Joseph Schlippe

Joseph Schlippe

Joseph Schlippe (* 23. Juni 1885 in Darmstadt; † 28. Dezember 1970 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Architekt, Stadtplaner und Baubeamter. Er war Oberbaudirektor der Stadt Freiburg im Breisgau.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Ausbildung und Tätigkeit als akademischer Lehrer

Joseph Schlippe wurde am 23. Juni 1885 als Sohn des hessischen Ministerialrats Paul Angelus Schlippe und seiner Frau Rosa in Darmstadt geboren, besuchte dort das humanistische Gymnasium und studierte an der Technischen Hochschule Darmstadt von 1903 bis 1910 Architektur. In Frankfurt am Main legte er das Examen zum Regierungsbaumeister (Assessor in der öffentlichen Bauverwaltung) ab. Ab 1915 arbeitete er beim Militärbauamt in Charlottenburg. Gleichzeitig promovierte er in Darmstadt mit einer Arbeit über Louis Remy de la Fosse, einen französischen Architekten des Barock. Nach dem Krieg unterrichtete er an der Technischen Hochschule Darmstadt.

Architekt und Stadtplaner

Die nächsten beruflichen Stationen waren das Reichsneubauamt Koblenz, das Reichsbauamt Darmstadt und das Reichsvermögensamt Wiesbaden, wo jeweils diverse Bauten nach Schlippes Entwürfen entstanden. 1925 wurde Joseph Schlippe Nachfolger von Karl Gruber als Vorstand des Städtischen Hochbauamts in Freiburg im Breisgau. Ebenfalls ab 1925 bis 1952 war er technischer Geschäftsführer der Siedlungsgesellschaft Freiburg.

Ab 1945 war er mit ausdrücklicher Billigung der französischen Besatzungsmacht der Leiter des Freiburger Wiederaufbaubüros. Als er 1951 als Leiter des Hochbauamtes in Pension ging, wurde sein langjähriger Mitarbeiter Hans Geiges zu seinem Nachfolger.

Der Wiederaufbau Freiburgs

Für die durch die Bombardierung im November 1944 schwer beschädigte Altstadt entwickelte Schlippe einen Wiederaufbauplan. Er sah im Wesentlichen die Beibehaltung der alten Straßenzüge vor. Der Stadtplan von Freiburg galt ihm als historisches Denkmal des Mittelalters. Für die Kaiser-Joseph-Straße ersann Schlippe zur Ausweitung der Fußgänger-Verkehrsfläche offene Laubengänge in den Häuserfassaden (im Volksmund fälschlich "Arkaden" genannt, obwohl sie nicht durchweg über Bögen verfügen). Dieses Konzept hatte Schlippe bereits vor der Zerstörung Freiburgs entwickelt und konnte es nun realisieren. Die historische Legitimierung als vermeintlich mittelalterliche Bauform leitete man von dem Vergleich mit den Laubengängen der Altstadt von Bern ab, die wie Freiburg von der Dynastie der Zähringer gegründet wurde. Es gibt jedoch keinen Beleg, dass es Laubengänge im mittelalterlichen Freiburg gegeben hat. Ebenso hatte Schlippe schon vor 1944 seine Ideen zu einer Bereinigung und Vereinfachung der üppig dekorierten historistischen Häuserfassaden der Freiburger Innenstadt vorgelegt. Sein Ideal war eine schlichte, zurückhaltende Architektur. Ebenso wie die Stilimitationen des Historismus lehnte er jedoch die moderne Stahl- und Glasarchitektur ab. Gegen die Fensterbänder und Glasfronten der Moderne setzte er als Ideal die "Lochfassade", bei der die Fenster als Löcher in der Mauer des Bauwerks erscheinen. Seine generationstypische Ablehnung der Gründerzeitarchitektur führte ihn dazu, die Bereinigung auch solcher Bauten zu fordern, die unbeschadet den Krieg überstanden hatten. So setzte er den Abriss der neogotischen Giebelaufsätze des Schwabentors ebenso durch wie die Zerstörung des neobarocken Giebels des Stadttheaters. Auch in seiner Tätigkeit als Denkmalpfleger in Baden veranlasste er ähnliche Aktionen.

Denkmalpfleger

In den Jahren 1910–1915 widmete sich Schlippe denkmalpflegerischen Arbeiten in Frankfurt am Main. Er nahm dort den Peterskirchhof zeichnerisch auf und führte konservatorische Maßnahmen zur Erhaltung der Grabmäler durch. Seit dem Jahr 1929 war er Leiter des Fachausschusses für Denkmalpflege des Landesvereins Badische Heimat. Ab 1934 folgte die Tätigkeit als ehrenamtlicher Bezirkspfleger der Kunst- und Altertumsdenkmäler im Amtsbezirk Freiburg. Während des Zweiten Weltkrieges war er von 1940–1944 nebenamtlich staatlicher Denkmalpfleger im Elsass. Nach dem Krieg war er von 1946–1948 kommissarischer Leiter des badischen Landesdenkmalamtes. Dem folgte in den Jahren 1951–1956 die Tätigkeit als Leiter des Badischen Landesamtes für Denkmalpflege und Heimatschutz, das 1952 zum Staatlichen Amt für Denkmalpflege im Regierungsbezirk Südbaden umbenannt wurde. Ab 1956 widmete sich Schlippe der Inventarisierung der Kunstdenkmäler der Stadt Freiburg (unvollendet).

