zurückgesandt wurde. Der Abschluss des Basler Friedens durch Preußen (1795) und die darin stipulierte Demarkationslinie bewahrten Hannover vor den Einfällen der Franzosen.

Das nächste Jahrzehnt war voller Reibungen zwischen Hannover und Preußen und brachte Preußen gerade infolge seiner Verbindung mit Großbritannien, das sich nicht zu den Stipulationen des Friedens von Lunéville (9. Februar 1801) verstehen wollte, sondern den Kampf noch zwölf Monate länger fortsetzte, in eine misslichste Lage. Obgleich nämlich Hannover noch im genannten Frieden definitiv das Hochstift Osnabrück zugesprochen erhielt, war von dem Ersten Konsul doch schon sein Untergang geplant und zwar derart, dass in diesen auch sein Rivale, das dem Konsul gegenüber sich zurückhaltende Preußen, mit verwickelt werden sollte. Bonaparte lud nicht weniger als dreimal in den Jahren 1796-1801 Friedrich Wilhelm III. ein, den Kurstaat wegen Verletzung der Bestimmungen des Basler Friedens und zur Deckung gegen Großbritannien zu besetzen, und der preußische König erkannte es zuletzt, da Russland ihm zuvorzukommen suchte, fürs beste, diesem Rat zu folgen. So erfolgte denn, da eine Verteidigung des Landes bei der unzureichenden Truppenzahl nicht ratsam schien, die erste Besetzung Hannovers durch 24.000 Preußen unter General von Kleist, die ein Jahr lang bis zum Frieden von Amiens (27. März 1802) vom Land unterhalten werden mussten. Der Reichsdeputationshauptschluß vom Februar 1803 bestätigte Kurhannover im Besitz von Osnabrück; jedoch konnte es seinen gleichzeitigen Anspruch auf das ebenfalls säkularisierte Fürstbistum Hildesheim gegen das konkurrierende Preußen nicht durchsetzen.

Die Wiederaufnahme des Kriegs durch Großbritannien führte 1803 auch die Katastrophe über das Kurfürstentum herbei. Weder der König noch sein damaliger Kabinettsminister von Lenthe hatten eine richtige Anschauung von der Lage der Dinge in Kurhannover wie von dem, was in einer so kritischen Lage nottat. Die mit großen Kosten aus kleinen Anfängen geschaffene und erhaltene Werbearmee von ca. 20.000 Mann, damals unter Leitung des Feldmarschalls von Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn, eines rechtschaffenen, persönlich tapferen, doch seiner Aufgabe keineswegs gewachsenen Mannes, war durch die im letzten Jahrzehnt erlittenen Niederlagen im Feld und in der Politik geschwächt und demoralisiert. Als daher der Versuch eines allgemeinen Aufgebots an dem Widerwillen der besitzenden Klassen gescheitert war, sah sich Wallmoden genötigt, dem Drängen landständischer Deputierter nachzugeben und eine von diesen mit General Édouard Adolphe Mortier, dem Befehlshaber des von der Weser her gegen Hannover anrückenden französischen Heers, zu Sulingen abgeschlossene Konvention (3. Juni 1803) als für sich verbindlich anzuerkennen. Ohne das Schwert aus der Scheide gezogen zu haben, erklärte sich so das immerhin noch gegen 16.000 Mann starke hannöversche Heer einem nicht stärkeren Feind gegenüber für besiegt und unterschrieb die Bedingung, jenseit der Elbe, im Lauenburgischen, für die Dauer des Kriegs gleichsam in einer freiwilligen Internierung zu bleiben. Seiner beliebten Praxis gemäß versagte der Erste Konsul auf einen nichtigen Vorwand hin der Konvention seine Ratifikation, und so diktierte der französische Feldherr dem unglücklichen Wallmoden in der Konvention von Artlenburg an der Elbe (5. Juli 1803) folgende Bedingungen: Das hannöversche Heer wird entwaffnet und aufgelöst; Munition und Pferde werden dem Sieger zuteil; das ganze Land bleibt in französischem Sequester.

Jean-Baptiste Bernadotte, der spätere König von Schweden und Norwegen, war hier vom 14. Mai 1804 für mehrere Monate französischer Gouverneur. Als Folge des von Christian von Haugwitz mit Napoléon Bonaparte geschlossenen Vertrags von Paris vom 15. Februar 1806 wurde das Gebiet dann von Preußen besetzt[6] und ging 1807 bzw. 1810 im Königreich Westphalen auf. Der Nordwesten des Kurfürstentums wurde 1811 als Teil der Hanseatischen Departements Bestandteil des ersten französischen Kaiserreiches.

