St. Johannes Baptist (Steingaden)

St. Johannes Baptist (Steingaden)

Die ehemalige Prämonstratenser-Stiftskirche St. Johannes Baptist dient seit der Säkularisation des Klosters als katholische Pfarrkirche von Steingaden im Landkreis Weilheim-Schongau in Oberbayern. Die romanische Basilika wurde im 17. und 18. Jahrhundert barockisiert und gilt heute als eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten des „Pfaffenwinkels“.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Westfassade mit der Vorhalle
Kreuzgang und Kirche
Das romanische Westportal
Die „Welfengenealogie“ in der Vorhalle
Innenansicht nach Osten
Rückblick zur Orgel
Die Rokokokanzel
Der erhaltene Kreuzgangflügel
Die romanische Johanneskapelle

Das Prämonstratenserkloster Steingaden wurde 1147 durch Herzog Welf VI. vor seinem Aufbruch zum Kreuzzug gegründet und von Chorherren aus dem Stift Rot an der Rot besiedelt. Seit 1055 spielte das Gebiet am oberen Lech eine wichtige Rolle in der welfischen Hausmachtspolitik. Zu seinem Schutz entstanden die Burgen aus dem Schlossberg bei Peiting und die Veste bei Alt-Schongau (Altenstadt). 1073 gründete Welf IV. das Nachbarkloster Rottenbuch, das rasch zu einem bedeutenden Augustinerchorherrenstift aufstieg.

Die romanische Klosterkirche konnte bereits 1176 geweiht werden und ist noch weitgehend unter den späteren Überformungen erkennbar. Abt Caspar Suiter ließ den Bau von 1470 bis 1491 im spätgotischen Stil umgestalten und fügte die Vorhalle hinzu. Auch der romanische Kreuzgang wurde bei dieser Gelegenheit eingewölbt.

Im Bauernkrieg plünderten und brandschatzten die Aufständischen das Kloster. 1530 begann Abt Johannes Dimpt mit der Wiederherstellung in modernen Renaissanceformen. 1600 „verschönerte“ man die Kirche durch einige Freskenzyklen. Erhalten blieb hiervon nur die „Welfengenealogie“ in der Vorhalle.

Auch der Dreißigjährige Krieg ging nicht spurlos an der Klosteranlage vorüber. 1646 kam es zur erneuten Zerstörung, der Wiederaufbau konnte erst 1663 abgeschlossen werden.

Zur Sechshundert-Jahrfeier im Jahre 1747 beschloss der Konvent gegen 1740 die Neuausstattung des Kirchenraumes in aktuellen Rokokoformen. Die Arbeiten waren 1750 abgeschlossen.

Die Säkularisation des Klosters (1803) bedrohte auch das „Welfenmünster“. Während die meisten Klostergebäude abgerissen wurden, konnte das Gotteshaus zur Pfarrkirche umgewidmet werden und blieb so erhalten.

Von 1955 bis 1960 erfolgte eine gründliche Innen- und Außenrenovierung durch die Gemeinde. Weitere Sanierungsmaßnahmen zogen sich von 1967 bis 1993 hin.

Architektur

Steingaden repräsentiert wie die nahe Basilika in Altenstadt den Typus der alpenländischen querschiffslosen romanischen Basilika mit Doppelturmfassade und drei Apsiden. Die Nebenapsiden wurden allerdings nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg beseitigt.

Die Kirche ist innen 51 m lang (mit der Vorhalle 60 m) und 21 m breit. Die Höhe des Mittelschiffs beträgt 15 m. Außen ist die romanische Basilika noch deutlich zu erkennen. Im Westen steigen die beiden einfachen Türme bis zur Höhe von 35 m auf. Das alte Hauptportal hat sich in der spätgotischen Vorhalle gut erhalten. Das Tympanon (1964) ist allerdings eine freie Nachschöpfung des romanischen Originals (Fragment im Bayerischen Nationalmuseum in München).

Die Fensteröffnungen sind im südlichen Seitenschiff spätgotisch verändert. Die Obergaden des Mittelschiffes durchbrechen riesige, geschweifte Barockfenster (um 1740/50).

