Schloss Erbach (Odenwald)

Schloss Erbach (Odenwald)
Hauptgebäude, Marktplatzseite

Das Schloss Erbach liegt im Zentrum der Stadt Erbach (Odenwald) und ist der Wohnsitz des Erbgrafen von Erbach-Erbach. Es entstand im hohen Mittelalter, der heute sichtbare Bestand geht aber im Wesentlichen auf Umbauten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Das Schloss beherbergt unter anderem die bekannten Antikensammlungen des Grafen Franz I. zu Erbach-Erbach.

Inhaltsverzeichnis

Mittelalterliche Burg

Aussehen des Schlosses 1623
Ansicht des Bergfrieds und der Brunnennische von der Hofseite
Blick im Burghof nach Osten auf den Archivbau

Älteste Zeugnisse von Gebäuden im Bereich des heutigen Erbacher Schlosses stammen aus dem 12. Jahrhundert, urkundlich erstmals erwähnt wurde die rund angelegte Wasserburg mit Mauer und Graben 1303. Die Herren von Erbach, als Bauherr vermutet wird Schenk Gerhard I., erbauten diese erste Burg in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf einer Insel der Mümling. Der Grund für den Bau könnten Sicherheitsaspekte vor dem Hintergrund eines zu dieser Zeit offenen Konfliktes sowohl mit den Vögten des Klosters Lorsch als auch mit den Pfalzgrafen bei Rhein gewesen sein.[1] Der Bergfried und das Schloss stehen auf in den Untergrund gerammten Eichenpfählen, die Anzahl wird mit zwischen 8.000 und 20.000 angegeben. Die Grundmauern mit einer Dicke von 1,85 Metern bilden auch den Kern des neuen Schlosses. Etwa von 1500 bis 1530 wurde diese Burg in ein Renaissanceschloss umgebaut, so wie es auf einem Bild des Überfalls kroatischer Reiterei während des Dreißigjährigen Krieges am 23. Juni 1623 zu sehen ist, lediglich der Fachwerkaufbau kam in der Zwischenzeit noch hinzu. Auffallend ist, dass die noch vorhandenen Gräben und Mauern gegen Beschuss keine Schutzfunktion mehr haben konnten, weil der Bau in seiner Höhe weit über diese hinausragte und damit ein leichtes Ziel bot. Die Anlage wurde beschädigt, gleichwohl konnte der kroatische Überfall insgesamt abgewehrt werden.

Bergfried

Der mächtige Bergfried (um 1200), mit Buckelquadern versehen, gehörte zur ursprünglichen Anlage, auch er steht auf einer Gründung aus Eichenpfählen. Seine Gesamthöhe beträgt 67 Meter, von denen 36 Meter gemauerter Turm sind, der Dachaufbau ist 31 Meterm hoch. Die Brunnennische wurde 1579 eingefügt. Der Turm hat bis zum Dach neun Stockwerke, die Mauerstärke beträgt im unteren Teil im Durchschnitt 2,40 Meter, im oberen geht sie auf etwa zwei Meter zurück. Die Buckelquader haben teilweise Längen von 1,40 Metern bei einer Schichthöhe von 44 Zentimetern, sie sind teilweise bis vier Tonnen schwer. Noch bis zur Oberkante der Wehrplattform in einer Höhe von 36 Metern sind bis zu einer halben Tonne schwere Steine verbaut. Die ebenfalls hölzernen Zwischendecken liegen auf mächtigen Konsolen, teilweise über eine Tonne schwer. Ab einer Höhe von 12 Metern befinden sich zahlreiche Steinmetzzeichen, insgesamt wurden über 400 von 19 verschiedenen Meistern gefunden. Es können aber auch noch sehr viel mehr sein, weil die Fläche des Turmes erst zu 20 % darauf untersucht wurde. Die unteren 4 Stockwerke (bis etwa 15 Meter Höhe) wurden beim Neubau des Schlosses 1736 als Treppenhaus umgebaut und dabei fünf Fenster eingesetzt.

Der gotische Turmhelm des Bergfrieds wurde 1497 aufgesetzt. Das Spitzdach ist in weitere sieben hölzerne Stockwerke unterteilt. 1747 und 1750 stürzten durch Stürme die Wetterfahne und der Turmknopf herab. 1993 wurde der Turm umfassend saniert und der Turmknopf erneuert.

