SA-Gefängnis Papestraße

SA-Gefängnis Papestraße
Gebäude Werner-Voß-Damm 54a in dessen Keller sich das SA-Gefängnis Papestraße befand

Das SA-Gefängnis Papestraße befand sich von März bis Dezember 1933 im Keller des Gebäudes Werner-Voß-Damm 54a in Berlin. Dieses gehört zur ehemaligen Eisenbahnerkaserne Papestraße im Ortsteil Tempelhof. Das Gefängnis war eine Einrichtung der „SA-Feldpolizei“ (Fepo). Die SA-Feldpolizei beziehungsweise das SA-Feldjägerkorps (seit Oktober 1933) war eine von 1933 bis 1936 bestehende Sondereinheit innerhalb der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA). Im SA-Gefängnis Papestraße wurden über 2000 Menschen inhaftiert. Viele von ihnen wurden gefoltert und mindestens zwanzig – wahrscheinlich aber doppelt so viele – ermordet.[1]

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 hatte sich die Bedeutung der Eisenbahn für Truppentransport und Nachschub gezeigt. Deshalb wurde das 1. Eisenbahnregiment der Preußischen Armee begründet, dessen Aufgabe es war, diese Funktionen sicherzustellen. 1874/75 wurden dafür die ersten Gebäude in Schöneberg angrenzend an die Berlin-Anhalter Bahn gebaut. 1892 und ab 1905 wurden östlich der Berlin-Anhalter Bahn in Tempelhof zwei große Kasernenbereiche für zusätzliche Eisenbahnregimenter gebaut. Das heutige Gebäude Werner-Voß-Damm 54a diente um 1908 als Unteroffizierheim.[2]

Weimarer Republik

Nach dem Ersten Weltkrieg blieb das weitläufige Kasernengelände an der General-Pape-Straße in staatlichem Besitz. 1921 war hier das Hauptversorgungsamt und später das Finanzamt und verschiedene Gewerbetreibende untergebracht. Was in dieser Zeit mit dem Gebäude Werner-Voß-Damm 54a geschah, ist nicht bekannt. Anfang 1932 erhielt es die völkisch-protestantische „Christliche Kampfschar“, geleitet vom deutsch-baltischen Baron Wilhelm von der Ropp, und nutzte es bis zur Übernahme durch die SA-Feldpolizei als Wohn- und Schulungsheim für arbeitslose Jugendliche.[1]

SA-Gefängnis 1933

Die Inhaftierten wurden durch Gefangenennummern erfasst, mit denen die Häftlinge von der SA-Feldpolizei registriert wurden. Die erste bekannte Nummer ist Nr. 45 des Inhaftierten Leo Krell, die bisher höchste aufgefundene Nummer ist die 1842 des Häftlings Karl Klötzer zum Ende November 1933.

Viele der Inhaftierten waren KPD- und SPD-Mitglieder, Gewerkschafter und auch jüdische Ärzte und Rechtsanwälte. Darunter waren Persönlichkeiten wie der sozialdemokratische Schöneberger Stadtrat Franz Czeminski, der Arzt und Neurologe Fritz Fränkel, der Redakteur der „Roten Fahne“ Erich Gentsch, der Neurologe und Psychoanalytiker Kurt Goldstein, der Hellseher Erik Jan Hanussen, der Besitzer des „Kaufhauses Nathan Israel“, Wilfried Israel, und der Katholik Erich Klausener, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium.[1]

Besonders am Anfang der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten richtete sich die Aufmerksamkeit der SA-Feldpolizei gegen die Befürworter der Weimarer Republik, so beispielsweise: Max Sievers, Vorsitzender der Freidenker, er wurde nach der Besetzung seines Verbandshauses durch die SA im März in den Haftkellern der Papestraße inhaftiert, und Max Ebel, Geschäftsführer, sowie Walter Friedeberger, die beide bei der Besetzung des Hauptverbandes der deutschen Krankenkassen für die Berliner ärztlichen Ambulatorien verhaftet wurden. Max Ebel starb kurz nach der Inhaftierung unter ungeklärten Umständen im SA-Gefängnis Papestraße.

