Karl von Roques

Karl von Roques
Karl von Roques als Angeklagter bei den Nürnberger Prozessen (1947)

Karl von Roques (* 7. Mai 1880 in Frankfurt am Main; † 24. Dezember 1949 in Nürnberg) war ein deutscher Offizier, zuletzt General der Infanterie im Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende wurde er im OKW-Prozess zu einer Haftstrafe von zwanzig Jahren verurteilt.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Karl Jerome Christian Georg Kurt von Roques entstammte einem hugenottischen Adelsgeschlecht. Die Vorfahren von Roques flohen vor der Verfolgung unter Ludwig XIV. ab 1685 nach dem Edikt von Fontainebleau. In Kurhessen waren die männlichen Mitglieder zunächst hauptsächlich Beamte und später Offiziere. Im 19. Jahrhundert gab es sechs Offiziere, darunter Großvater und Vater, in der Familie. Sein Vater Theodor war zum Zeitpunkt der Geburt von Karl Hauptmann und Kompanie-Chef im 1. Kurhessisches Infanterie-Regiment Nr. 81. Sein Vater brachte es bis zum Rang eines Generalmajor. Seine Mutter Hedwig war eine geb. von Tallen-Wilczewska. Karl von Roques wechselte bis zum Abitur sieben Mal wegen Versetzungen seines Vaters den Wohnsitz. Roques machte am 7. März 1899 Abitur am Wilhelmsgymnasium in Kassel. In erster Ehe heiratete er im Mai 1905 Caroline (genannt Lilly) von Apell, die im Februar 1935 starb. Im September 1936 heiratete er Marie Gertrud Keib, geschiedene Hellwig. Diese war seit Februar 1932 Mitglied der NSDAP, was Karl von Roques nie wurde.

Karl von Roques ist der Cousin des drei Jahre älteren Franz von Roques, später ebenfalls General der Infanterie und Befehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes.[1]

Militärdienst bis zum Ersten Weltkrieg

Karl von Roques trat nur zwei Tage nach dem Abitur am 9. März 1899 als Fahnenjunker ins 3. Kurhessische Infanterie-Regiment „von Wittich“ Nr. 83 der Kaiserlichen Armee in Kassel ein. Er wurde am 17. Oktober 1899 zum Fähnrich befördert. Roques wurde am 18. August 1900 zum Leutnant, das Patent wurde dabei auf den 30. Januar 1900 datiert, befördert. Am 1. Oktober 1908 wurde er für drei Jahre zur Kriegsakademie in Berlin versetzt. Damit war der Grundstein zu einem Aufstieg in höhere Ränge des Militärs gelegt, da beispielsweise 1909 nur 480 Offiziere zur Kriegsakademie abkommandiert wurden. Auf der Kriegsakademie wurde er am 18. Oktober 1909 zum Oberleutnant befördert. Anschließend war er Bataillonsadjutant im 83. Infanterieregiment. Am 1. April 1912 wurde er zur Generalstabsausbildung in den Großen Generalstab nach Berlin kommandiert. Beim Großen Generalstab in Berlin wurde er am 1. April 1914 zum Hauptmann befördert.

Erster Weltkrieg

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er zum Stab des VIII. Reservekorps versetzt. Mit dem VIII. Reservekorps nahm er am Westfeldzug teil. 1915 erfolgte ein Einsatz im Stab der 8. Ersatzdivision. Im Herbst 1916 wurde er dann als Erster Generalstabsoffizier (Ia) bei der 215. Infanterie-Division eingesetzt. Auch diese beiden Divisionen waren an der Westfront, genauer zwischen Maas und Marne bzw. in der Champagne, eingesetzt. Ab Februar 1917 erfolgte krankheitsbedingt sein Einsatz im Kriegsministerium in Berlin. Im Kriegsamt des Kriegsministerium war er mit der Beschaffung von Rohstoffen und Rüstungsmaterial beschaftigt. Er wurde am 18. Mai 1918 zum Major befördert. Er wurde während des Krieges mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet. Er erhielt zahlreiche weitere Orden verliehen.[2]

