- Constaffler
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In der Constaffel (Konstaffel) waren während der Brunschen Zunftverfassung die Vertreter aus dem Ministerialadel sowie der Kaufmannschaft und der vornehmen Handwerkergeschlechter (Bürgerpatriziat) im Stadtrat der Reichsstadt und späteren Stadtrepublik Zürich zusammengefasst. In der Zeit von 1336 bis 1798 stellte die Constaffel 22 der insgesamt 68 Bürgermeister.
In sieben «Geschworenen Briefen» wurden während dieser 462 Jahre die wechselnde Zusammensetzung, Kompetenzen und Aufgaben des Rats festgelegt. Mit Aufhebung der Brunschen Zunftverfassung am 12. April 1798, dem Beginn der Helvetischen Republik, organisierten sich die Mitglieder der Constaffel in der gemeinnützigen «Gesellschaft zur Constaffel» – ihr Zunfthaus ist bis heute das «Haus zum Rüden» in Zürich.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsdefinition
«Constaffel» leitet sich vom lateinischen comes stabuli ab, was sinngemäss mit Stallmeister zu übersetzen ist, einem in Frankreich und England zuerst für den Inhaber des königlichen Haushofmeisters und später als Conétable oder Constable für den obersten Heerführer in Kriegszeiten üblichen Amtstitel. Als Constaffel (Konstaffel) wurde in Rechtstexten aber auch die Bewohnerschaft (Bürgerschaft) einer Burg, einer Stadt oder eines Stadtquartiers bezeichnet.[1]
Ausgangslage
- Hauptartikel: Geschichte der Stadt Zürich
Zürich zu Beginn des 14. Jahrhunderts
Um 1300 zählte die Reichsstadt Zürich zwischen 8'000 und 9'000 Einwohner (Wikipedia) respektive «… für das Jahr 1357, aus dem das älteste Steuerbuch stammt, wohnten in Zürichs Mauern 5'700 bis 6'850 Personen, während ausserhalb der Stadtmauer noch deren 300 bis 400 (Pfahlbürger) ansässig waren».[2]
Die ratsfähige Bevölkerung der «Burger» (sie wählte den Rat und stellte dessen Mitglieder) bestand aus den Stadtadligen – hervorgegangen aus den Ministerialgeschlechtern des Fraumünsterklosters – und aus reichsunmittelbaren Fernkaufleuten und vornehmen Handwerkergeschlechtern, der sogenannten «Notabel».[3][4]
Der Rat der Stadt Zürich im frühen 14. Jahrhundert
Der Rat der «Burger» wurde von der ratsfähigen Bevölkerungsminderheit gebildet und organisierte sich in drei einander abwechselnden Ratsgremien (dreigeteilter Rat), den ab Aschermittwoch tagenden «Fastenrat», den «Sommerrat» und den «Herbstrat», zusammengesetzt aus je 12 Mitgliedern der «Notabel» (Kaufmannspatriziat) und Ministerialen (Ritterstand). Das Amt des Vorsitzenden (Bürgermeister) entstand erst mit der Brun'schen Zunftverfassung vom Juli 1336.[5]
Die überwiegende Mehrheit der Stadtbevölkerung Zürichs, Gesinde, Leibeigene, Hörige und die Handwerker blieben Ende des 13. Jahrhunderts weitgehend ohne politische Rechte und Schutz, obwohl sie zunehmend am wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt beteiligt waren.
Im «Richtebrief» des Jahres 1291, bestätigt im Richtebrief von 1304 (dem ältesten schriftlichen Zürcher Stadtrecht)[6], hatte der Stadtrat aus Angehörigen der «Burger» – die im Rat vertretenen Kaufleute, die vornehmen Handwerkergeschlechter und Stadtadligen – die Bildung von Handwerksvereinigungen (Zünften) explizit untersagt, hingegen die Bildung von Innungen («Antwerke») erlaubt, beispielsweise der Kornmacher, Gerber und Hutmacher.[5]
1335 führte der Rat eine Währungsreform durch, die einseitig die Kapital besitzende Schicht, überwiegend Kaufleute und vornehme Handwerkergeschlechter begünstigte. Die Stadt Zürich war zusätzlich finanziell in einer schwierigen Lage, da 1330/31 viel Geld hatte aufgebracht werden müssen, um sich aus einer Verpfändung durch Kaiser Ludwig den Bayern an das Haus Habsburg auszukaufen und weiterhin die Reichsunmittelbarkeit zu sichern. Die Beziehung zwischen der Kaufmannschaft und den Handwerkern war also belastet, und die Handwerkschaft der Stadt Zürich wollte nicht länger aus dem Rat ausgeschlossen bleiben.