Nebengebäude

Der ehemalige Burghof ist von einer Reihe von Nebengebäuden umgeben. Gegenüber dem Hauptgebäude befinden sich der Kanzleibau (1540), ehemals Kornhaus, der Alte Bau (1550), ein zweigeschossiges Gebäude mit Stallungen und Fachwerkobergeschoss und der Damenbau. An der dem Marktplatz zugewandten Seite stehen der Torbogen mit dem Archivbau (Bauinschriften von 1571 und 1593) und ein neobarockes Pförtnerhäuschen. Der Archivbau hat einen Treppenturm mit polygonalem Grundriss. Kasten- und Damenbau wurden nach einem Großbrand 1894 auf den alten Grundrissen leicht verändert wieder aufgebaut.

Burgsiedlung (Städtel)

Nördlich der Kernburg in einem Bogen der Mümling ließen sich im Mittelalter niederadlige Burgmannen nieder. Im Umfeld der Straße Im Städtel, wo sich neben der evangelischen Stadtkirche zahlreiche ältere Fachwerkbauten befinden, sind Teile von drei Burgmannenhöfen erhalten:

Die Häuser schließen sich teilweise eng an das Burggelände an. Da sie zusammen mit diesem die Insel der Mümling einnahmen, erhielt die Siedlung, die den Kern der Stadt Erbach bildete, eine eigene Ringmauer.

Barockanlage

Der Neubau des Schlosses begann ab 1736 durch Graf Georg Wilhelm zu Erbach-Erbach auf den Grundmauern der mittelalterlichen Burg. Die bis dahin nach wie vor vorhandenen Wasserläufe wurden zugeschüttet. Da das gräfliche Haus nicht über die entsprechenden Mittel verfügte, wurde von einer nach dem Vorbild des Saarbrücker Schlosses von Friedrich Joachim Stengel geplanten dreiflügeligen Anlage nur der Mittelteil verwirklicht. Erst 1902 wurde dem Schloss sein heutiges neobarockes Äußeres verliehen. Dazu zählen die Fensterumrandungen, das Schlossportal und der Balkon zum Marktplatz hin. Die Fassade besteht zum größten Teil nicht aus Sandstein, sondern aus entsprechend eingefärbtem Blech und Holz. Zum Schloss-Ensemble gehört auch die ebenfalls spätbarocke Orangerie mit dem Schlossgarten.

Sammlungen

Die Hirschgalerie
Ein Teil des römischen Antikenzimmers, in der Mitte die Vitrine mit dem Helm, der aus der Schlacht von Cannae stammen soll
Drei der in der Einhardsbasilika aufgefundenen Grabmäler

Mit den gräflichen Sammlungen des Schlosses Erbach hat sich fast unverändert die umfangreiche Antikensammlung des Altertumsliebhabers und Sammlers Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754–1823) so erhalten, wie er sie nach seinem und dem Verständnis der damaligen Zeit ordnete. Dieser „Kosmos“ ist in seiner Authentizität nahezu einmalig und ist nur mit dem Antiquarium der Münchner Residenz zu vergleichen.[2] Franz I. verfasste umfangreiche Kataloge, in denen er seine Sammlungen beschrieb und ordnete. Sie bestehen aus einer Antiken- und Mittelaltersammlung sowie einer natur- und jagdkundlichen Sammlung. Diese sind in verschiedenen dafür hergerichteten früh-historistischen Räumen und Raumfolgen des Schlosses aufgestellt:

Nach dem Tod des Grafen Franz I. kümmerte sich sein Enkel Eberhard XV. (1818-1884) intensiv um die Sammlungen seines Großvaters. Auf ihn geht ein Generalkatalog zurück, der alle Sammlungsbestände erfasst. Graf Eberhard hat eigene Sammlungen mit den Schwerpunkten Möbel und Kunsthandwerk aufgebaut. Diese sind in den Salons des Schlosses erhalten.

Aus der Einhardsbasilika in Steinbach wurden von 1773 und 1785 verschiedene Familiengrabmäler in die dem heiligen Nikolaus geweihten Schlosskapelle verlegt. Es sind in der Kapelle aber keine Verstorbenen beigesetzt; die in der Basilika aufgefundenen Gebeine wurden wie die der anderen Familienmitglieder in die gräfliche Gruft der Stadtkirche zu Michelstadt überführt.