Es kam vielfach zu Massenverhaftungen und Denunziationen:

  • Im März wurden eine Gruppe von Bewag-Betriebsräten und etliche Angestellte des Arbeitsamtes Friedrichshain während ihrer Tätigkeit verhaftet und in der Papestraße festgehalten.
  • Im April wurde auch nahezu der gesamte Genossenschaftsvorstand der Schöneberger Siedlung Lindenhof – darunter Franz Czeminski – dort eingeliefert.
  • Im April führten die antijüdischen Maßnahmen und die Aufdeckung einer Schöneberger KPD-Gruppe zu vielen Inhaftierungen.
  • Als im Mai 1933 während der Auflösung der Gewerkschaften auch das Verbandshaus der Textilarbeiter von der SA besetzt wurde, war der Gewerkschaftsvorsitzende Martin Plettl unter denen, die in die Papestraße gebracht wurden.
  • Gerhard Rosenbaum zusammen mit seinem jüdischen Vater, einem Hausverwalter aus Schöneberg, im März 1933 aufgrund von Beschuldigungen eines Hausbewohners verhaftet und ins Gefängnis Papestraße gebracht
  • Arno Philippsthal, ein in Biesdorf niedergelassener jüdischer Arzt, kam im gleichen Monat, vermutlich ebenfalls aufgrund einer Denunziation, in die Haftkeller der SA-Feldpolizei.

Gerhard Rosenbaum und Arno Philippsthal starben beide an den dort erlittenen Misshandlungen.

Die Verhaftungsaktionen setzten sich fort: noch im September und Oktober 1933 kamen größere Gruppen von KPD-Mitgliedern der Bezirke Reinickendorf und Prenzlauer Berg in das SA-Gefängnis Papestraße.

Im SA-Gefängnis Papestraße waren auch Frauen inhaftiert, so die Widerstandskämpferin Minna Fritsch, Mitglied der KPD. Die Frauen wurden von den Männern getrennt inhaftiert. Ebenso existierte für Angehörige der SA und NSDAP, die wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Dienstvergehen einsaßen, ein eigener Haftraum.

Für die anschließenden Jahre 1934 bis 1946 fehlen Angaben zur Nutzung des Gebäudes.

Nach 1945

Andreas Nachama (Direktor der Stiftung Topographie des Terrors) und Petra Zwaka (Leiterin der Museen Tempelhof-Schöneberg) bei der Eröffnung des Gedenkortes "SA-Gefängnis Papestraße"

Infolge Bombenangriffe der Jahre 1944/45 wurden einige Gebäude des Kasernengeländes abgetragen. Das weniger beschädigte Haus Werner-Voß-Damm 54a konnte wiederhergestellt werden. Im Haus wurden kleinere Gewerbebetriebe und eine Großküche, die im Winter 1947/48 als Wärmestube diente, betrieben. Danach gerieten der Ort und die Ereignisse in Vergessenheit. Heute sind in dem Gebäude erneut Gewerbetreibende untergebracht. Raumaufteilung, Türen und Wandanstriche der Kellerräume sind jedoch weitgehend im Originalzustand erhalten, was dem Ort seine hohe Authentizität verleiht. Heute gibt es im Keller nur noch eine einzige originale Spur jener furchtbaren Zeit: An einer Kellerwand ist eine Bleistiftzeichnung mit dem Profil eines Kopfes zu sehen, der der Name eines Gefangenen in lateinischer und hebräischer Schrift hinzugefügt ist. Diese Spur wird durch eine Gedenktafel verstärkt, die in den letzten Jahren zusätzlich angebracht worden ist.[3] [4]

Seit 1992 wurde seitens des heutigen Bezirks Tempelhof-Schöneberg und des Landes Berlin zusammen mit der Geschichtswerkstatt Papestraße intensiv an der Realisierung einer Gedenkstätte für das Geschehene gearbeitet. Diese wurde als "Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße" am 7. April 2011 eröffnet.

Im Juni 1999 wurde in der Sektion 2 des Robert-Koch-Instituts, General-Pape-Straße 62, eine Ausstellung eröffnet, in der neben der Geschichte des SA-Gefängnisses exemplarisch die Lebensläufe einiger verfolgter Ärzte und Gesundheitspolitiker aufgezeigt werden, die in der Weimarer Republik Ansätze einer damals neuartigen Sozialmedizin verwirklichten. Es sind die Schicksale von Lydia Rabinowitsch-Kempner, Fritz Fränkel, Arno Philippsthal, Erich Simenauer, Kurt Goldstein, Max Leffkowitz, Max Ebel und Josef Kloppenborg[5].

Weblinks

 Commons: SA-Gefängnis Papestraße – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Gedenkstätte des SA-Gefängnisses Papestraße
  2. Geschichtsparcour Papestraße (PDF)
  3. Stadtumbau Berlin.de
  4. Deutsches Ärzteblatt
  5. Robert Koch-Institut (Hrsg.): Verfolgte Ärzte im Nationalsozialismus: Dokumentation zur Ausstellung über das SA-Gefängnis General-Pape-Straße, Eigenverlag Robert Koch-Institut Berlin 1999, ISBN 3-89606-030-9
52.47559565694413.370030075278

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