- Joseph Schreieder
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Joseph Schreieder (* 15. August 1904 in München; † unbekannt) war ein deutscher Polizeibeamter der Gestapo, der in den besetzten Niederlanden bei der Aktion Englandspiel niederländische Widerstandskämpfer gefangennehmen, sie foltern und ins KZ Mauthausen deportieren ließ, wo sie erschossen wurden. Nach vier Jahren Internierung wurde er in den Niederlanden am 31. Januar 1949 freigelassen.
Inhaltsverzeichnis
Polizeikarriere im Nationalsozialismus
Schreieder war in München Schüler an der Luitpold-Oberrealschule, begann zunächst als Rechtsanwaltsgehilfe und wurde 1923 Beamtenanwärter bei der Polizei im Einfachen Dienst. Ab 1932 wechselte er zur Politischen Polizei, zu dem Zeitpunkt war er gerade zum Kriminalsekretär befördert worden. 1933 wurde er dem stellvertretenden Führer der bayerischen Polizei Reinhard Heydrich unterstellt und begann eine steile Karriere bei der Polizei. Gemeinsam mit Oberführer Heydrich unterschrieb er am 12. Juli 1933 einen Bericht an den Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp, in dem die Schutzhaft in Dachau und die Einziehung des Vermögens von Thomas Mann begründet wurde. Mann war allerdings am 11. Februar 1933 ins Ausland gegangen und konnte nun von dort nicht mehr zurückkehren [1].
1934 wurde Schreieder Mitglied der SS, in der er 1943 den Rang eines SS-Sturmbannführers (Major) erreichte, 1937 wurde er Mitglied der NSDAP[2]. Im Polizeidienst erreichte er 1944 den Rang eines Kriminaldirektors.
1938 wurde er Grenzpolizeikommissariatleiter, zunächst in Lindau, dann nach dem Anschluss in Bregenz. Auf der Schweizer Seite versuchte Paul Grüninger die Grenze für Flüchtlinge aus Österreich offenzuhalten, Schreieder hat das nicht behindert[3], da die Juden im Deutschen Reich noch bis Oktober 1941 zur Auswanderung gezwungen wurden. Schreieder habe Grüninger nach dessen Suspendierung als St.Galler Polizeikommandanten im Frühjahr 1939 eine hohe Stelle bei der SS-Polizei angeboten[4][5].
Am 24. März 1939 kam es in Liechtenstein zu einem Putschversuch der Volksdeutschen Bewegung. Kriminalkommissar Schreieder von der Grenzpolizei Bregenz musste anschließend gemeinsam mit dem Landrat in Feldkirch Ignaz Tschofen und dem Landesstatthalter von Vorarlberg Rudolf Kopf an einer Besprechung mit dem liechtensteinischen Regierungschef Josef Hoop teilnehmen, da SA-Einheiten aus Vorarlberg nach Liechtenstein vordringen wollten[6], die drei Deutschen mussten zusagen, solches zu verhindern.
Deutsche Besetzung der Niederlande
Ab dem 15. August 1940 war er Leiter der Abteilung Gegenspionage beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD Wilhelm Harster im Referat IV E (Geheime Staatspolizei) in den besetzten Niederlanden. Gemeinsam mit Major Hermann Giskes, dem Leiter der militärischen Abwehr III F, gelang es ihm, den von Großbritannien aus unterstützten niederländischen Widerstand zu unterwandern und zu unterdrücken. Durch Maßnahmen der Gegenspionage wurden 54 niederländische Agenten in dem sogenannten Englandspiel („Nordpol ruft London“) verhaftet und nach Mauthausen ins Konzentrationslager deportiert, wo 47 von ihnen zwischen dem 6. und dem 8. September 1944 erschossen wurden.
Einer der von Schreieder gefangen genommenen war der niederländische Olympionike von 1936 Ernst de Jonge[8]. Schreieder sorgte auch bei ihm dafür, dass er in ein Konzentrationslager deportiert wurde, sein Verbleib konnte allerdings niemals geklärt werden[9]. Ein anderer niederländischer Olympionike von 1936, dort „der schnellste Weiße der Welt“ mit zwei Bronzemedaillen, war Martinus Osendarp, der im Oktober 1943 in Den Haag der SS beitrat und mit Schreieder kollaborierte.