Übernahme durch das Land

Im Jahre 2005 kaufte das Land Hessen für 13 Millionen Euro den größten Teil der Sammlungen und einen erheblichen Teil des Schlosses von der gräflichen Familie Erbach-Erbach. Das Schloss wurde dabei nach dem Wohnungseigentumsgesetz rechtlich geteilt. Der zweite Stock dient der Familie der Grafen von Erbach-Erbach nach wie vor als Wohnung. Das Land Hessen verwaltet seinen Anteil an Schloss und Sammlungen durch die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen.

Der Schöllenbacher Altar aus dem Jahr 1515 ist in der Schlosskapelle, der Hubertus-Kapelle, ausgestellt. Er befand sich ursprünglich in der Wallfahrtskirche in Schöllenbach. 1872 wurde er durch den Grafen von Erbach erworben und in die Kunstsammlung im Erbacher Schloss integriert.[5]

Literatur

  • Eduard G. Anthes: Die Antiken der Gräflich Erbach-Erbachischen Sammlung zu Erbach i[m] O[denwald]. Darmstadt 1885.
  • Magnus Backes: Hessen – Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. 2. Aufl. 1982, S. 207f.
  • Wolfram Becher: Michelstadt und Erbach - zwei romantische Städte im Odenwald. Hermann Emig. Amorbach 1980.
  • Klaus Fittschen: Katalog der antiken Skulpturen in Schloss Erbach = Archäologische Forschungen 3. Berlin 1977.
  • Brita von Götz-Mohr: Graf Franz I. zu Erbach-Erbach und seine Sammlungen im Schloss zu Erbach = Edition der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen. Broschüre 27.Schnell und Steiner, Regensburg 2007.
  • Georg Ulrich Großmann: Mittel- und Südhessen = DuMont Kunst-Reiseführer. Köln, 1995, S. 327 f.
  • NN: Schlösser – Burgen – alte Mauern. Hrsg.: Hessische Staatskanzlei. Wiesbaden 1990, S. 106f.
  • Roland Richter u.a.: Aus der Geschichte von Stadt und Grafschaft Erbach. Bd. 1. Historischer Verein für die Stadt und ehemalige Grafschaft Erbach e.V. Erbach 1989.
  • Thomas Steinmetz: Burgen im Odenwald. Verlag Ellen Schmid. Reinheim 1998, ISBN 3-931529-02-9.
  • Thomas Steinmetz: Die Schenken von Erbach. Zur Herrschaftsbildung eines Reichsministerialengeschlechts. Sonderheft 3 „Der Odenwald“, Zeitschrift des Breuberg-Bundes, Breuberg-Neustadt 2000, ISBN 978-3-922903-07-9
  • Hans Teubner und Sonja Bonin: Kulturdenkmäler in Hessen. Odenwaldkreis, Herausgegeben vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden 1998 (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland) S. 277–281, ISBN 3-528-06242-8
  • Paul Wagenknecht: Erbach 900 Jahre - Burg und Stadt. Erbach 1995.
  • Paul Wagenknecht: Der Bergfried der alten Wasserburg Erbach. In: Der Odenwald. Zeitschrift des Breuberg-Bundes. Heft 3, 2009, S. 94–114.
  • Peter Weber: Bilder aus der Geschichte unserer Kreisstadt Erbach, Bd. 2 aus der Reihe Aus der Geschichte von Stadt und Grafschaft Erbach, Historischer Verein für die Stadt und ehemalige Grafschaft Erbach e.V. Erbach 1989.

Weblinks

 Commons: Schloss Erbach (Odenwald) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Weber, Bilder aus der Geschichte unserer Kreisstadt Erbach, S. 17
  2. Fittschen, S. 3.
  3. Fritz-Rudolf Herrmann: Zur Geschichte der Archäologischen Denkmalpflege in Hessen auf der Webseite des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen.
  4. Erhard Ueckermann: Die Rehgehörnsammlung in Schloß Erbach/Odenwald. In: Zeitschrift für Jagdwissenschaft. Band 42, 1996, S. 61–72
  5. FAZ vom 26. August 2010, S. 54

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