Die erhaltene Hauptapsis wird außen durch Blendarkaden mit Säulen und einen Zahnschnittfries unter der Dachtraufe belebt. Diese originalen hochmittelalterlichen Dekorationsformen finden sich auch an den Türmen und Hochwänden. Die einfachen Ziegelsatteldächer der Türme und des Hauptschiffs unterstreichen das eher karge Architekturbild, das in auffallendem Kontrast zum reich ausgestatteten Innenraum steht.

Innenraum

In der spätgotischen Vorhalle mit ihren Netzgewölben hat sich mit der „Welfengenealogie“ (Nordwand) ein Rest der Renaissanceausmalung erhalten (1951 freigelegt). Die Malereien zeigen die Stammfolge der Welfen vom Stammherrn Azzo bis zu Welf VII. und die Gründung der Klöster Rottenbuch und Weingarten. Das große Bildfeld rechts über der Tür illustriert den Leichenzug Herzog Welfs VI. (1191). Links neben dem spätgotischen Spitzbogen des Außenportals steht der Wappengrabstein des Hermann von Haldenberg († 1324)

Durch das gestufte romanische Säulenportal mit seinem modernen Tympanon gelangt man ins Hauptschiff der Basilika. Die hochmittelalterliche Substanz wurde mit einer prächtigen Rokokodekoration überzogen. Die Stuckaturen sind wahrscheinlich das Werk Franz Xaver Schmutzers (1740/42), die Fresken stammen vom Augsburger Akademiedirektor Johann Georg Bergmüller (1741/42). Die Gewölbeflächen zeigen im Osten die Vision des hl. Norbert, im Mitteljoch die Glorie des Heiligen, westlich ist die Gründung des Klosters Steingaden dargestellt. Die geschweiften Bildfelder der Hochwände ehren Heilige und Selige des Prämonstatenserordens. Auf der Unterseite der Westempore sieht man die Enthauptung Johannes des Täufers. Neben dem Haupteingang wachen die Ganzfiguren der Herzöge Welf VI. und Welf VII.

In deutlichem Kontrast zur reichen Rokokoausstattung des Mittelschiffs stehen die strengen, hochbarocken Stuckaturen des Chorbereichs und die – etwas lockeren – der Seitenschiffe. Die Engel, Ranken, Voluten und Kartuschen sind schematisch angeordnet (wohl Matthäus und Johann Schmutzer, 1663), die kreuzförmigen bzw. ovalen Mittelfelder tragen die Monogramme und Namen Jesu, der hl. Maria und Joseph und des Ordensgründers.

Ausstattung

Der viersäulige Hochaltar entstand um 1663. Als ausführender Meister wird Jörg Pfeiffer aus dem benachbarten Bernbeuren vermutet. Das Altarblatt zeigt die Einkleidung des heiligen Norbert (Johann Christoph Storer, Konstanz).

Auch die Seitenaltäre werden Pfeiffer zugeschrieben, die Retabel am Chorbogen kamen erst 1835 in die Kirche. Alle Altäre sind mit gemalten Altarblättern ausgestattet. Die Motive beziehen sich auf den Prämonstratenserorden, einmal sind auch die Vierzehn Nothelfer dargestellt. Die Seitenschiffe werden von zwei Altären der Tölzer Meister Franz und Joseph Anton Fröhlich (1770) abgeschlossen. Vier Säulen flankieren jeweils kleinteilige Figurengruppen.

Die prachtvolle Rokokokanzel (um 1745/48) am mittleren Nordpfeiler stammt von Anton Sturm aus Füssen. Über dem muschelförmigen Korb bekrönt ein Engel den reich verzierten Schalldeckel.

Das Chorgestühl (bez. H.S. 1534) überstand die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg. Die vordere Reihe kam erst 1962 hinzu.

Der Orgelprospekt datiert von 1743, die Beichtstühle wohl gegen 1747. Das Taufbecken im Nordschiff ist romanisch, die große Statue des hl. Johannes d. T. wird Anton Sturm zugeordnet (etwa 1745/48).

