- Oscar Fraas
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Oscar Friedrich von Fraas (* 17. Januar 1824 in Lorch in Württemberg; † 22. November 1897 in Stuttgart) war ein deutscher Pfarrer, Naturforscher und Geologe.
Inhaltsverzeichnis
Jugend und Studium
Oscar Fraas wurde am 17. Januar 1824 in Lorch am Hohenstaufen als Sohn eines Pfarrers geboren. Nachdem er den ersten Unterricht im elterlichen Hause empfangen hatte, ging er an die Lateinschule in Göppingen. Obwohl er sich seit früher Jugend zu den Naturwissenschaften hingezogen fühlte, beschloss er, auf Wunsch seines Vaters, den geistlichen Beruf zu ergreifen. Nachdem er das in Württemberg übliche Landexamen bestanden hatte, besuchte er zunächst das niedere Seminar in Blaubeuren und dann das Evangelisch theologische Stift in Tübingen.
Schon als Schüler und noch mehr als Student widmete er seine Freizeit seinen naturwissenschaftlichen Liebhabereien. Besonders sammelte er Pflanzen und Versteinerungen. In Tübingen hörte er neben seinen theologischen Studien auch Friedrich August Quenstedts Vorlesungen über Mineralogie, Geologie und Paläontologie, der ihn für diese Wissenschaften begeisterte und sich mit ihm befreundete. Er wurde durch Quenstedt zu kristallographischen Untersuchungen angeregt, sowie zu Studien über die schwäbischen Sedimentformationen und die darin vorkommenden Fossilien. Wie schnell sich von Fraas in diese Thematik einarbeitete, beweist die Tatsache, dass er bereits 1845 durch eine geognostische Aufnahme der Umgegend von Tübingen einen Preis der philosophischen Fakultät erhielt. Besonders lehrreich waren ihm verschiedene, gemeinsam mit seinem Lehrer ausgeführte größere Exkursionen, die ihn bis in die Alpen, nach Oberitalien und Südfrankreich führten.
Theologie
Nachdem er die theologische Prüfung bestanden hatte, war er zunächst bei seinem Vater, damals Dekan in Balingen, als Vikar tätig. 1847 hielt er sich in Paris auf, um die „école des mines“ zur Fortsetzung seiner Studien zu besuchen. Im Anschluss daran unternahm er eine wissenschaftliche Wanderung durch die Normandie und das südliche England. Als Frucht dieser Reise erschien 1850 im Jahrbuch der Mineralogie seine erste literarische Arbeit, der „Versuch einer Vergleichung des deutschen Juras mit dem französischen und englischen“.
Seit 1848 wirkte er als Pfarrvikar in Leutkirch, von 1850 bis 1854 als Pfarrer in Laufen an der Eyach. Hier gründete er einen Hausstand und sah bald eine zahlreiche Familie um sich.
Geologie
Da die Umgebung seines Wohnortes reich an Versteinerungen ist, legte er nicht nur selbst eine wertvolle Sammlung an, sondern lehrte auch seine wenig bemittelten Gemeindeglieder, wie sie sich aus Steinen Brot schaffen könnten, indem er ihnen ergiebige Fundorte zeigte und sie anwies, wie man dieselben zweckmäßig ausbeuten könne. Um die gesammelten Gegenstände im Interesse seiner Pfarrkinder bestmöglich zu verwerten, reinigte, bestimmte und ordnete er sie und richtete in seinem weitläufigen Pfarrhaus ein Musterlager ein, das bald ein Anziehungspunkt für Sammler und Forscher aus Nah und Fern wurde und aus dem selbst große öffentliche Museen ihren Bedarf an schwäbischen Jurafossilien für einen mäßigen Preis bezogen. Durch diese gemeinnützige und für die Wissenschaft höchst ersprießliche Tätigkeit wurde der Name des Lauffener Pfarrers bald nicht nur in den Kreisen der Geologen, sondern auch in ganz Württemberg bekannt.
Als 1854 die allerdings sehr bescheiden dotierte Stelle eines wissenschaftlichen Hilfsarbeiters für die geologischen, paläontologischen und mineralogischen Abteilungen im Königlichen Naturalienkabinett in Stuttgart frei wurde, bot man ihm dieses Amt an. Da ihn die Aussicht, ganz seinen Neigungen leben und seiner Wissenschaft weit intensiver als bisher nützen zu können, mächtig anzog, folgte er gern dem ehrenvollen Ruf und wurde so aus einem Theologen ein Geologe. In seinem neuen Wirkungskreis war er volle 40 Jahre hindurch tätig. Er lebte sich rasch in die neuen Verhältnisse ein und entwickelte sich infolge seines ausgezeichneten Gedächtnisses und seiner bewunderungswürdigen Arbeitskraft allmählich neben Quenstedt zum besten und gründlichsten Kenner der geologischen Verhältnisse Württembergs.