Andererseits dominierten die «Notabel» – die im Rat vertretenen Kaufleute und vornehmen Handwerkergeschlechter (Goldschmiede, Seidenfabrikanten, Tuchhändler, Geldwechsler, Salzleute u.a.) – den ursprünglich zu aus gleichen Teilen zusammengesetzten Rat der Stadt Zürich, so dass vor 1336 «… der regierende Rat der Stadt Zürich sich zu einem Drittel aus adligen Rittern und zu zwei Dritteln aus der bürgerlichen Notabel …»[7] zusammensetzte, d.h. der politische Einfluss des Stadtadels war deutlich reduziert.
Auf Seiten der «Notabel» hatte allein die Familie Bilgeri 1334 sieben Ratssitze inne, 1335 noch deren sechs. Weitere regierungsberechtigte Geschlechter waren etwa die Esslinger, Fink, Krieg, Meiss, Schmid, Schwend, Vogel etc.[6] Namentlich für das Jahr 1334 bekannte Ministeriale (niederer Stadtadel) sind Ülr. Manesse und Rüd. von Glarus («Fastenrat») sowie aus dem «Herbstrat» Götz Mülner, Lütolt von Beggenhoven, Johans Dietel und Heinr. Biber.[2]
Der Rat suchte seine Oberhoheit auch auf die Grundherrschaften und Lehen der adeligen Stadtbürger auszudehnen. Die Stadtadligen waren aus den Ministerialgeschlechtern des Klosters Fraumünster hervorgegangen. Ihr Einfluss basierte im Wesentlichen auf Grundbesitz und Lehen, im Gegensatz zur Kaufmannschaft, für deren Reichtum aus dem Handel und ihren politischen Einfluss die Geldwirtschaft essentiell war. Die Stadtzürcher Adligen verfolgten zudem eine den Kaufleuten entgegengesetzte Aussenpolitik: Es darf davon ausgegangen werden, dass der Stadtadel weiterhin Herrschaftsrechte in der Umgebung der Stadt erwerben wollte und dafür wie bis anhin Krieg und Fehden in Kauf nahm. Im Interesse der «Notabel» hingegen lag ein florierender Fernhandel und somit die Wahrung des Landfriedens, was die «Notabel» mit der von ihnen vor der Zunftrevolution rechtlos gehaltenen Handwerkerschaft geteilt haben dürfte.
Zunftrevolution vom 7. Juni 1336
- Hauptartikel: Brunsche Zunftverfassung
Indem der adlige Rudolf Brun wahrscheinlich geschickt diese Spannungen in der adligen und kaufmännischen Führungsschicht nutzte, kam es in Zürich wie in anderen Städten im Heiligen Römischen Reich zu einer Zunftrevolution gegen die im Rat vertretenen Kaufleute und vornehmen Handwerksgeschlechter, die sogenannten «Notabel».
Der vermutlich gut vorbereitete Aufstand der Handwerker und Adligen brach am 7. Juni 1336 mit einem Sturm auf das Rathaus aus. Die Mitglieder des vermutlichen tagenden «Sommerrats» konnten ihr Leben nur durch Flucht retten. Am 8. oder 16. Juni 1336[8] versammelten sich die Aufständischen im Franziskaner Barfüsserkloster, wo ihr Anführer, Rudolf Brun, von der Volksversammlung zum Bürgermeister der Stadt ernannt wurde. Die rechtzeitig geflohenen Räte wurden grösstenteils mit ihren Familien aus der Stadt verbannt und ihr Besitz wurde beschlagnahmt (siehe Mordnacht von Zürich).