Am 16. Mai 1945 wurde Schreieder in Rotterdam festgenommen und wurde zunächst in der britischen Zone in Deutschland interniert und von der britischen Spionageabwehr ausführlich zu den Vorkommnissen beim „Englandspiel“ verhört. Beim Prozess gegen den niederländischen Verräter Anton van der Waals[10] wurde er als Zeuge verhört, van der Waals erhielt die Todesstrafe und wurde 1950 hingerichtet. Gegen Schreieder wurde zunächst in Den Haag ermittelt: „Wegen des Verdachts von Straftaten im Rahmen der Spionageabwehr war das Verfahren 480715 von der StA beim BG/BS Den Haag eingestellt worden“ [11]. In Leeuwarden wurde das Verfahren „mangels neuer Verdachtsgründe eingestellt“.
- "Dit is de plaats waar 13 Friese jonge mannen in april 1945 te Dronrijp werden gefusileerd. Is Schreieder hiervan de schuldige?" [12]
In einem weiteren Prozess ging es in Leeuwarden um eine Vergeltungsmaßnahme wegen eines Anschlags auf eine Eisenbahn[13]. „Von der Erschiessung gegen Kriegsende in Dronrijp wurde er freigesprochen“. Schreieder wurde am 17. März 1949 nach Deutschland abgeschoben[14].
Staatsdienst in Bayern
Über seine Entnazifizierung ist nichts bekannt, er wurde wieder in den bayerischen Staatsdienst aufgenommen und brachte es noch zum Oberregierungsrat. Er veröffentlichte 1950 sein Buch über das Englandspiel. Das Braunbuch nennt ihn als einen der Entlastungszeugen, die bei der Verteidigung der wegen Kriegsverbrechen angeklagten NS-Verbrecher aktiv waren[15]. Er war auch für Radio Freies Europa in München tätig und arbeitete dort mit seinem ehemaligen Gegner Erik Hazelhoff Roelfzema zusammen[16].
Über das weitere Leben ist nichts bekannt. Der Schweizer Historiker Stefan Keller hatte bei seinen Recherchen zu Paul Grüninger Kontakt mit Frau Schreieder[17], zu dem Zeitpunkt lebte Joseph Schreieder nicht mehr, das Buch wurde 1993 veröffentlicht.
Schreieder als Gegenstand der Literatur
Zu dem Spionagethema „Englandspiel“ gibt es große Anzahl von publikumsorientierten Darstellungen und auch Spionageromanen, in denen auch die Person Schreieder vorkommt. Auch Grace Stoddard hat dazu einen Beitrag geleistet:
- Nach der Operation Market Garden trifft der gefangen genommene britische Offizier und Agent Keith Armstrong [18] im Gestapo-Quartier in Arnheim auf „Oberstleutnant Joseph Schreider“ [19] . „Schreider“ verhört Armstrong, misshandelt ihn und versucht ihn zu erpressen. Armstrong und seine Mitgefangenen werden danach ins KZ Buchenwald deportiert.
Foto
Prozessfotos, aufgenommen beim Sondergerichtshof Leeuwarden 1949 (Prozess Schreieder), befinden sich im Niederländischen Nationalarchiv[20][21].
Werke
- Das war das Englandspiel, Verlag Walter Stutz, 1950
- Het Englandspiel, Holkema & Warendorf, sd., Amsterdam
Literatur
- Hermann J. Giskes, London ruft Nordpol. Bastei Lübbe, 1982. ISBN 3-404-65046-8
- Hans Schafranek: Unternehmen 'Nordpol'. Das Englandspiel der deutschen militärischen Abwehr in den Jahren 1942 - 1944. In: Hans Schafranek / Johannes Tuchel (Hg): Krieg im Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg. Picus-Verlag: Wien 2004, S.247 - 291.
