Hermann J. Giskes

Hermann J. Giskes

Hermann J. Giskes (* 28. September 1896; † 28. August 1977 in Krefeld) war Oberstleutnant der Wehrmacht, Chef der deutschen militärischen Gegenspionage von 1941-1944 in den besetzten Niederlanden und einer der Hauptbeteiligten an dem nachrichtendienstlichen Funkspiel, durch das der niederländische Widerstand gegen den Nationalsozialismus geschwächt wurde, weil über fünfzig von Groß-Britannien aus eingeflogene Agenten in die Falle der Gestapo gingen. Die niederländischen Agenten wurden nach Mauthausen ins Konzentrationslager deportiert, wo 47 von ihnen zwischen dem 6. und dem 8. September 1944 erschossen wurden. Nach der Internierung wurde Giskes aus den Niederlanden abgeschoben und schrieb sein Buch über das „Englandspiel“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über Giskes liegen nur wenige Informationen vor. Sein autobiografisch angelegter Erlebnisbericht über das „Englandspiel“ lüftet zwar, so der Autor, seine Identität als Agent[1], enthält aber keine Angaben über seinen Werdegang beim Militär und über seine Internierung nach Kriegsende bis zur Veröffentlichung des Buches 1949 in den Niederlanden. Danach wurde zwar sein Buch im niederländischen und britischen Parlament zitiert, über seine Person wurde auch dabei in der Öffentlichkeit nichts bekannt. Die Akten aus der britischen Internierung und aus den staatsanwaltlichen Ermittlungen in den Niederlanden sind nicht ausgewertet.

Giskes war Kriegsteilnehmer am Ersten Weltkrieg [2]. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war er Major der Abwehr[3] und war zunächst in Paris und dann als Leiter der militärischen Abwehr III F für die Niederlande in Scheveningen eingesetzt.

Operation Nordpol

Mahnmal für die 54 Opfer in Den Haag.

Die „Operation Nordpol“ begann im März 1942 in Den Haag, als die Funküberwachung der Ordnungspolizei das Funkgerät des aus England eingeflogenen Niederländers und britischen Leutnants Huub Lauwers ortete und ein von Giskes gedungener Verräter bei der Identifizierung und Festnahme half. Mit dem sichergestellten Funkgerät konnte nun ein „Funkspiel“ inszeniert werden, bei der die Gegenstelle über die wahre Identität getäuscht wurde und sich auch fahrlässigerweise täuschen ließ. In den folgenden zwanzig Monaten wurden von britisch-niederländischer Seite weitere Geräte geliefert und die bis zu vierzehn Funklinien kontinuierlich ausgebaut. Deutsche Funktechniker übernahmen die technische Operation, Giskes und der Gestapokommissar Joseph Schreieder die Beantwortung und scheinbare Durchführung der Befehle aus London. Es wurden dabei über zweihundert Luftabwürfe von Kriegsmaterial entgegengenommen und über fünfzig mit dem Fallschirm abgesprungene Agenten festgenommen.

Während der zwei Jahre war nicht nur der Widerstand in den Niederlanden betroffen, sondern es fielen den Deutschen auch, nach den Aussagen von Giskes und Schreieder, Material und Informationen für den Widerstand in Polen, in der Tschechoslowakei und in den besetzten Gebieten der Sowjetunion in die Hände und die Bewegungen in der Schleuse von Brüssel über Paris nach Spanien, auf der unter anderem auch abgestürzte Kampfflieger in Sicherheit gebracht werden sollten, waren im Belieben der Deutschen. Ebenso stand es im Belieben von Giskes, die Frachtflugzeuge nach der Ablieferung abschießen zu lassen. Schließlich verhinderten Giskes und Schreieder auch, dass die niederländischen Widerstandsgruppen zu einem Schlag gegen die Niederländische Kollaboration und die Führer der Nationaal-Socialistische Beweging kommen konnten.

Das Englandspiel musste beendet werden, als zunächst zwei und dann noch einmal drei Agenten aus dem Gefängnis in Haaren entkamen. Schreieder, der der Vorgesetzte für das Gestapo-Sondergefängnis war, schob die Schuld für den Ausbruch Giskes zu, da dieser für zu lockere Haftbedingungen gesorgt habe.

Giskes hatte sich im Sommer 1942 vom Reichssicherheitshauptamt schriftlich und formell das Wort geben lassen für die Sicherheit von Leib und Leben aller Agenten, [4] tatsächlich überlebten von den Agenten nur wenige, darunter Lauwers, der im Gefängnis Haaren blieb, als die Mitgefangenen nach Assen und von dort nach Mauthausen deportiert wurden, und auch Beatrice Terwindt, die einzige Frau unter den Agenten, die ebenfalls mit dem Fallschirm in die Arme der Gestapo sprang. Sie trug in der Lagerhaft in Ravensbrück schwerste seelische Schäden davon.

