Collegium Gellianum

Collegium Gellianum

Aulus Gellius (durch die Zeit des Mittelalters auch irrtümlicherweise als Agellius bekannt) ist ein lateinischer Schriftsteller des 2. Jh. n. Chr. und schrieb das Werk Noctes Atticae.


Inhaltsverzeichnis

Sein Leben

Aulus Gellius wurde vermutlich in Rom geboren, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte und wo er wohl auch starb. Über sein Geburtsjahr sowie über sein Todesjahr werden Vermutungen angestellt, da beide nicht eindeutig gekannt sind. Aus Schriften und durch verschiedenste Kombinationen schätzte man sein Geburtsjahr auf 113, 123 oder meist auf 130 und sein Todesjahr auf etwa 180. Jedoch muss in diesem Zusammenhang auch erwähnt werden, dass aufgrund der Einstreuung autobiographischer Detailinformationen und Anspielungen auf zeitgenössische Persönlichkeiten für seine Geburt Daten von 107/08 bis 134 n. Chr. erarbeitet worden sind, während sein Todesjahr gänzlich unbekannt ist und sich nur auf Schätzungen beruft.

Schwierigkeiten entstehen auch bei der Lokalisierung der geographischen und sozialen Herkunft Gellius'. Einige Interpreten sehen in der Erwähnung eines Aufenthalts in der Stadt Praeneste einen versteckten Hinweis auf seine Herkunft, während andere diese in einer afrikanischen Kolonie sehen. Jedoch kann die afrikanische Herkunft ebenso wenig wie die Abstammung vom gens Gellia und so eine entfernte Verwandtschaft zum Historiker Gnaeus Gellius bewiesen werden.

Über Gellius' Person und Leben sind wir nur durch seine eigenen vereinzelten Hinweise informiert. Er studierte in Rom Grammatik bei Apollinaris Sidonius und Rhetorik wahrscheinlich bei Antonius Iulianus oder auch bei Marcus Cornelius Fronto, sodass er eine sehr gute Ausbildung genoss. In Rom wurde er später zum Richter der iudicia privata gewählt und übte daraufhin dieses Amt aus.

Ungefähr im Alter von 30 Jahren - mindestens in den Jahren 165-167 - weilt Aulus Gellius für weitere Studien, wie das der Philosophie, in Athen. Er trifft einige bedeutende Männer der Zeit, wie zum Beispiel:

Weitere Freunde und Bekannte waren Lukian von Samosata und Apuleius. Auch der berühmte Philosoph und Sophist Favorinus von Arelate übte einen sehr großen Einfluss auf ihn aus, sodass Gellius ihn als homo ille fandi dulcissimus bezeichnet.

Noctes Atticae

Entstehung

Sein einziges Werk, das Sammelwerk Noctes Atticae (lateinisch „Attische Nächte“), verfasste Gellius um das Jahr 170.

Benannt ist das Werk nach den langen attischen Winternächten, die Gellius in einem ländlich gelegenen Studio in Attika verbrachte, auch wenn er später in Rom daran weiterarbeitete. Dem Aufenthalt verdanken wir den Titel des Werkes:

quoniam longinquis per hiemem noctibus in agro ... terrae Atticae commentationes hasce ludere ac facere exorsi sumus, idcirco eas inscripsimus noctium esse Atticarum


Das Werk ist aber ebenfalls ein Spiegelbild der Atmosphäre des literarischen Salons des 2. Jahrhunderts, einer zweisprachigen Literaturepoche. Das in zwanzig Bücher gegliederte Werk – von Buch VIII sind nur die ausführlichen Inhaltsangaben erhalten – zählt zur Gattung der Buntschriftstellerei.

Form und Stil

Häufig verwendet Gellius nicht nur lateinische, sondern auch griechische Zitate von historischen Persönlichkeiten dieser Zeit, sodass die typische Zweisprachigkeit dieser Epoche vermittelt wird.

Er fügt streitende Grammatiker oder Philosophen und exakte Zitate in seine Texte ein, anstatt sich mit dem Thema bzw. mit dem Problem näher auseinanderzusetzen und dieses zu erörtern. Er nutzt direkte und indirekte Rede um Lebhaftigkeit zu erreichen.