Zwischen den Kriegen

Nach Kriegsende wurde er in das Reichsheer übernommen. Er wurde wie nur 4000 andere Offiziere aus etwa 34.000 Offizieren der kaiserlichen Armee ausgewählt. Er blieb weiter im nunmehr Reichswehrministerium genannten Ministerium in Berlin eingesetzt. In der Heeres-Ausbildungsabteilung arbeitete er an Ausbildungsrichtlinien der Reichswehr. Am 1. Oktober 1921 wurde er als Generalstabsoffizier in den Stab der 2. Division der Reichswehr nach Stettin versetzt, wo er für die Ausbildung der Führergehilfen zuständig war. Die Führergehilfen-Ausbildung war eine getarnte Ausbildung von Generalstabsoffizieren, da diese nach den Bestimmungen des Versailler Vertrags verboten war. Am 1. Oktober 1923 wurde er dann Bataillonskommandeur des II. Bataillons vom 13. (Württembergischen) Infanterie-Regiment in Ludwigsburg. Mit seinem Bataillon wurde Roques kurz darauf gegen Anhänger der KPD in Sachsen eingesetzt. Er erwähnt in seinen Kriegserinnerungen die Eroberung der Stadt Plauen. Näheres über diesen Einsatz scheint nicht bekannt zu sein. Er wurde am 1. August 1924 zum Oberstleutnant befördert und am 1. Februar 1927 in den Stab vom 13. Infanterie-Regiment versetzt. Am 1. April 1927 wurde er als Ia zum Gruppenkommando 2 nach Kassel versetzt. Am 1. Februar 1928 wurde er zum Oberst befördert. Am 1. April 1929 erfolgte die Versetzung in den Stab vom 16. Infanterie-Regiment in Oldenburg. Zum 1. Oktober 1929 wurde er zum Kommandeur des 16. Infanterie-Regiments ernannt. Am 1. Mai 1931 wurde er zum Generalmajor befördert. Roques wurde am 1. Oktober 1931 zum Infanterieführer I in Allenstein ernannt. Da in der Reichswehr nur wenige Planstellen für höhere Offiziere vorhanden waren, erhielt Roques, wie die meisten Generalmajore auch, die Aufforderung, den Abschied einzureichen. Mit der Verabschiedung aus dem Dienst des Heeres am 31. Januar 1933 wurde ihm der Charakter eines Generalleutnant verliehen.

Am 1. August 1934 wurde Roques zum Vizepräsident und Chef des Stabes vom Reichsluftschutzbund (RLB) berufen. Der RLB unterstand dem Reichsluftminsterium und war für den zivilen Luftschutz im Reich zuständig. Er hatte 1933 fünf Millionen Mitglieder und vergrößerte die Mitgliederzahl bis 1939 auf 15 Millionen. Am 30. April 1936 wurde Roques dann zum Präsident vom Reichsluftschutzbund ernannt. Am 1. Oktober 1938 wurde er zum Generalleutnant befördert und in die Luftwaffe übernommen. Zum 1. Juni 1939 wurde er zum General z.b.V. beim Oberbefehlshaber der Luftwaffe Hermann Göring und im Reichsluftfahrtministerium ernannt. Bei der Verabschiedung aus dem aktiven Dienst der Luftwaffe am 30. Juni 1939 wurde Roques der Charakter eines General der Flakartillerie verliehen. Nach der Verabschiedung beschwerte sich Roques beim Luftwaffenpersonalamt darüber, dass er weder ein Schreiben noch ein handsigniertes Bild des Führers Adolf Hitler erhalten hatte. Ferner hätte er sich nicht bei Göring abmelden können und auch die Presse hätte keine Meldung über seinen Abschied gebracht. Das Luftwaffenpersonalamt beschied seinen Brief abschlägig. Nach dem Krieg behauptete Roques, er sei für die Beteiligung von Juden bei Luftschutzübungen eingetreten und deshalb entlassen worden. Schlüssige Beweise hierfür liegen nicht vor.

Zweiter Weltkrieg

Zum 1. Dezember 1939 wurde er Kommandeur der Infanteriedivision 142, einer neu aufzustellenden Division, ernannt. Im Mai 1940 gab er das Kommando über die Division wieder ab. Mitte Mai 1940 wurde er zur General z.b.V. III ernannt. Er war für die Ausbildung der in Belgien und Nordfrankreich stationierten Landesschützenbataillone zuständig. Vom 15. März 1941, kurz vor Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion, bis Ende Oktober 1941 war er Befehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes („Berück“) 103 in der Heeresgruppe Süd unter Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt. Am 1. Juli 1941 erfolgte seine Beförderung zum General der Infanterie.

Er scheint die jüdische Bevölkerung der Ukraine, also des Gebiets der Heeresgruppe Süd, grundsätzlich als Bedrohung der Sicherheit betrachtet zu haben. Am 16. August 1941 befahl Roques im rückwärtigen Heeresgebiet Süd: „Sabotageakte sind, sofern der Täter nicht zu ermitteln ist, nicht den Ukrainern, sondern den Juden und Russen zur Last zu legen; ihnen gegenüber sind daher Repressalien anzuwenden.“[3] Er legte jedoch Wert darauf, dass Morde und Massaker an Juden, die er befürwortete, von Polizei- und SS-Einheiten, nicht von Wehrmachtsangehörigen durchzuführen seien.[4] Er einigte sich zügig auf die Zusammenarbeit mit dem Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) Russland Süd Friedrich Jeckeln.