Bei der Umorganisation der militärischen Abwehr und ihrer teilweisen Unterstellung unter das Reichssicherheitshauptamt blieb Giskes Wehrmachtsangehöriger und wurde als Oberstleutnant Kommandeur des „Frontaufklärungskommandos 307“, dem seine III F-Dienststelle in Holland und die in Belgien und Nordfrankreich unterstellt wurden.[5] Giskes gelang es noch, mit Christiaan Lindemans den Doppelspion „King Kong“ anzuwerben,[6] allerdings gingen nach der Alliierten Invasion die Aktionsmöglichkeiten der Gegenspionage im Rückzug der deutschen Wehrmacht unter. „King Kong“ sollte sich von den vormarschierenden alliierten Truppen überrollen lassen und hinter deren Linien operieren.[7] Lindemans spielte eine Rolle im Verrat der Operation Market Garden, er beging am 18. Juli 1946 in Haft Selbstmord.

Die Verbrechen der von Giskes geführten Einheiten wurden mit den Besonderheiten der Gegenspionage begründet, Giskes behauptete von sich und seiner Truppe eine besondere Ritterlichkeit.

Nach Kriegsende wurde Giskes interniert und intensiv befragt. Im Camp 20[8] bei Hemer war sein Gegenüber der damalige britische Abwehroffizier Robert Maxwell.

Giskes veröffentlichte 1950 seine Erinnerungen über das Funkspiel „Nordpol“, in dem er seine Mitwirkung im Dritten Reich als „schicksalträchtiges Erleben“ in einer „apokalyptischen Zeit“ verstand. Gleichzeitig versuchte er sich abzugrenzen von den „parallel laufenden Aktionen der deutschen Sicherheitspolizei in Holland (Deckname Englandspiel)“ [9], womit aus seiner Sicht Joseph Schreieder gemeint war, der wiederum schob die Verantwortung für die Ermordung der KZ-Häftlinge auf die Reichsführung der SS.

Als Giskes Buch 1953 in englischer Übersetzung erschien, wurde dort eine parlamentarische Untersuchung abgelehnt, da es nicht im öffentlichen Interesse sei, Angelegenheiten des Geheimdienstes öffentlich zu debattieren [10].

Foto

Eine Fotografie Giskes befindet sich beim Georg-Elser-Arbeitskreis.[11]

Werkausgaben

  • Abwehr III F de duitse contraspionnage in Nederland. Amsterdam, De Bezige Bij, 1949.
  • Spione überspielen Spione. Hansa Verlag Josef Toth: Hamburg 1951. Mit einem Nachwort von H.M.G. Lauwers, S.305-343 und einem Nachwort des Autors, S. 345-351
  • London Calling North Pole. British Book Centre: 1953
  • Neuauflage: „London ruft Nordpol“. Das erfolgreiche Funkspiel der deutschen militärischen Abwehr. Bastei Lübbe: 1982 ISBN 3-404-65046-8

Literatur

  • Josef Schreieder: Das war das Englandspiel. Verlag Walter Stutz: München 1950
  • Michael Graf Soltikow: Empfang um Mitternacht. Verlag der Sternbücher: Hamburg 1956
  • Philippe Ganier-Raymond: Le Réseau Étranglé. Arthème Fayard: 1967.
  • Leo Marks: Between Silk and Cyanide: A Codemaker's Story 1941-1945. HarperCollins: 1998 ISBN 0-684-86780-X
  • Hans Schafranek: Unternehmen „Nordpol“. Das Englandspiel der deutschen militärischen Abwehr in den Jahren 1942 - 1944. In: Hans Schafranek / Johannes Tuchel (Hrsg): Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg. Picus-Verlag: Wien 2004, S.247 - 291.

Film

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Giskes, Spione, Nachwort, S. 345f
  2. „als junger Infanterist durch den ganzen Dreck des ersten Weltkriegs gegangen“, Giskes, Spione, S. 19
  3. wurde 1939 Mitglied der Abwehr nationalarchives
  4. Giskes, Spione, S. 348
  5. Giskes, Spione, S. 271.
  6. Giskes, Spione, S. 242ff.
  7. nationalarchives
  8. nationalarchives unklar: 1945 Jun 23-1945 Jul 25
  9. Giskes, Spione, S. 347f
  10. Time, 10. August 1953
  11. Foto Giskes

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