Auf dem Wiener Kongress 1814 entstand als Nachfolgestaat des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg das Königreich Hannover.

Staat und Verwaltung

Mit Erlangung der Kurfürstenwürde entwickelte sich auch die staatliche Struktur des Territoriums. Dabei wirkten neben neuzeitlichen Verwaltungsstrukturen auch alte ständische Besitzstände fort. Der Kurfürst (insbesondere als König von Großbritannien) war zunehmend auf eine zentrale Verwaltung angewiesen, ohne die Landstände in den bis zu sieben verschiedenen Landschaften in Frage zu stellen. Auch im Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg bestand ein starker Dualismus zwischen Landesherrn und Landständen. Grundlage für die kurfürstliche Regierung war das Regierungsreglement von 1714, das auf dem von Ernst August von Calenberg niedergelegten Reglement von 1680 aufbaute.[7]

Kurfürsten

Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg
Haus Hannover
Name Herrschaft Bemerkungen
Ernst August 1692–1698 Sohn von Georg von Braunschweig und Lüneburg-Calenberg
Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg, König von Großbritannien und Irland
Mit dem Act of Settlement von 1701 wurde die Thronfolge auf Protestanten eingeschränkt. Sophie von der Pfalz, die nächste protestantische Verwandte, wurde deshalb Thronfolgerin. Sie starb kurz vor Königin Anne. Aus diesem Grund folgte ihr Sohn auf den Thron, der das Haus Hannover begründete.
Georg I. (George I) 1698/1714–1727 Sohn von Ernst August und Urenkel von Jakob I..
Georg II. (George II) 1727–1760 Sohn von Georg I.
Georg III. (George III) 1760–1820 Enkel von Georg II.

Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg:

Landstände

Ausgehend von der territorialen Zersplitterung des nominell noch bestehenden Herzogtums Braunschweig-Lüneburg und anliegender Fürstentümer konnte das Kurfürstentum nach und nach eine Vielzahl von Landschaften, mit jeweiligen Landständen vereinigen. Während der größten territorialen Ausdehnung des Kurfürstentums waren es 7 Landschaften. Durch die Regierungsferne des zunehmend in London regierenden Kurfürsten konnten die Landstände ein relatives Eigenleben entwickeln. Die Verflechtung des höheren Adels mit dem Hofe und hohen Verwaltungs- und Militärstellen minderte aber Konflikte.

Verwaltung

1714 gliederte ein Reglement die Landesregierung in fünf Zentralbehörden: Geheimes Ratskollegium, Kammer, Justizkanzlei, Konsistorium und Kriegskanzlei. Die sogenannte „Deutsche Kanzlei“ bildete das Verbindungsbüro mit zwischen Chur-Braunschweig-Lüneburg und der britischen Regierung in London.[8]

Als oberster Gerichtshof wurde 1711 das Oberappellationsgericht in Celle eingerichtet.

Militär

Die Ursprünge der kurhannoverschen Armee werden allgemein auf das Jahr 1617 für die Fürstentümer Grubenhagen und Calenberg festgelegt.[9] Aber erst nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelte sich ein Stehendes Heer. 1705 wurden die kurfürstlichen Truppen mit Regimentern des Fürstentums Lüneburg/Celle erweitert. Vor allem als Teil der Reichsarmee auf kaiserlicher Seite kämpften kurfürstlich hannoversche Truppen in unterschiedlichen Kriegen, so im Großen Türkenkrieg 1685-1699 und in den Spanischen, Polnischen und Österreichischen Erbfolgekriegen. Bedingt durch die engen Beziehungen mit der britischen Armee des britischen Königs und hannoverschen Kurfürsten kämpften hannoversche Truppen häufig an der Seite britischer Truppen. Im Siebenjähriger Krieg (1756–1763) bestand eine Allianz neben hannoverschen und britischen Truppen aus braunschweig-wolfenbütteler, hessen-kasseler und preußischen Truppen. Im Vorfeld des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges ersetzten 1775 kurhannoversche Truppen die nach Übersee abgerückten britischen Truppen auf Menorca und in Gibraltar. Die hannoverschen Truppen in Gibraltar verteidigten die Stellungen erfolgreich gegen spanische Angriffe.[10] Hannoversche Truppen nahmen auch am britischen Krieg gegen Frankreich in Ostindien teil (1782–1792). Ebenfalls unter britischen Sold nahmen kurfürstliche Truppen im Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) gegen das revolutionäre Frankreich teil (1793–1795). Die Armee des Kurfürstentums wurde 1803 aufgelöst, aber ein großer Teil der Offiziere und Soldaten ging nach Großbritannien und wurde dort als King’s German Legion wieder aufgestellt. Sie war die einzige deutsche Truppe, die sich kontinuierlich im Kampf gegen die französische Armee befand und nahm an den Gefechten auf der iberischen Halbinsel, in Norddeutschland (Göhrde) und Kopenhagen teil. In der Schlacht von Waterloo 1815 verteidigten sie den wichtigen Vorposten La Haye Sainte.