Ende Oktober 1941 wurde er in die Führerreserve des OKH versetzt. Am 14. Februar 1942 erhielt er für seine Leistungen im rückwärtigen Heeresgebiet das Deutsche Kreuz in Silber verliehen.[5] Am 1. Juni 1942 wurde er zum Kommandeur des rückwärtigen Armeegebietes („Korück“) im Gebiet der Heeresgruppe Süd ernannt. Nach der Teilung der Heeresgruppe Süd in die Heeresgruppen A und B wurde er dann am 20. Juli 1942 zum Kommandierenden General der Sicherungstruppen und Befehlshaber rückwärtigen Armeegebietes der Heeresgruppe A ernannt. Am 1. Januar 1943 wurde er wie einige andere ältere Offiziere vom Divisionskommandeur an aufwärts an der Ostfront in die Führerreserve versetzt. Im Rahmen der Aktion „Winterfestigkeit“ versetzte das Heerespersonalamt damals diejenigen Generale, „die den hohen Anforderungen des russischen Winters voraussichtlich nicht mehr gewachsen“ seien, in die Führerreserve. Am 31. März 1943 wurde Roques aus dem Dienst verabschiedet. Nach einem Urlaub reiste er im August 1943 als Beauftragter des DRK nach Warschau. Was genau seine Aufgaben waren, scheint unklar zu sein. Schon nach wenigen Wochen kehrte er ins Reich zurück. Nachdem seine Wohnung in Berlin bei einem Bombenangriff zerstört wurde, siedelte er nach Oberurff in Nordhessen um.

Nach Kriegsende

Anfang 1946 stellte Roques beim Landratsamt einen Antrag auf Armenunterstützung. Im Oktober 1947 wurden er und sein Cousin Franz von Roques zur Zeugenaussage nach Nürnberg geladen. Dabei ging es um die Vorbereitung des OKW-Prozesses, eines der zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse. Karl von Roques wurde am 5. Februar 1948 als einer von zwölf Generälen angeklagt, während sein Cousin nie belangt wurde. Vor Gericht versuchte sein Verteidiger nachzuweisen, dass Karl von Roques frei von persönlicher Schuld sei. Von Erschießungen und anderen Verbrechen in seinem Kommandobereich hätte er keine Kenntnis gehabt. Die Verteidigung versuchte nachzuweisen, wann Roques urlaubsbedingt abwesend war und zu welchem Zeitpunkt er keine Befehlsgewalt über bestimmte Verbände hatte, deren Berichte für die Anklage dienten. Andererseits musste Roques zugeben, von der SS persönlich über Judenerschießungen informiert worden zu sein. Am 28. Oktober 1948 wurde er zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Dies war das zweithöchste Urteil im dortigen Prozess. Sein Cousin Franz von Roques setzte sich, unterstützt von den beiden großen Kirchen, für ein Gnadengesuch ein. Im Mai 1949 wurde er aus dem Kriegsverbrechergefängnis Nr. 1 in Landsberg am Lech in ein Krankenhaus nach Nürnberg verlegt, da er u.a. an Sklerose litt. Auch zwei Operationen verliefen erfolglos. Am 24. Dezember 1949 starb er, kurz nachdem er krankheitsbedingt aus der Haft entlassen worden war.

Literatur

  • Jörn Hasenclever: Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion : Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete 1941–1943. Schöningh, Paderborn 2010. ISBN 978-3-506-76709-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jörn Hasenclever: Die Befehlshaber der rückwärtigen Heeresgebiete und der Mord an den sowjetischen Juden. In: Timm C. Richter (Herausgeber): „Krieg und Verbrechen: Situation und Intention / Fallbeispiele“. Meidenbauer, München 2006, S. 216. ISBN 3-89975-080-2.
  2. Rangliste des Deutschen Reichsheeres, Hrsg.: Reichswehrministerium, Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1930, S.109
  3. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2. Auflage Fischer. Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 507.
  4. Jörn Hasenclever; Timm C. Richter (Hrsg.): a.a.O., S. 211ff.
  5. Klaus D. Patzwall und Veit Scherzer: Das Deutsche Kreuz 1941-1945, Geschichte und Inhaber Band II, Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2001, ISBN 3-931533-45-X, S.554

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