- Karl Stumpp
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Karl Stumpp (* 12. Mai 1896 in Alexanderhilf, heute Dobroolexandriwka bei Odessa; † 20. Januar 1982 in Stuttgart) war ein Ethnograf schwarzmeerdeutscher Herkunft, der das „Auslandsdeutschtum“ im ost- und südosteuropäischen Raum erforschte. Während des Krieges gegen die Sowjetunion leitete Stumpp als SS-Mitglied das nach ihm benannte Sonderkommando Dr. Stumpp, das die Bewohner volksdeutscher Siedlungen klassifizierte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war Stumpp langjähriger Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Karl Stumpp wurde in der schwarzmeerdeutschen Siedlung Alexanderhilf bei Odessa geboren. Er besuchte das deutsche Gymnasium in Odessa und studierte zwischen 1918 und 1922 in Tübingen, wo er an der Gründung eines Vereins der studierenden Schwarzmeerdeutschen beteiligt war.
Da Stumpp nach dem Studium nicht mehr in seine mittlerweile zur Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehörende Heimat zurückkehren konnte, ging er ins benachbarte Bessarabien in Rumänien. Von 1922 bis 1933 war er Lehrer an der höheren Mädchenschule in Tarutino. Er untersuchte ehrenamtlich die Geschichte der Bessarabiendeutschen durch Nachforschungen in Gemeinde- und Kirchenbüchern. Von den Dörfern forderte er die Namen der Personen an, die aus Bessarabien ausgewandert waren. Ebenso machte er Erhebungen zur Fläche des Landbesitzes der Bessarabiendeutschen. Stumpp hielt Vorträge vor der deutschstämmigen Bevölkerung in Bessarabien und gründete eine Hochschulbücherei in Tarutino, was zur Gründung von deutschsprachigen Büchereien in weiteren bessarabiendeutschen Siedlungen führte. 1922 promovierte er über die deutschen Kolonien im Schwarzmeergebiet.
1933 ging Stumpp zurück nach Deutschland, wo er bis 1938 Landesgeschäftsführer des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland war. Danach leitete er die russlanddeutsche Geschäftsstelle des Deutschen Auslandsinstituts in Stuttgart und war Mitarbeiter der „Forschungsstelle des Russlanddeutschtums“ in Berlin.
Während des deutschen Russlandfeldzuges führte Stumpp im Auftrag des Deutschen Auslandsinstituts und des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete (RMO) in volksdeutschen Dörfer in der Ukraine ethnologische und genealogische Untersuchungen in volksdeutschen Siedlungen durch. Das von ihm geleitete 80-köpfige Sonderkommando Dr. Stumpp operierte als halbmilitärische Einheit von Sommer 1941 bis Sommer 1943 in der Ukraine.
Es fertigte zu mehr als 300 Dörfern im von der Wehrmacht besetzten Gebiet sogenannte „Dorfberichte“ an. Auch das Archivgut der umgesiedelten Russlanddeutschen sicherte das Kommando. Auf diesem Material und diesen Studien beruhten viele seiner späteren Werke. Stumpps Vorgesetzter im RMO in Berlin war Abteilungsleiter und Wannseekonferenzteilnehmer Georg Leibbrandt, ebenfalls schwarzmeerdeutscher Herkunft.
Bei seinem Einsatz in der Ukraine und damit auch in Transnistria 1941 kam Stumpp in Kontakt mit der Ermordung der Juden durch die Einsatzgruppen C und D und deren Helfer. Stumpp wird vorgeworfen, im Rahmen seiner ethnologischen Untersuchungen dort eine Liste mit 42.000 „untragbaren Juden“ aufgestellt zu haben. Ihm wird auch vorgeworfen, selbst an der Ermordung von Juden teilgenommen zu haben.[1]
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Stumpp bis 1957 als Gymnasiallehrer in Tübingen tätig. Er war langjähriger Vorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Er war auch Schriftleiter der Verbandszeitschrift Volk auf dem Weg. 1966 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für seine Verdienste um „Volk, Staat und Landsmannschaft“ verliehen.[2] 1975 bekam er die Verdienstmedaille des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart.
Veröffentlichungen
- Die deutschen Kolonien im Schwarzmeergebiet, eine siedlungs- und wirtschaftsgeographische Studie. 1922
- Von der Urheimat und Auswanderung der Deutschen aus Bessarabien. 1938
- Ostwanderung der Württemberger 1816 bis 1822
- Die Auswanderung aus Deutschland nach Russland in den Jahren 1763 bis 1862. 1974
- Die Russlanddeutschen - Zweihundert Jahre unterwegs. 1965
- Ein Leben für mein Volkstum in: Heimatkalender der Bessarabiendeutschen 1978, Hannover. 1978
Literatur
- Meir Buchsweiler: Volksdeutsche in der Ukraine am Vorabend und Beginn des Zweiten Weltkriegs - ein Fall doppelter Loyalität?, aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Bleicher, Gerlingen 1984, ISBN 3-88350-452-1. (Dissertation am Institut für Deutsche Geschichte der Universität Tel Aviv)
- Michael Fahlbusch: Im Dienste des Deutschtums in Südosteuropa: Ethnopolitische Berater als Tathelfer für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In: Mathias Beer, Gerhard Seewann (Hrsg.) Südostforschung im Schatten des Dritten Reiches. Institutionen, Inhalte, Personen. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2004, ISBN 3486575643, S. 175–214.
- Eric J. Schmaltz, Samuel D. Sinner: The Nazi Ethnographic Research of Georg Leibbrandt and Karl Stumpp in the Ukraine, and Its North American Legacy. In: Michael Fahlbusch, Ingo Haar (Hrsg.): German scholars and ethnic cleansing : 1919 - 1945. Berghahn Books, New York 2006, ISBN 1845450485, S. 51–85.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Historiker im Nationalsozialismus und die Historisierung des "Dritten Reiches" als Forschungsproblem
- ↑ Eric J. Schmaltz und Samuel D. Sinner: „The Nazi Ethnographic Research of Georg Leibbrandt and Karl Stumpp in Ukraine, and Its Norh American Legacy“, in: Ingo Haar und Michael Fahlbusch (Hrsg.): German Scholars and Ethnic Cleansing, 1919–1945. Berghahn Books 2005, S. 74. ISBN ISBN 1-57181-435-3. Dort unter Berufung auf Joseph S. Height: „Dr. Georg Leibbrandt: Scholar, Author, Publisher“, in: derselbe: Homesteaders on the Steppe: Cultural History of the Evangelical Lutheran Colonies in the Region of Odessa, 1804–1945. North Dakota Historical Society of Germans from Russia, Bismarck, N.D 1975, S. 396.
Kategorien:- Täter des Holocaust
- Person (Deutsche Besetzung der Ukraine 1941–1944)
- SS-Mitglied
- Vertriebenenthematik
- Bessarabien
- Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse
- Autor
- Geboren 1896
- Gestorben 1982
- Deutscher
- Mann
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