Das «Stadtbuch» von 1292 bis 1371 enthält unter dem 7. Juni 1336 eine Verordnung, wie künftig die Bürgermeisterwahl und die Anerkennung der Regierung durch die Bürgerschaft zu erfolgen habe. Auf der ersten Linie ist «jungher R. Bruno burgermeister» (Junker Rudolf Brun) zu lesen. Das 1636 erstellte Inhaltsverzeichnis des Stadtbuches spricht von den «zwölf Banditen von 1336», welche damals die Stadt verlassen mussten.[5] Brun arbeitete die nach ihm benannte Brunsche Zunftverfassung – den sogenannten «1. Geschworenen Brief» – aus, die nach dem Vorbild des «Strassburger Schwörbrief» vom 17. Oktober 1334 gestaltet war. Mit einer am 2. April 1337 in Nürnberg ausgestellten und mit dem Mäjestätssiegel versehenen Urkunde bestätigt Kaiser Ludwig der Bayer den «Ersten Geschworenen Brief».[5]
Das Amt des Bürgermeisters
Dem Bürgermeister sicherte die neue Zunftverfassung lebenslänglich faktisch die Alleinherrschaft über die Stadt, und alle Bürger mussten einen umfassenden Eid auf seine Person ablegen. Um die Bürgermeisterwürde dauernd den adeligen Familien zu sichern, wurden im 1. Geschworenen Brief vier Ritter mit Namen genannt, wobei einer Bruns Nachfolger werden sollte – ab September 1360 Rüdiger Manesse. Der Bürgermeister amtierte bis zum Tod von Brun (1360) und von Rüdiger Manesse (1383) respektive einer ersten Revision der Verfassung um 1373 ganzjährig und war keiner Erneuerungswahl unterworfen.
Zusammensetzung des Rats nach der Zunftrevolution
Faktisch stellte die Zunftrevolution von 1336 eine Festigung der politischen Macht des Stadtadels zulasten des Bürgerpatriziats dar. Immerhin erlangte der Handwerksstand die ihm bislang verweigerte Vertretung im Rat der Stadt Zürich, wenn auch der tatsächliche politische Einfluss der Handwerkerzünfte zumindest bis 1384 eher gering gewesen sein dürfte.[7] Eine wesentliche Besserstellung war hingegen eine Veränderung des Zürcher «Burgerrechts»: Bis Juni 1336 konnten eigentlich nur alteingesessene freie Grundbesitzer sowie einige Beamte und Dienstleute «Burger» werden. Mit der neuen Verfassung jedoch wurden auch die ansässigen freien Handwerker zu Burgern (Bürgern) ernannt.
Ritter, Edelleute, Rentner und die bis Juni 1336 im Rat dominierende «Notabel» (Kaufleute, Tuchhändler, Geldwechsler, Goldschmiede und Salzleute) wurden in Anlehnung an den «Strassburger Schwörbrief» in der Constaffel[9] zusammengefasst.
Der «Kleine Rat»
Der «Kleine Rat» entsprach in seinen Aufgaben dem bisherigen dreigeteilten Rat. Nun organisierte er sich in zwei Ratsgruppen, dem «Natalrat» («Natale Domini» / «Geburt des Herrn»: 25. Dezember, Weihnachten) und dem «Baptistalrat» («Johannes Baptista» / Johannes der Täufer: 24. Juni, Johannistag).[9]
Die 26 Natalräte regierten in der ersten (ab 25. Dezember), die 26 Baptistalräte in der zweiten (ab 24. Juni) Jahreshälfte. Jede Ratsgruppe zählte 13 Constaffelräte – sechs Adlige und sieben Bürger aus der Constaffel – und 13 Zunftmeister.
Die Wahl der im Halbjahresrat je 13 Mitglieder der Constaffel, die die bislang übliche Bezeichnung Räte (Consules) beibehielten, erfolgte durch eine vom Bürgermeister ernannte Kommission von sechs Mitgliedern, von denen zwei dem Adelstand angehören mussten. Diesen standen im «Halbjahresrat» eine gleiche Anzahl von Zunftmeistern (Scabini) gegenüber. Die 13 Handwerkszünfte wählten je einen Zunftmeister für die zwei Ratsgruppen, einen Regierenden und einen Stillstehenden.
Im 15. Jahrhundert wurde der «Kleine Rat» aus zwei Halbjahresräten mit je zwölf Zunftmeistern (die Zünfte wurden auf 12 reduziert) und zwölf Constafflern sowie zwei Räten aus freier Wahl und den zwei sich abwechselnden Bürgermeistern gebildet.[5]
Der «Kleine Rat» war gleichzeitig Regierung, Parlament sowie oberster Gerichtshof. Dadurch, dass die Ratsherren gleichzeitig regierten und richteten, besassen sie eine enorme Machtfülle.