Der Leser der Bücher erhält Orientierungshilfen wie eine Vorrede, Überschriften, ein Inhaltsverzeichnis oder Personenbeschreibungen die vor allem durch Gellius' Verwendung nach und nach verbreitet wurden.

Die Textform, auf die sich der Autor meist beruft ist mit einem Essay oder einer Anekdote zu vergleichen. Die Sammlung dieser Kurz-Essays kann als Miszellanwerk bezeichnet werden. Somit handelt es sich nicht um eine Enzyklopädie. Er ist in der Lage kompakte Texte durch eine Vorrede, die Erläuterung des Sachverhaltes und eine abschließende Moral zu einer stimmigen Gesamtheit zu formulieren.

Für diese Textart typisch ist sein Werk Noctes Atticae geprägt durch eine präzise Sprache. Diese wird unter anderem durch Archaismen unterstrichen, welche Gellius' Schreibweise näher charakterisieren.

Er führt den Leser durch seinen Stil zu den besonderen Kernstellen der Originaltexte und lässt darüber hinaus den Vermittler des Originals beim Leser vergessen werden. Er lässt sich als Pädagoge in diesen Texten außen vor. Hier liegt auch der Grund für die wenigen Details, die über sein Leben bekannt sind.

Nachdem die Texte auf den ersten Blick schlicht und prägnant zu sein scheinen, wird man dennoch eine Reihe von verschiedensten stilistischen Mitteln herausfiltern können, sodass die Texte am Ende in ihrer Gesamtheit literarisch sehr eindrucksvoll wirken. Jedes Wort verwendet er somit sorgfältig klang - und bedeutungsvoll im Text. Noctes Atticae lässt deshalb manchmal auf die fortwirkende Emblematik schließen.


Auswahl stilistischer Mittel, die Gellius in Texten gebraucht
Stilistisches Mittel Erklärung Beispiel
Alliteration Aufeinanderfolgende Wörter mit gleichem Anfangsbuchstaben antiques annalibus, consilium consultori, pugnam prospere pugnavisset
Anapher Wiederholung des gleichen Wortes/der gleichen Silbe am Satzanfang Ita versatus sum in provincia, qomodo ... Ita versatus sum in provincia, uti nemo ...; Consul tribuno respondit istud consilium sibi videri ... Consul tribuno gratias laudesque agit.
Figura etymologica 2 Wörter mit gleichem Wortstamm verbunden Manlius iterum scuto scutum pulsit ...
Homoioteleuton Wortreihe mit gleichen Endungen, Gleichklang ..., quam pulcherrimam esse...; ..., me omnium nationum postremissimum, nequissimumque
Parallelismus Satzbau parallel Vestes detractae sunt, virgis verberatus est.
Parenthese Pause durch Bindestriche ... - contra quam nos supra diximus -, sed rentam ...
Polyptoton Wortwiederholungen im Satz in verschiedenen Flexionsformen Consul tribuno responditistud consilium sibi ...;... ceteros omnes scriptores ... scripsisse illam puellam ...;
Polysyndeton Verbindungen durch gleiche Konjunktionen ...; quibus abunde et ingenii et otii et verborum est; ...

Des weiteren nutzt er häufig auch Inversion, Ironie, Antithese, Chiasmus, Hyperbaton, Ellipse, Hendiadyoin oder Klimax.

Inhalte

Es ist gleichzeitig als Lehr-, Sach- und Unterhaltungsbuch für seine 2 Söhne geschrieben worden, die er durch sein Werk mit Allgemeinwissen bilden will. Dadurch sind auch pädagogische Elemente in seinen Schriften enthalten. Es zählt somit zu den Erziehungsbüchern ad filium. Da sie oft eine offene Form haben, lehnen sie sich meistens an die Diatribe der Kyniker und Stoiker.