- Grace Stoddard, No cloak no dagger, Wheatmark Inc 2008 ISBN 9781604941449; (Kapitel 9 berichtet über Joseph Schreider)
- Guus Meershoek, Machtentfaltung und Scheitern. Sicherheitspolizei und SD in den Niederlanden, in: Paul, Gerhard [Hrsg.], Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 200, S. 383ff , Englandspiel S. 391f
- Manfred Stoppel: Uns wächst eine herrliche Jugend heran!: die Geschichte der Hitlerjugend in Vorarlberg von 1930-1945, 2004, ISBN 3-8334-1259-3, u.a. S. 134, 135 Eingeschränkte Vorschau bei Google Books
Weblinks
- Literatur von und über Joseph Schreieder im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek und auf anderen Websites
Film
- London ruft Nordpol / Londra chiama Polo Nord in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database Italien 1955, Regie Duilio Coletti, Mitwirkender: Curd Jürgens
Einzelnachweise
- ↑ Paul Egon Hübinger , Thomas Mann und Reinhard Heydrich in den Akten des Reichsstatthalters v. Epp , in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1/1980, S. 111ff
- ↑ dort als Joseph Schreider (!): SS #107 184 , NSDAP # 3 970 994 Verzeichnis der SS-Mitglieder (Numery członków SS, polnisch)
- ↑ Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe. Rotpunktverlag, Zürich 1993
- ↑ Switzerland 05-09-2004
- ↑ Bei Bickenbach kommt Schreieder nicht vor. Grüninger wurde demnach 1939 von einem „Zollagenten Süß“ angesprochen, im Reich als Politischer Beamter im Osten eine Verwendung zu erhalten. Wulff Bickenbach: Gerechtigkeit für Paul Grüninger. Verurteilung und Rehabilitierung eines Schweizer Fluchthelfers (1938-1998). Böhlau Verlag Köln 2009., S. 201, Anm. 177. „Hauptmann Süss“ war 1942 in der Münchener Abwehrstelle VII und wird bei der Verhaftung von Wilhelm Schmidhubers genannt
- ↑ Regierungschef Josef Hoop bespricht den Putschversuch mit Vertretern der Vorarlberger Behörden [1] # Peter Geiger, Die Rolle Feldkirchs und Vorarlbergs für Liechtenstein 1938/39 [2]
- ↑ ZIJ SPRONGEN IN DE DOOD VOOR ONZE VRIJHEID. "ENGLANDSPIEL" 1942 - 1944. In dankbare herinnering aan de 54 Nederlandse agenten en allen die vielen in het inlichtingenwerk. Gefangen werden velen van hen dit gebouw binnengevoerd.
- ↑ siehe niederländische Wikipedia nl:Ernst de Jonge.
- ↑ Tony Bijkerk, FROM OLYMPIAN TO SECRET AGENT.THE REMARKABLE CAREER OF JONKHEER ERNST W. DE JONGE, in : ISOH International Society of Olympic Historians, dasselbe auch unter [3]
- ↑ siehe niederländische Wikipedia nl:Anton van der Waals, im Internet gibt es eine Fotografie von Schreieder beim Prozess
- ↑ siehe auch Dokumente aus den Verhören 1945-1947 bei Nederlands Instituut voor Militaire Historie
- ↑ nationaalarchief
- ↑ Fundstelle: Staatsarchiv. An der Stelle befindet sich heute ein Mahnmal (Foto vom Mahnmal).
- ↑ BG/BS Leeuwarden 490131, BRvC 490622, „Freispruch + Verfahren eingestellt“ NS-Prozesse in NL oder am 18. Mai 1949 Krantenarchief18 maart 1999 ?
- ↑ Braunbuch, Abschnitt: ANKLAGE VON NÜRNBERG
- ↑ zu Roelfzema siehe niederländische Wikipedia nl:Erik Hazelhoff Roelfzema. Zu der Zusammenarbeit siehe NiederlandeNet und hier die Zitate der beiden über ihre Zusammenarbeit als Antikommunisten: [4]
- ↑ Switzerland 05-09-2004
- ↑ Armstrong beschreibt kriegerisch, wie von seinen Leuten Generalmajor Friedrich Kussin in seinem Citroen erschossen wurde (S. 52)
- ↑ Stoddard, S. 58 bis 63, abweichende Schreibung des Namens. Siehe auch: google books
- ↑ nationaalarchief
- ↑ Harald Fühner: Nachspiel. Die niederländische Politik und die Verfolgung von Kollaborateuren und NS-Verbrechern, 1945–1989, Münster 2005 hier
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