Mordnacht von Zürich und Zerstörung von Rapperswil
- Hauptartikel: Mordnacht von Zürich
Die neue, fragile Koalition zwischen Stadtadel, Handwerkschaft und Bürgerpatriziat wurde gleich zu Beginn zusätzlich belastet und führte im Zeitraum 8. Juni bis 18. Juli 1336 zur Verbannung von vermutlich 12 oder 22 bisherigen Räten und ihren Familien, von denen die Mehrheit aus dem Kaufmannspatriziat stammte.[9]
Die Mehrzahl der Verbannten flüchtete nach Rapperswil zu Graf Johann I. von Habsburg-Laufenburg, der sowohl bei der Stadt Zürich wie auch bei einzelnen der Verbannten verschuldet war und sich von deren Unterstützung wohl eine Tilgung der Schulden erhoffte. Unter seinem Schutz bildeten die Exilierten eine Gegenregierung des «äusseren Zürich» in Rapperswil.
Die Mordnacht von Zürich – auch als Zürcher Mordnacht oder Mord von Zürich bekannt – war im Grunde kein Einzelereignis sondern ein Kleinkrieg (Fehde) in den Jahren 1336 bis 1350 respektive 1355, der im Zusammenhang mit der Brunschen Zunftverfassung und den Schweizer Habsburgerkriegen betrachtet werden sollte. Beteiligt waren auf der einen Seite die Mitte des Jahres 1336 aus der Stadt Zürich verbannten Ratsmitglieder, die Exil gewährende habsburgische Stadt Rapperswil und Verbündete, gegen die Stadt Zürich und verbündete Adelsgeschlechter. Der Konflikt hatte langjährige Scharmützel zur Folge, die in der Nacht vom 23./24. Februar 1350 zur namensgebenden Mordnacht von Zürich und der Zerstörung von Rapperswil sowie zur Besetzung der Rapperswiler Besitzungen durch Zürcher Truppen führten. Die Zerstörung von Rapperswil hatte den «Bund von 1351» zwischen der Stadt Zürich und der Waldstätte zur Folge, und Habsburg-Österreich griff aktiv in die Kriegshandlungen ein, die mit dem Friede von 1355 vorerst endeten. Aus den Wirren um die Brunsche Zunftverfassung ging faktisch das Haus Habsburg als Sieger hervor. Seine Vormachtstellung in der Nordschweiz wurde gefestigt, und die Kontrolle über die Rapperswiler Besitzungen verblieb bis 1458 bei Habsburg. Bürgermeister Brun gelang es durch geschicktes Taktieren die Niederlage Zürichs zumindest in einen persönlichen Sieg umzuwandeln. 1356 schloss Zürich mit Habsburg einen Bund, der die Brunsche Zunftverfassung («1. Geschworener Brief») von 1336 garantierte.
Der «Grosse Rat»
Ohne formellen Gründungsakt hatte sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts aus den Rat beratenden Bürgern der «Grosse Rat» gebildet, der in allen dem geschäftsführenden Kleinen Rat «zu schwer» erscheinenden Ratsangelegenheiten beigezogen wurde.[5]
In den Grossen Rat (inklusive dem Kleinen Rat) entsandte die Constaffel 28 und die Zünfte 168 Mitglieder. Dazu kamen zwei Bürgermeister (ab 1384) sowie sechs Ratsherren, die vom «Grossen Rat» selbst gewählt wurden. Dieser Rat wurde als «Die Zweihundert» oder als «Rät und Burger«» bezeichnet. Ab dem 16. Jahrhundert umfassten die behandelten Geschäfte beispielsweise die Erbebung von Steuern, Kauf von Herrschaftsrechten, Bündnisbeschlüsse, Entscheid über Krieg und Frieden sowie die Münzgesetzgebung.
Mit der Reduzierung auf zwölf Zünfte setzte sich der Grosse Rat aus dem 50-köpfigen Kleinen Rat (Natal- und Baptistalrat mit je 24 Ratsmitgliedern und die zwei Bürgermeister) und aus den 144 «Zwölfern» (je 12 Vertreter für jede Zunft) sowie den 18 «Achtzehnern» (18 Constaffelräte), also aus insgesamt 212 Mitgliedern zusammen.[5]
Die Erneuerungs- beziehungsweise Bestätigungswahlen der Zunftvorsteherschaften, die «Zwölfer» und bei der Constaffel die «Achtzehner», fanden zweimal im Jahr statt, an den sogenannten Meistertagen (24. Juni und 27. Dezember).
