- Charakteristische Funktion (Stochastik)
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In der Wahrscheinlichkeitstheorie ist die charakteristische Funktion einer reellwertigen Zufallsvariablen X auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,Σ,P) für folgendermaßen definiert:
Dabei bezeichnet den Erwartungswert. Man beachte, dass das Integral wegen immer existiert.
Besitzt X endliche Momente beliebiger Ordnung, so kann man die Exponentialfunktion als Potenzreihe darstellen und erhält die Reihendarstellung der charakteristischen Funktion mit den Momenten :
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Die charakteristische Funktion ist im Wesentlichen die inverse Fourier-Transformierte der Verteilung von X. Weiterhin ist die momenterzeugende Funktion von X.
Ist X eine reelle Zufallsvariable mit der Verteilungsfunktion F, dann gilt
Daraus ergeben sich die beiden folgenden wichtigen Spezialfälle:
- Ist die Verteilungsfunktion F absolut stetig mit der Dichtefunktion f, dann ist
- Ist F diskret mit Sprungpunkten in , dann gilt
Eigenschaften
Für eine charakteristische Funktion φ gilt für jede reelle Zahl :
Beschränktheit
Lineare Transformation
- φaX + b(t) = eitbφX(at) für alle reellen
Umkehrfunktion
Momenterzeugung
- für alle natürlichen , falls .
Insbesondere ergeben sich die Spezialfälle
Wenn für eine natürliche Zahl der Erwartungswert endlich ist, dann ist φX n-mal stetig differenzierbar und in eine Taylor-Reihe um 0 entwickelbar:
Ein wichtiger Spezialfall ist die Entwicklung einer Zufallsvariablen X mit und :
- mit
Definitheit
Jede charakteristische Funktion φ ist positiv semidefinit, das heißt es ist für beliebige reelle Zahlen und beliebige komplexe Zahlen
Umgekehrt ist jede positiv semidefinite und gleichmäßig stetige Funktion mit φ(0) = 1 eine charakteristische Funktion (Satz von Bochner).
Faltungsformel für Dichten
Bei unabhängigen Zufallsvariablen X1 und X2 gilt für die charakteristische Funktion der Summe Y = X1 + X2:
Dies folgt daraus, dass bei der Fouriertransformation aus der Faltung der Wahrscheinlichkeitsdichten
ein Produkt der charakteristischen Funktionen wird.
Eindeutigkeitssatz
Es gilt der folgende Eindeutigkeitssatz: Wenn X, Y Zufallsvariablen sind und φX(t) = φY(t) für alle gilt, dann ist , d. h. X und Y haben die gleiche Verteilungsfunktion. Folglich kann man damit die Faltung einiger Verteilungen leicht bestimmen.
Aus dem Eindeutigkeitssatz lässt sich der Stetigkeitssatz von Lévy-Cramér folgern: Wenn eine Folge von Zufallsvariablen ist, dann gilt (Konvergenz in Verteilung) genau dann, wenn für alle gilt. Diese Eigenschaft kann bei zentralen Grenzwertsätzen ausgenutzt werden.
Beispiele
diskrete Verteilungen:
- Ist X∼B(n,p) binomialverteilt, dann ist .
- Ist X∼P(λ) Poisson-verteilt, dann ist .
- Ist X∼NB(r,p) negativ binomialverteilt, dann ist .
absolutstetige Verteilungen:
- Ist X∼N(0,1) standardnormalverteilt, dann ist .
- Ist X∼N(μ,σ2) normalverteilt, dann ist .
- Ist X∼U(a,b) gleichverteilt, dann ist .
- Ist gammaverteilt, dann ist .
- Ist Standard-Cauchy-verteilt, dann ist φX(t) = e − | t | .
Als Folgerung ergibt sich mit obigem Eindeutigkeitssatz die Reproduktivität dieser Verteilungen.
Literatur
- Eugen Lukacs: Characteristic functions. Griffin, London 1960 (2., erweiterte Auflage 1970), ISBN 0-85264-170-2
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