Bereits 1856 wurde er zum Konservator ernannt und durch den Professortitel ausgezeichnet. Besondere Aufmerksamkeit wendete er der vaterländischen Abteilung des Museums zu. Um sie dem Ideale möglichster Vollständigkeit nahe zu bringen, wanderte er unermüdlich sammelnd im Lande umher, so dass er bald eine der volkstümlichsten Persönlichkeiten Schwabens wurde und unter dem Namen Steiner-Fraas oder Höhlen-Fraas selbst in den abgelegensten Dörfern der Rauen Alb bekannt war.
Paläontologie und Anthropologie
Seine Bemühungen beschränkten sich nicht auf das geologische Gebiet, sondern sie erstreckten sich auch auf das paläontologische und anthropologische Untersuchungen. Er durchforschte zahlreiche Höhlen nach Knochenresten, von denen er für das Museum viele tausende erwarb und mit scharfem Blick und wachsender Sicherheit bestimmte. Seine Spezialitäten auf diesem Gebiet waren Säugetiere aus dem Tertiär und Pleistozän, Wirbeltiere aus dem Jura und Reptilien aus der Trias. Am ergebnisreichsten erwiesen sich seine 1860 vorgenommenen Ausgrabungen am Hohlenstein im Lonetal, sowie die in den 1870er Jahren durchgeführten Grabungen im Hohlefels und in den Ofnethöhlen im Nördlinger Ries.
Archäologie
Ebenso deckte er viele vorgeschichtliche Siedlungen und Gräber auf, so 1867 an der Schussenquelle eine höchst interessante paläolithische Niederlassung aus der Rentierzeit[1], später die altgermanischen Hügelgräber im Ludwigsburger Fürstenhügel und die alte heidnische Opferstätte auf dem Lochenstein. Als er an der Schussenquelle ausgrub, erkannte er vom Menschen bearbeitete und verzierte Geweihstangen und Feuersteingeräte. Mit dieser Erfahrung forschte er abermals im Lonetal und fand nun auch dort die Spuren der Eiszeitmenschen. Auch ins Ausland unternahm er mehrere Studienreisen, deren Ergebnisse nicht nur der ihm anvertrauten Sammlung, sondern auch der Wissenschaft im Allgemeinen zugute kamen. 1865 und 1866 durchzog er Ägypten, die Sinaihalbinsel und Palästina. 1875 folgte er einer Einladung Rustem Paschas, des Generalgouverneurs von Syrien, um als erster europäischer Gelehrter eine geologische Untersuchung des in dieser Hinsicht damals noch nahezu unbekannten Libanon zu veranstalten. Bei dieser Gelegenheit entdeckte er in den Höhlen des Wadi Djauz und am Nahr el Kelb äußerst bemerkenswerte vorgeschichtliche Reste und berichtete über den Weinbau im Libanon. 1882 endlich bereiste er in Gemeinschaft mit seinem Sohn Eberhard Fraas, der später sein Nachfolger im Amt wurde, Südfrankreich und Spanien. 1891 wurde er zum ersten Vorstand der Stuttgarter Naturaliensammlung ernannt. Drei Jahre später, nachdem er seinen 70. Geburtstag und sein 40-jähriges Dienstjubiläum gefeiert hatte, trat er in den wohlverdienten Ruhestand. Den Rest seines Lebens verbrachte er in beschaulicher Ruhe in seinem durch Natur und Kunst verschönten Landhaus bei Stuttgart. Hier ereilte ihn am 22. November 1897 ein sanfter Tod.
Würdigung
In Anerkennung seiner vielseitigen Wirksamkeit wurde er bei seiner Pensionierung in den Adelstand erhoben, und die naturwissenschaftliche Fakultät der Tübinger Universität überreichte ihm ihr Ehrendoktordiplom.
