- Helmut Roewer
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Helmut Roewer, (* 1950), ist ein deutscher Jurist und Publizist. Von 1994 bis 2000 war er Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ausbildung
Roewer nahm nach einer Ausbildung zum Offizier der Panzertruppe ein Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre auf, das er mit dem zweiten juristischen Staatsexamen abschhloss. 1982 wurde er mit Rechte und Pflichten junger Menschen zwischen Elternrecht und staatlicher Einflussnahme – Die Entwicklung von der Reichsgründung 1871 bis 1980 an der Universität Konstanz promoviert.
Erste Berufsjahre
Nach dem Staatsxamen war er zunächst als Rechtsanwalt tätig, trat aber nach einiger Zeit in den Staatsdienst und fand beim Bundesinnenministerium Verwendung im Bereich Verfassungsschutz, wo er zum Ministerialrat aufstieg.
Thüringer Verfassungsschutzpräsident
1994 übernahm Roewer die Leitung des Thüringer Verfassungsschutzes. Seine Amtsführung galt als exzentrisch[1], so trat er z.B. bei einer öffentlichen Veranstaltung im Rahmen des Programms von Weimar als Kulturhauptstadt Europas im Ludendorff-Kostüm mit Pickelhaube auf.[2] Unter seiner Verantwortung warb das Landesamt diverse V-Männer in der rechtsradikalen Szene Thüringens an, u.a. Tino Brandt, damals Anführer des Thüringer Heimatschutzes und im Landesvorstand der NPD, der zwischen 1994 und 2001 über 200.000 DM für seine Arbeit erhielt – Geld, das nach seinen eigenen Angaben in den Aufbau des Thüringer Heimatschutzes floss. Brandt wurde zwar von Roewer selbst vorübergehend als V-Mann abgeschaltet[1], doch drei Angehörige dieser Szene tauchten 1998 in den Untergrund ab. Als Nationalsozialistischer Untergrund waren sie im folgenden Jahrzehnt mutmaßlich für eine Mordserie unter türkisch-griechischen Migranten, den Heilbronner Polizistinnenmord, weitere Attentate sowie zahlreiche Banküberfälle verantwortlich.
Roewer erklärte dies am 15. November 2011 dahingehend, dass damals aufgrund der zahlreichen Vorgänge und des aufgenommenen Materials möglicherweise einzelne Hinweise nicht erkannt wurden. [3] Er vermutete Verbindungen der Terrorzelle zur Jenaer Polizei, die eine Verhaftung bereits im Jahr 1998 verhindert habe.[4]
Ein fragwürdiges Bild zwischen „rechts“ und links“ wurde auch in einem unter seiner Federführung für den Schulunterricht produzierten Video Jugendlicher Extremismus in der Mitte Deutschlands des Thüringer Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2000 vermittelt. Linke Autonome werden als gewaltbereit charakterisiert, während Aufmärsche rechter Kameradschaften ohne entsprechende Kommentare im Film gezeigt wurden. Tino Brandt durfte hingegen in die Kamera sagen: Wir sind prinzipiell gegen Gewalt.[5] Der Lehrfilm wurde im Auftrag der von Roewer unter dem Decknamen Stephan Seeberg gegründeten Heron Verlagsgesellschaft vom CDU-Nachwuchspolitiker Reyk Seela produziert.[6]
Während Roewers Einsatz gegen Neonazis zwar kostenintensiv, aber wenig ertragreich war, konnte er zumindest über den Thüringer Oppositionsführer Bodo Ramelow eine umfangreiche Sammlung von Material anlegen lassen. 2000 wurde Roewer aufgrund einer Reihe von Affären suspendiert.
Ruhestand, Strafverfahren und publizistisches Wirken
Ein 2005 gegen Roewer begonnener Strafprozess wegen Untreue in seiner Zeit als Verfassungsschutzpräsident wurde 2008 wegen fortdauernder Verhandlungsunfähigkeit vorläufig eingestellt.[7] Die Verhandlungsunfähigkeit hinderte Roewer jedoch nicht an der Fortsetzung seiner nach dem Ausscheiden aus dem Dienst aufgenommenen Tätigkeit als Publizist und Referent. Das Verfahren gegen ihn wurde im März 2010 gegen Zahlung von 3.000 Euro Geldauflage an eine gemeinnützige Einrichtung eingestellt.[8]
Roewer publiziert inzwischen im als rechtsextrem eingestuften Grazer Ares-Verlag und ist Referent des Veldensteiner Kreises.
Privates
Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter lebt er in Weimar.
Veröffentlichungen (Auswahl)
- Strahlenschutzvorsorgegesetz. Köln 1988
- Nachrichtendienstrecht der Bundesrepublik Deutschland. Köln 1990
- mit Stefan Schäfer/Matthias Uhl: Lexikon der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. München 2003
- Skrupellos. Die Machenschaften der Geheimdienste in Russland und Deutschland 1914–1941. Leipzig 2004
- Im Visier der Geheimdienste: Deutschland und Russland im Kalten Krieg. Köln 2008
- Die Rote Kapelle und andere Geheimdienstmythen. Spionage zwischen Deutschland und Russland im Zweiten Weltkrieg 1941–1945. Ares-Verlag: Graz 2010
Weblinks
- Literatur von und über Helmut Roewer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Private Homepage von Helmut Roewer
- Steffen Winter: Deckname Rubicon. In: Der Spiegel. Nr. 29, 2005 (online).
- Paul Wrusch: Thüringer Kameraden. In: die Tageszeitung (TAZ) vom 14. November 2011; über die Karriere von Helmut Roewer und die Anwerbepraxis des Thüringer Verfassungsschutzes unter seiner Führung gegenüber V-Leuten im rechtsextremen Milieu (online)
Einzelnachweise
- ↑ a b [Harald Lachmann: Helmut Roewers Doppelleben - Der Verfassungsschutz als Tollhaus; in: Stuttgarter Zeitung vom 16. November 2011; (abgerufen am 20. November 2011)
- ↑ Steffen Winter: Geheimdienste – Deckname Rubicon; in: Der Spiegel 29/2005 vom 18. Juli 2005; S. 48–49 (abgerufen am 15. November 2011)
- ↑ ARD-Sendung Fakt extra vom 15. November 2011
- ↑ Ex-Verfassungsschützer weist Verantwortung zurück, MDR am 15. November 2011.
- ↑ ARD-Sendung Fakt extra vom 15. November 2011
- ↑ Geheimdienste – Deckname Rubicon Der Spiegel 29/2005 vom 18. Juli 2005
- ↑ Andreas Förster: Der Ex-Geheimdienstler Helmut Roewer erzählt: Der Feind ist überall; in: Berliner Zeitung, Ausgabe vom 13. August 2008; zuletzt abgerufen am 15. November 2011.
- ↑ Untreue-Prozess gegen Roewer endgültig eingestellt; Bericht von MDR-Thüringen vom 31. März 2010; abgerufen am 10. Juli 2010.
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