Der «2. Geschworene Brief»
Erst mit dem «2. Geschworener Brief» von 1393 wurde die überragende Machtstellung des Bürgermeisters und der historisch Habsburg-freundlichen Constaffel eingeschränkt. Auch die Zunftmeister wurden voll berechtigte Räte, und das Bürgermeisteramt war nicht mehr nur das Privileg der Constaffel.[10]
Die Bestimmung, dass der von der Bürgerschaft dem Bürgermeister geleistete Eid allen anderen Schwüren voranzugehen habe, wurde weggelassen und seine Amtsdauer auf ein halbes Jahr reduziert, so dass in Zürich (bereits ab 1384) zwei Bürgermeister, jeweils ein halbes Jahr, als «amtierender» bzw. «still stehender» Bürgermeister dem Rat vorstanden. Ab 1373 schworen die Bürger jährlich zweimal dem Bürgermeister und dem Rat Gehorsam, und umgekehrt leistete der Bürgermüster den Eid, die Zünfte und Bürgerschaft zu «behüten und Arm und Reich gleich zu richten».[5]
Geschichte der Constaffel
Aufgaben und Pflichten der Constaffel im Spätmittelalter
Der Constaffel vorbehalten blieb das Führen des Stadtbanners und das Stellen des auf Lebzeiten zu wählenden Bürgermeisters. Dazu muss ergänzt werden, dass die Constaffel und Zünfte nicht nur wirtschaftliche und politische sondern auch militärische Organisationen waren. Aus ihnen wurde der Rat der Brunschen Zunftverfassung gebildet, ebenso aus den Angehörigen des Stadtadels und des Kaufmannspatriziats, die den Ritterstand und damit den Kern und die Führung der militärischen Streitmacht und die politische Führung stellten. Nur über die Zünfte konnte ein Bürger in den Rat gelangen, ebenso war ein Ratssitz Adligen und Patriziern nur über die Constaffel vorbehalten.
Wie sich die Constaffel um 1336 genau zusammensetzte, bedarf der Klärung, doch Indizien lassen darauf schliessen, dass sie aus den verschiedenen Kerngruppen in Form von Trinkstuben (Stammtisch-Genossenschaften) bestand.
Constaffel wie Zünfte hatten neben ihrer berufsständischen, militärischen und gesellschaftlichen Funktion auch eine soziale Komponente: Die Fürsorge für ihre Mitglieder und das Beerdigungswesen. Einher ging dies 1417 mit der Gründung der Gemeinen Constaffel, einer spätmittelalterlichen Bruderschaft, mit militärischen, aber auch gemeinnütziger und kirchlich-religiöser Zweckbestimmung, deren Kasse (Vermögen) nach der Reformation als «Constaffelgut» erhalten blieb.
Niedergang des städtischen Adels und Wandel zum Bürgertum
Bereits Ende des 14. Jahrhunderts setzte durch Abwanderung, sozialen Abstieg und das Aussterben führender Zürcher Adelsfamilien bis zum Alten Zürichkrieg ein Bedeutungsverlust der Constaffel ein, eine Konsolidierung fand nach dem Waldmannhandel 1489 statt.
Mit dem «3. Geschworenen Brief» von 1489 wurde auch in der Constaffel für die abzudelegierenden Räte das Wahlrecht eingeführt, d.h. die Constaffel als politische Zunft organisiert. Dem beträchtlich gesunkenen Bevölkerungsanteil entsprechend, wurden nun vier Constaffel und zwei Constaffelräte pro Amtsjahr für den kleinen Rat delegiert (bislang 24), und die übrigen bisherigen 18 Constaffel-Ratssitze neu geregelt: 12 als Zunftsratsherrensitze an die Zünfte und sechs als Ratsherren von freier Wahl, in die Constaffler und Zunftangehörige gewählt werden konnten.