In seinen Texten setzt er sich unter anderem mit verschiedenen Problemen aus der Philosophie, mit Textkritiken, den Rechtswissenschaften und der Sakrallehre auseinander. Sein Werk stellt somit eine Widerspiegelung der Bildung und des Wissens der Kaiserzeit dar. Er hebt wichtige Informationen besonders hervor und erreicht deshalb die erzielte Knappheit des Textes. Er will seine Söhne zu standesgemäß gebildeten Menschen erziehen, die über die Gesellschaft, die Moral, das Recht, die Institutionen und die lateinische Sprache der Römer bestens Bescheid wissen und sich auskennen. Die Redlichkeit vermittelt Gellius seinen Söhnen auf moralischer, intellektueller Weise. Er greift Themen auf, wie zum Beispiel

  • Soziale Themen (ständeübergreifend; verschiedene soziale Schichten wie Richter, Ritter oder Prostituierte werden in seinen Texten erwähnt)
  • Realität und Traumwelt
  • Konflikte im Bezug auf das Erfüllen von Pflichten
  • Probleme unterschiedlicher Generationen
  • Juristische Themen
  • Themen der Sprache und Literatur
  • Wissenschaftliche / Technische Themen
  • Vergleich der römischen und griechischen Kultur

Quellen

Einige der zitierten Autoren hat Gellius gar nicht gelesen. Seine Angaben entstammen jedoch nicht nur Nachschlagewerken, sondern auch aus Zwischenquellen und Originaltexten, wobei er selbst jedoch nicht alle Quellen angibt. Zitate gibt er im Gegensatz zu manch anderen Autoren exakt wieder und teilweise enthalten seine Schriften originale griechische Texte.

Dass er besonders nach Quellen in guter lateinischer Sprache suchte, unterstreicht deutlich Gellius' Gefallen an den älteren Sprachweisen. Die Zweisprachigkeit bleibt dennoch bewahrt, sodass er sich zugleich mit römischen und attischen Schriftstellern auseinandersetzt. So vergleicht er zum Beispiel auch bewundernd die Autoren Caecilius Statius und Menander.

Zu den 275 Autoren, von denen Gellius Textauszüge sammelte und verarbeitete, zählten auch Cato, Cicero und Varro, welche am häufigsten von ihm zitiert werden. Anstatt Zeitgenossen zu zitieren, fügt er sie meist als redende Figur in die Texthandlung ein.

Gellius verwendet auch Zitate von Schriftstellern dessen Schriften im Laufe der Zeit verloren gegangen sind (wie zum Beispiel von M. Valerius Probus Berytius), was ihm eine noch größere Bedeutung als Schriftsteller zukommen lässt.


Bedeutende Passagen sind unter anderem durch den Einfluss von folgenden Autoren entstanden:

Bedeutung & Fortwirken

Gellius ist einer der Schriftsteller, der die Rechtswissenschaft, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte der Zeit vor und während der Kaiserzeit der Nachwelt sehr präzise übermittelt hat. Die Noctes Atticae, da sie die besondere Form der Miscellanschrift besitzen, haben eine zentrale Bedeutung für die Rezeption des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Sie vermitteln ein lebendiges Bild der Lese- und Bildungskultur. Dabei wird nicht nur vom Inhalt ausgehend, sondern auch von der narrativen Einkleidung der Werks, das geistige und kulturelle Interesse des kaiserzeitlichen Bildungsbürgertums gezeichnet.

Seine Bücher sind heute nur noch schwer lesbar. Das achte Buch ist gänzlich nicht mehr auffindbar und es existieren nur noch Inhaltsangaben darüber. Der Beginn des Vorwortes und das Ende des letzten Buches sind verloren. Die Überschriften der Kapitel des 8. Buches und die letzten Paragraphen des 20. Buches sind bekannt und erhalten geblieben. Im 7. Buch konnte eine Lücke durch Laktanz ergänzt werden. Von den Fortsetzungen ist höchstwahrscheinlich nichts von ihm veröffentlicht worden.