Rezeption

Der gemäßigt konservativen Haltung Schlippes, die von großem Respekt vor dem Phänomen der mittelalterlichen Stadt geprägt war, verdankt Freiburg die Rekonstruktion seines schwer zerstörten Stadtbildes. Die radikalen Modernisierungsplanungen, die in anderen Städten zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der historischen Stadtanlagen führten, verhinderte er. Den Versuchen, eine moderne Architektur in Freiburg zu etablieren, stellte er sich in den Weg. Seine Tätigkeit als Denkmalpfleger war für die Zeit wegweisend. Sein Unverständnis für die architektonischen Leistungen des späten 19. Jahrhunderts veranlassten ihn dazu, seine ästhetischen Vorurteile mit vermeintlich "denkmalpflegerischer" Begründung mittels Abriss unliebsamer Bauelemente durchzusetzen.

Ehrungen

Werk

Bauten

  • Kasernenneubau in Königstein im Taunus, ab 1924
  • Siedlung Laubenkolonie (200 Wohnungen) und Bauten am Nonnenmattenweg sowie Markgrafenstraße (75 Wohnungen) in Freiburg, 1929-31. Planung und Bauleitung: Städtische Hochbauamt unter Leitung Schlippes[1]
  • Ehem. Touristeninformation am Rotteckring, Freiburg, 1935–1936, (Gebäude mit Arkaden)

Schriften

  • Louis Remy de la Fosse und seine Bauten. Dissertation, Technische Hochschule Darmstadt 1916.
  • Das baukünstlerische Gesicht Darmstadts. Verlag Darmstädter Tagblatt, Darmstadt 1938.
  • Der Wiederaufbauplan für Freiburg. In: Die Neue Stadt, S.115 – 122, 1947.
  • Wie Freiburg wiedererstehen soll. In: Freiburger Almanach 1950. S.13 – 47.
  • Der Mindelsee und seine Umgebung. Hegau-Verlag Kugler, Singen 1980. (als Mitautor)
  • Freiburgs Baudenkmäler und ihre Wiederherstellung. In: Freiburg in Trümmern 1944–1952. Walter Vetter (Hrsg.), Freiburg 1982.
  • Darf eine Stadt heute noch anheimelnd sein? In: Badische Heimat 1999, S. 526f. (posthum veröffentlicht)
  • Das Haus der Badischen Heimat und sein Architekt Carl Anton Meckel In Mein Heimatland: Nr. 31, 1951, S. 195
  • Beiträge in der Schriftenreihe des Breisgau-Geschichtsvereines Schau-ins-Land:
Freiburger Bürgerhäuser der Louis-XVI.-Zeit, Nr. 72, S. 138-146.
Alt-Freiburger Gartenhäuser, Nr. 83, S. 115-129.
Der Basler Hof in Freiburg, Nr. 84/85, S. 160-192.

Literatur

  • Bernhard Vedral: Altstadtsanierung und Wiederaufbauplanung in Freiburg i. Br. 1925–1951. Zum 100. Geburtstag von Oberbaudirektor Prof. Dr.-Ing. Joseph Schlippe. 1985. (= Stadt und Geschichte, Heft 8)
  • Ulrich P. Ecker: Freiburg 1944–1994. Zerstörung und Wiederaufbau. Freiburg im Breisgau 1994.
  • Jürgen Gröning, Rüdiger Mag: 75 Jahre Siedlungsgesellschaft 1919–1994. Freiburg im Breisgau 1994.
  • Paul Bert: 1950-2000. Ein halbes Jahrhundert Bauen in Freiburg. In: Badische Heimat 1999, S. 531ff.
  • Adolf Schmid: Der Vater der Arkaden. In: Badische Zeitung vom 28. Dezember 2000.
  • Ute Scherb: ... den Geist des neuen Deutschland verkörpern. Der Freiburger Architekt Joseph Schlippe und die Gestaltung des „Neuen Straßburg“, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins "Schau-ins-Land" 125.2006, S. 169-184.
  • Schlippe, Joseph, Architekt u. Denkmalpfleger, 1885–1970, in: Baden-Württembergische Biographien, Bd.IV, 2007, S. 328.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vorbereitende Untersuchungen "Soziale Stadt Alt-Haslach" gemeinsam für Alt-Haslach. Freiburg, 2002.

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