Im als «Constaffelbrief» bekannten Ratsbeschluss vom 6. Dezember 1490 wurde bestimmt, dass – ursprünglich aus wohlhabenden und adligen Familien stammende Männer und zeitweise auch Frauen – «Leute», die in keiner Zunft untergebracht werden konnten, «Constaffel heissen und seyn sollen». So wurden ihr mit der Zeit neben Hintersässen (Niedergelassene ohne Bürgerrecht) auch «wenig angesehene und Leute ohne Vermögen» und der Scharfrichter zugeteilt. Diese vom Rat erzwungene Öffnung führte zu einer Spaltung der Gesellschaft in das «Stübli» (alter Kern) und die «bürgerliche Constaffel».[11]
Während der Reformation (siehe 1. Zürcher Disputation) verlor die Constaffel weiter an Bedeutung, nachdem Adlige und angesehene Familien als zumeist bekennende Katholiken sich aus Zürich zurückgezogen hatten. Die Constaffel konsolidierte sich aber wieder, indem sie einflussreiche Persönlichkeiten aus den Zünften rekrutierte. Diese bildeten um das Jahr 1523 die Bürgerlichen Constaffel, die Stubenhitzen (Jahresbeitrag an die Heizkosten im Zunfthaus) zu bezahlen hatten und nicht die volle Teilhaberschaft am «Haus zum Rüden» erhielten.
1679 übereignete der Rat der «Adeligen Gesellschaft», der einstigen Trinkstubengesellschaft zum Rüden, das Zunfthaus, die zu jener Zeit aber keine (nichtadligen) Mitglieder mehr aufnahm, sondern ihnen die bedingte Mitgliedschaft als Stubenhitzen anbot. 1713 umfasste die «Bürgerliche Constaffel» Buchdrucker, Buchbinder, Glaser, Pastetenbäcker, Besitzer von Comestibles-Läden, Färber sowie «alle, die ihres thuns, Gewerbs und Handwerk halben an keine gewisse Zunft gebunden sind».[11]
Verlust der politischen Bedeutung
Mit dem Einzug von französischen Revolutionstruppen wurde 1798 in Zürich das Zunftregime abgeschafft. Constaffel und Zünfte erlangten ab 1803 mit der Mediationsakte und 1815 nochmals Bedeutung, als einer der dreizehn Wahlkreise bzw. der städtischen Wahlzünfte. 1838 wurden Wahlzünfte auf kantonaler und 1866 auch auf kommunal-städtischer Ebene abgeschafft. Damit verloren Constaffel und Zünfte endgültig ihre politische Bedeutung.
Das «Haus zum Rüden»
Seit 1348 ist das am Limmatquai gelegene «Zunfthaus zum Rüden» das Versammlungshaus der heutigen Gesellschaft zur Constaffel. 1868 verkaufte die «Adelige Gesellschaft» das Zunfthaus an die Stadt und löste sich 1878 auf. Aus der amtlichen Wahlzunft zur Constaffel hatte sich bereits um 1820 ein «lockerer, festfreudiger und trinkfester Mitgliederkreis» gebildet, der sich um 1841 zur Zunftgesellschaft formiert hatte und sich Statuten gab, den so genannten «Sechseläutenfonds». In der neuen Rechtsform als Verein entstand 1899 die heutige «Gesellschaft zur Constaffel», die 1937 das «Haus zum Rüden» erwarb, an ihren angestammten Ort zurückkehrte und sich wie alle städtischen Zünfte am Sechseläuten[12] beteiligt.
Siehe auch
- Geschichte der Stadt Zürich
- Richtebrief
- Brunsche Zunftverfassung
- Liste der Bürgermeister der Stadt Zürich
- Territoriale Entwicklung Zürichs
Einzelnachweise
- ↑ Artikel Konstaffel (Constaffel) im Historischen Lexikon der Schweiz
- ↑ a b Website der Zunft zur Letzi, Geschichte der der Zünfte: «… Die noch kurz vor dem Brunschen Umsturz dem Rat angehörenden Adeligen (1334) waren: Fastenrat: Ülr. Manesse, Rüd. von Glarus. Herbstrat: Götfrit Mülner, Lütolt von Beggenhoven, Johans Dietel, Heinr. Biber».
- ↑ «Notabel» definiert in diesem Zusammenhang die im Rat vertretenen Kaufleute und vornehmen Handwerkergeschlechter (Goldschmiede, Seidenfabrikanten, Tuchhändler, Geldwechsler, Salzleute u.a.)
- ↑ Deutsches Rechtswörterbuch (DRW). Die Definition des Wortes «notabel» ist gemäss DRW: Vornehm, ehrenwert, herausragend.
- ↑ a b c d e f g h Staatsarchiv des Kantons Zürich (Hrsg.): Kleine Zürcher Verfassungsgesichte 1218 – 2000, Zürich 2000.