Offiziere des Hannoverschen Ingenieurkorps erstellten zwischen 1764 und 1784 die Kurhannoversche Landesaufnahme, die erste umfangreiche kartografische Landesaufnahme des Kurfürstentums.

Siehe auch

Literatur

  • Heide Barmeyer (Hrsg.): Hannover und die englische Thronfolge (=Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte Band 19): Bielefeld 2005.
  • Richard Drögereit: Quellen zur Geschichte Kurhannovers im Zeitalter der Personalunion mit England 1714–1803, Quellenhefte zur Niedersächsischen Geschichte, Hildesheim 1949.
  • Wilhelm Havemann: Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg; Band 3; Göttingen 1857; insb. Bemühungen von Ernst August um die Kurwürde: S. 322ff Google-Books
  • Torsten Riotte: Hannover in der britischen Politik, 1792–1815. Dynastische Verbindung als Element außenpolitischer Entscheidungsprozesse. Historia profana et ecclesiastica Bd. 13, Lit, Münster 2005, ISBN 3-8258-7551-2
  • Torsten Riotte, B. Simms (Hrsg.): The Hanoverian Dimension in British History. Cambridge University Press, Cambridge 2007, ISBN 978-0-521-84222-8
  • Joachim Niemeyer, Georg Ortenburg (Hrsg.): Die Chur-braunschweig-lüneburgische Armee im Siebenjährigen Kriege. In: Das „Gmundener Prachtwerk“. Beckum 1976
  • Georg Schnath: Geschichte Hannovers im Zeitalter der neunten Kur und der englischen Sukzession 1674–1714 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Hannover XVIII); Hildesheim 1938.
  • Schütz von Brandis: Übersicht der Geschichte der Hannoverschen Armee von 1617 bis 1866. Von einem hannoverschen Jäger. (Bearbeitet von [Johann] Freiherr von Reitzenstein) Hannover und Leipzig 1903 (Reprint Buchholz-Sprötze 1998)
  • Wilhelm von Wersebe: Geschichte der hannoverschen Armee, Hannover 1928, online
  • Hannoverische Chur-Würde. In: Zedlers Universal-Lexicon, Band 12, Leipzig 1735, Spalte 482 f.
  • Christoph Barthold Scharf: Der politische Staat des Churfürstenthum Braunschweig-Lüneburg samt dazu gehörigen Herzogthümern, und Grafschaften in welchem dessen Staedte, Flecken, Dörfer, Adeliche Güther, und einzelne Höfe nach ihren Gerichts-Obrigkeiten und Einpfarrungen aus Privat Nachrichten zusammengetragen und in Alphabetischer Ordnung entworfen, Lauenburg 1777. (Digitalisat)

Weblinks

 Commons: Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wahlspruch auf den Fahnen der chur-braunschweig-lüneburgischen Armee
  2. Die Fürsten des eigenständigen Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel nannten sich ebenfalls Herzöge von Braunschweig und Lüneburg.
  3. vgl. Drögereit 1949, Barmeyer 2005
  4. Der dänisch-schwedische Kampf hatte einen Teil Niederdeutschlands betroffen. Die Herzogtümer Bremen, Verden und Vorpommern waren noch in schwedischem Besitz.
  5. Der erste Statthalter war der General der Kavallerie von Bülow.
  6. Karl Otmar Aretin: Vom deutschen Reich zum Deutschen Bund. Seite 103, ISBN 978-3-525-33583-3, abgefragt am 14. Februar 2009
  7. vgl. zum Reglement 1714: Drögereit 1949: 5-15; zum Reglement von 1680: Schnath 1938: 686-694.
  8. vgl. Drögereit 1949: 5
  9. Schütz von Brandis
  10. vgl. Wersebe, 1928, 208ff
  11. Niemeyer/Ortenburg 1976: 47
  12. Google Books

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