Das mittelalterliche Stifterhochgrab im Mittelschiff wurde im Bauernkrieg verwüstet und durch eine metallene Gruftplatte ersetzt. Seit 1747 flankieren an den Pfeilern Kenotaphe für die Herzöge Welf VI. und Welf VII. die Gruft. Die Rahmungen der von Johann Baptist Straub geschaffenen Arbeiten bestehen aus Rotmarmor, die Darstellungen und Dekorationen aus Bleiguss.

Kreuzgang

Von den Konventgebäuden hat nur der Westflügel (heute Pfarrhaus) die Säkularisation überstanden. Der zweistöckige Bau birgt in seinem Erdgeschoss die letzten erhaltenen Reste des ehemaligen Kreuzganges. Die neun romanischen Joche wurden in der Spätgotik eingewölbt. Nach außen öffnet sich der Kreuzgang in sieben dreiteiligen und zwei zweiteiligen Arkaden, die noch von barocken Blendbögen eingefasst werden. Die Säulenkapitelle zeigen unterschiedliche Ornamente, etwa Rosetten und Blattwerk. Am sechsten Joch springt die Brunnenkapelle aus der Mauerflucht, die dem heiligen Silvester geweiht war. Die Wände tragen spätgotische Fresken mit Darstellungen der Kreuzigung, Szenen aus dem Leben des heiligen Silvester, dem Schweißtuch der heiligen Veronika und anderem. Die spätgotische Wölbung zeigt die reiche Netzfiguration der Kreuzgangsjoche.

Johanneskapelle

Der romanische Rundbau auf regelmäßigen Sandsteinquadern wurde der Überlieferung nach gegen 1154 im Auftrag Herzogs Welf VI. errichtet und erinnert an die Grabeskirche in Jerusalem. Unter Abt Ulrich III. Griespeitel (1501–1523) soll sie an die heutige Stelle neben dem Westeingang des Friedhofes versetzt worden sein. Der Schlussstein des Netzgewölbes ist mit „1511“ bezeichnet. Außen deutet nur das gotische Spitzbogenfenster der Ostseite auf diesen Wiederaufbau hin. Die hochmittelalterliche Gliederung besteht aus Wandvorlagen mit Halbsäulen, deren Kapitelle einen Rundbogenfries stützen. Darüber läuft ein Zahnschnittband um den Bau. Die Westseite wird allerdings seit 1589 durch ein Torhaus verdeckt. Das rundbogige Nordportal besitzt noch sein altes Tympanonrelief mit den Halbfiguren des Erlösers zwischen Maria und Johannes. Links neben dem Portal sind zwei Löwenreliefs in das Mauerwerk eingefügt.

Innenraum

Nach der Säkularisation musste der Sakralraum als Holzlege herhalten. 1845 erwarb Reichsgraf Alfred Eckbrecht von Dürckheim-Montmartin die Kapelle, um sie ab 1853 zur Familiengruft umgestalten zu lassen, in der auch Karlfried Graf Dürckheim begraben liegt. Der neuromanische Steinaltar ist eine Schöpfung von Ludwig Foltz d. J. (1853), der an der Westwand hängende Totenschild stammt aus dem 20. Jahrhundert.

Friedhof

Auf dem Friedhof befindet sich das Grab von Dominikus Zimmermann, dem Baumeister der Wieskirche.

Literatur

  • Sigfrid Hofmann: Stift Steingaden. 1147–1803. Steingaden 1947.
  • Georg Paula, Stefanie Berg-Hobohm: Landkreis Weilheim-Schongau. Halbband 2. (= Denkmäler in Bayern, Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). Lipp, München 2003, ISBN 3-87490-585-3.
  • Hans Pörnbacher: Die Kirchen der Pfarrei Steingaden. (= Süddeutsche Kunstdenkmale; 27). Konrad, Weißenhorn 1997.
  • Franz Seraph Ringmeier: Die ehemalige Klosterkirche, nunmehr Pfarrkirche in Steingaden. Steingaden 1935.
  • Hugo Schnell: Stiftskirche Steingaden. (= Schnell & Steiner Kunstführer, Nr. 5). Schnell & Steiner, München 1954.

Weblinks

 Commons: St. Johannes Baptist (Steingaden) – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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