- ↑ a b Quelle: Rapperswiler im Zürcher Gemeinderat …? von lic. iur. Gregor A. Rutz, Zollikon
- ↑ a b Quelle: Artikel Brun'sche Zunftrevolution im Historischen Lexikon der Schweiz
- ↑ Website der Zunft zur Letzi, Geschichte der der Zünfte: «… Am 16. Juni trat im Hofe des Barfüsserklosters (heutiges Obmannamt) eine Bürgergemeinde zusammen. Sie beschwor den von Brun ausgearbeiteten 1. Geschworenen Brief, und bezeichnete Ritter Rudolf Brun als Bürgermeister».
- ↑ a b c Website der Zunft zur Letzi, Geschichte der der Zünfte: «Am 18. Juli schritt Brun zur Abrechnung mit den Mitgliedern des alten Rates. 22 von ihnen wurden ratsunfähig erklärt, davon zwölf auf Zeit aus der Stadt verbannt. In Anlehnung an die bereits erwähnte Straßburger Ordnung wurden die Ritter, Edelleute, Rentner, Kaufleute, Tuchhändler, Geldwechsler, Goldschmiede und Salzleute in der ‹Constaffel› zusammengefasst.»
- ↑ Quelle: Website der Zunft zur Schmiden, Zunftwesen.
- ↑ a b Website des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs, Zünfte, Kurzbeschrieb, Constaffel: «… Mit Ratsbeschluss von 1490 («Constaffelbrief») wurden der Gesellschaft zur Constaffel weitere Personengruppen zugeordnet: Hintersäss (Niedergelassene) in unserer Stadt Zürich wohnend und sesshaft, so keine Zunft habend … Lüt im [Stadtquartiert] Kratz oder andere».
- ↑ Website des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs, Sechseläuten
- Stadtarchiv Zürich VII. 179., Archiv der Zunft zur Schmiden 1336 – 1986
Literatur
- Markus Brühlmeier, Beat Frei: Das Zürcher Zunftwesen, 2 Bände. NZZ Buchverlag, Zürich 2005. ISBN 3-038231-71-1
- Martin Illi: Geschichte der Constaffel, von Bürgermeister Rudolf Brun bis ins 20. Jahrhundert. NZZ Buchverlag, Zürich 2003. ISBN 3-038230-21-9
- Staatsarchiv des Kantons Zürich: Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte 1218–2000. Herausgegeben im Auftrag der Direktion der Justiz und des Innern auf den Tag der Konstituierung des Zürcher Verfassungsrates am 13. September 2000. Chronos, Zürich 2000. ISBN 3905314037
- Hans-Jörg Gilomen, Anne-Lise Head-König, Anne Radeff (Hrsg.): Migration in die Städte, Ausschluss – Assimilierung – Integration – Multikulturalität. Chronos, Zürich 2000. ISBN 3-905313-43-X
- Niklaus Flüeler und Marianne Flüeler-Grauwiler (Hrsg. und Redaktion): Geschichte des Kantons Zürich, Band 1 Frühzeit bis Spätmittelalter. Werd Verlag, Zürich 1995. ISBN 3-85932-158-7
- Sigmund Widmer: Politische Aspekte in der Entwicklung der Zünfte. In: Zentralkomitee der Zünfte Zürichs (Hrsg.), 650 Jahre Zürcher Zünfte, Zürich 1986.
- Sigmund Widmer: Zürich – eine Kulturgeschichte, Band 4: Zünfter und Söldner. Zürich und München 1977.
- O. Sigg, R. Jagmetti (u.a.): Zunftherrlichkeit 1336-1798. In: 650 Jahre Zürcher Zünfte, 1336-1986, Zürich 1986.
- K. W. Glaettli (Hrsg.): Zürcher Sagen, 2. Auflage. Zürich 1970.
- Karl Dändliker: Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich, Band 1. 1908.
- Karl Dändliker: Schweizergeschichte. 1885.
- Adolf Weisser: Die Zürcher Mordnacht. Ein geschichtliches Bild aus dem deutschen Städte-Leben des 14. Jahrhunderts. Meyer & Zeller, Zürich 1856.
- Johannes Stumpf: Chronik von 1547/48.
- Bendicht Tschachtlan und Heinrich Dittlinger: Tschachtlanchronik 1470.
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