Während einige Autoren - wie zum Beispiel Nonius Marcellus, Macrobius, Erasmus - seine Texte bearbeiten ohne seinen Namen zu nennen, arbeiten auch andere Autoren mit dem Werk von Aulus Gellius. Laktanz übernahm einige Gedanken von Gellius in seine Schriften. So kam es, dass Augustin, welcher Gellius' Schriften über Affektenlehre der Stoa übernahm, Gellius als vir elegantissimi bezeichnete. Auch Marcellinus und Macrobius übernahmen Themen, Gedanken und Gliederungen von Gellius.

Zur Zeit des Mittelalters galt Gellius als sehr beliebt und so war auch Iohannes von Salisbury einer seiner Leser, denn derzeit entsprach er mit seiner Vermittlung der Allgemeinbildung und seinen moralischen Abhandlungen der Wissbegierde der Bevölkerung.

Als sein Nachfolger gilt der Buntschriftsteller Poliziano. Gellius wird auch bei anderen Autoren gerühmt. So erwähnt Hartmann Schedel ihn in seiner Weltchronik (1493). Auch der bekannte Essayschreiber Michel de Montaignes war ein Leser seines Werkes und setzt sich mit Gellius' Gedanken auseinander. Dieser übernahm auch den typischen Dreischnitt bestehend aus Vorrede, Erzählung und Moral und verbreitete ihn. Anhand von einem seiner überlieferten Sprüche Veritas Temporis filia setzt Francis Bacon den Gedanken fort, Menschen seien durch Autoritäten gehemmt gewesen, die Welt selbst zu erkunden.

Im Jahr 1641 wurde in Leipzig das sonntägige Collegium Gellianum gegründet. Es fand nach den Gottesdiensten statt und beschäftigte sich mit philologischen Fragestellungen und Problemen.

Die Nachwelt bezeichnet ihn oft als pecus aurei velleris.

Er ist für die Entwicklung des Begriffes des "Klassischen" oder für Erklärungen der Begriffe wie proletarius oder humanitas verantwortlich.

Gotthold Ephraim Lessing zitiert aus seinem Werk als Motto zu "Nathan der Weise" den Satz "Introite, nam et heic Dii sunt" (Tretet ein, denn auch hier sind Götter!) und vermerkt dazu "Apud Gellium". Ob er durch die Verankerung in der antiken Literatur seinem Theaterstück eine besondere Weihe verleihen will, ob er die Machart (indirekte oder direkte Zitate anderer Autoren, z.B. bei der Erzählung von den drei Ringen) oder ob er die Belehrung (Gellius hat sein Werk zur Belehrung seiner Söhne verfasst) in den Mittelpunkt stellt, ist eine Frage der Interpretation dieses Mottos.

Verweise

Literatur

Zu Ausgaben und Übersetzungen von Gellius’ Werk siehe auch Artikel: Noctes Atticae.

  • Leofranc Holford-Strevens: Aulus Gellius. An Antonine Author and his Achievement. Oxford University Press, Oxford 1989, überarbeitete Ausgabe 2005, ISBN 0-19-928980-8
  • Leofranc Holford-Strevens (Hrsg.): The worlds of Aulus Gellius. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-926482-1
    Aufsatzsammlung zum aktuellen Forschungsstand
  • Albrecht von, Michael: Geschichte der römischen Literatur : von Andronicus bis Boethius; mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit, Darmstadt : Wiss. Buchges. 1996, Bd. 2, S. 1174-1179. ISBN 342330099X
  • Der kleine Pauly: Lexikon d. Antike ; [in 5 Bd.] / auf d. Grundlage von Pauly's Realencyclopädie d. class. Altertumswiss. unter Mitw. zahlr. Fachgelehrter bearb. u. hrsg. von Konrat Ziegler u. Walther Sontheimer, Band 2, S. 726f. ISBN 342305963x
  • Lindermann, Jens-Olaf: Aulus Gellius. Noctes Acticae, Buch 9 - Kommentar. Berlin, 2006, Weißensee Verlag, ISBN 978-3-89998-097-4
  • Michael Dronia (Herausgeber): Transfer 1. Geschichten aus dem alten Rom. Aus Gellius, Noctes Atticae. (Lernmaterialien). Auszüge mit Lernmaterialien, Buchner Verl., Januar 2003, ISBN 3-766-15161-4

Weblinks


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