Oscar von Fraas war ein ungemein vielseitig begabter Mann von nie ermüdendem Fleiß, ungewöhnlicher Arbeitskraft, klarem Blick und sicherem Urteil, dazu stets bereit, sein Wissen und Können in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Deshalb wurde er vielfach in Ehrenämter und Vertrauensstellungen berufen. So wirkte er lange Jahre als Mitglied der Kommission zur Herstellung eines geognostischen Atlasses von Württemberg, als Berater des Ausschusses für die Verwaltung der staatlichen Sammlungen vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmale, als geognostischer Sachverständiger der württembergischen Eisenbahnbauverwaltung, sowie auch als Stadtverordneter. In politischer Hinsicht stand er der deutschen Partei nahe. Viele gelehrte und gemeinnützige Gesellschaften wählten ihn in den Vorstand oder zum Ehrenmitglied, so die Deutsche anthropologische Gesellschaft, die Leopoldino-Carolinische Akademie der Naturforscher, der Württembergische anthropologische Verein, der Verein für vaterländische Naturkunde, der Württembergische Weinbauverein und der Stuttgarter Gewerbeverein. Auch an Orden und sonstigen Auszeichnungen fehlte es ihm nicht.
Als Schriftsteller verstand er es, die Ergebnisse seiner Studien in allgemeinverständlicher und geschmackvoller Form darzustellen, ohne auf Gründlichkeit zu verzichten.
Werke
- Die alten Höhlenbewohner. Lüderitz, Berli 1872 (Digitalisat der ULB Düsseldorf)
Die wichtigsten unter seinen größeren Werken beschäftigen sich mit seiner württembergischen Heimat:
- „Die nutzbaren Mineralien Württembergs“ (1860)
- „Die geognostische Sammlung Württembergs“ (1869)
- „Die Fauna von Steinheim“ (1870)
- „Die Albwasserversorgung im Königreich Württemberg“ (1873)
- Monographie über die gepanzerte Vogeleidechse Aetosaurus ferratus (1877)
- „Württembergs Eisenbahnen mit Land und Leuten an der Bahn“ (1880)
- Geognostische Beschreibung von Württemberg, Baden und Hohenzollern (1882)
- Geognostische Profilierung der württembergischen Eisenbahnlinien (1883–1885)
Auch bearbeitete er teils allein, teils gemeinsam mit dem Offizier, Ingenieur-Topograph und Künstler Carl Philipp Heinrich Bach (1812–1870) und dem württembergischer Industriellen Karl Christian Ulrich Deffner (1789–1846) sowie dem Geognosten und Quenstedt-Schüler Jacob Hildenbrand (1826–1904):
- Sechzehn Sektionen der geognostischen Spezialkarte von Württemberg im Maßstab von 1 : 50000 einschließlich den zugehörigen Begleitworten
- Die geognostische Wandkarte von Württemberg, Baden und Hohenzollern in vier Blättern im Maßstabe von 1 : 280000 (1882)
- Den geognostischen Abschnitt in der vom Königlich statistisch-topographischen Bureau herausgegebenen Beschreibung und Geschichte des Hohentwiel (1879)
Einige andere seiner Schriften beschäftigen sich mit allgemeiner Geologie:
- „Vor der Sündflut, eine populäre Geschichte der Urwelt“ (1864)
- Die geologischen Wandtafeln (1871)
Drei weitere Veröffentlichungen enthalten Reiseerinnerungen:
- „Aus dem Orient“ (I: 1867, II: 1878)
- „3 Monate am Libanon“ (1876)
- „Reisebriefe aus dem Süden“ (1883)
Außerhalb seines eigentlichen Arbeitsgebietes liegt eine historische Untersuchung über die Nördlinger Schlacht des Jahres 1634:
- Oscar Fraas: Die Nördlinger Schlacht am 27. August 1634. Beck, Nördlingen 1869
Außer diesen größeren Werken hat er seit 1850 eine große Zahl von Abhandlungen geologischen, paläontologischen und anthropologischen Inhalts in verschiedenen Fachzeitschriften, namentlich im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, in der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft, in den Jahresheften des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg, in den Beiträgen zur Naturgeschichte der Vorwelt, im Archiv für Anthropologie und im Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie veröffentlicht.
Literatur
- Viktor Hantzsch: Fraas, Oscar von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 48, Duncker & Humblot, Leipzig 1904, S. 671–674.
- Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. Band XI, 1889, S. 43 ff. (mit Bild).
- E. Fraas: In: Leopoldina. Band XXXIV, 1898, S. 13–18 (mit Bibliographie).
- R. Krauß: In: Biographisches Jahrbuch. Band II, 1898, S. 146–148.
Einzelnachweise
- ↑ Oscar Fraas: Beiträge zur Culturgeschichte des Menschen während der Eiszeit. Nach den Funden an der Schussenquelle. – Archiv für Anthropologie 2,, 1867, S. 29-50
Weblinks
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- Geologe (19. Jahrhundert)
- Lutherischer Geistlicher (19. Jahrhundert)
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