Achondrit

Achondrit

Achondrite (griech. ά (a-), ‚ohne‘ und χόνδρος (chondros), ‚Korn‘) sind Steinmeteorite, die im Gegensatz zu Chondriten keine oder nur wenige Chondren enthalten.

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung

Es gibt Chondrite, die aufgrund von Umwandlungsprozessen keine Chondren (mehr) enthalten, wie es auch Achondrite gibt, in denen Chondrenreste nachgewiesen werden konnten. Eine Möglichkeit der Unterteilung der Meteorite, die dieses Problem löst, ist eine Unterteilung in primitive und differenzierte Meteorite. Achondrite fallen dabei in die Klasse der differenzierten Meteorite, denn sie entstammen Himmelskörpern, die eine chemische Differenzierung erfahren haben. Sie sind auf der Erde mit knapp acht Prozent Anteil an der Gesamtzahl aller Meteoriten recht selten.[1] Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die meisten Achondrite bei der herrschenden Verwitterung innerhalb kürzester Zeit kaum mehr von irdischen Gesteinen unterschieden werden können. Auch bei den beobachteten Meteoriten-Fällen sind Achondrite selten.

Entstehung

Achondrite wurde vermutlich in großen kosmischen Körpern (den sogenannten Mutterkörpern), wie Asteroiden, Monden oder Planeten gebildet, bei denen es zu Schmelzvorgängen und zur Differenzierung kam. Bei kleineren Körpern, wie Asteroiden, konnte nur in der Frühzeit des Sonnensystems wahrscheinlich durch den Zerfall des Aluminium-Isotops 26Al und des Eisen-Isotops 60Fe ausreichend Energie freigesetzt werden um eine Differenzierung zu ermöglichen. Schwere Metallschmelzen wanderten in die Mitte der Mutterkörper und bildeten dort Eisenkerne (Bruchstücke dieser Kerne kennen wir als Eisenmeteorite), während basaltische Schmelzen an die Oberfläche aufstiegen, wo sie in asteroidischen Vulkanen als Lava zu Tage traten. Das Ergebnis dieser Differenzierung ist eine Verarmung der Achondrite an Fe und Mg, und eine Anreicherung von Al, Ca, Na, K, relativ zur Zusammensetzung der Chondrite.

Meteorite sind Bruchstücke eines solchen Mutterkörpers, welcher durch Einschläge und Kollisionen auseinanderbrach, oder von dem durch Einschläge und Kollisionen Bruchstücke abgesplittert wurden. Je nach dem, aus welchem Bereich eines Mutterkörpers ein Meteorit entstammt, kann er typischen Krustengesteinen wie Basalten ähneln. Andere Achondrite ähneln eher Mantelgesteinen, wie Duniten.

Aussehen

Achondrite sind (von der dunklen Kruste abgesehen) oft grau bis weiß gefärbt und bestehen aus magmatischem Gestein, das sich in erster Linie aus den Silikat-Mineralien Olivin, Pyroxen und Plagioklas zusammensetzt. Achondrite haben fast immer einen wesentlich niedrigeren Gehalt an Nickeleisen als Chondrite.[2] Es gibt aber auch Achondrite, die bis zu 80 vol% Nickeleisen enthalten.

Klassifizierung

Man unterscheidet die folgend beschriebenen Unterklassen.[3]

HED-Gruppe

Die Steinmeteorite der HED-Gruppe sind die häufigste Gruppe, als Ursprung wird der Asteroid (4) Vesta angenommen, weil die Reflektionsspektren dieser Gruppe und das von Vesta einander sehr ähnlich sind.[4]

Ein Einzelstück des Eukriten von Millbillillie.
  1. Howardite: Eine durch Zusammenstöße von Himmelskörpern erzeugte Mischung aus etwas chondritischem Material mit Eukriten und Diogeniten (s.u.) . Howardite sind Regolithe (Böden auf der Oberfläche von planetaren Körpern), die durch kosmische Strahlung erzeugte Verschiebungen im Isotopenverhältnis vieler Elemente aufweisen.
  2. Eukrite: Diese aus Pyroxen und Plagioklas bestehenden Basalte bilden die häufigste Gruppe und entstehen durch Schmelze und Differenzierung aus Chondriten.[5] Bekanntester Vertreter ist der Meteorit von Millbillillie, Australien.
  3. Diogenite: Sie bilden sich, wenn eine Basaltschmelze in unterirdischen Magmakammern langsam abkühlt, so dass kleine Pyroxen-Kristalle wachsen können. Der Name ist eine Reverenz an Diogenes von Apollonia, der als Erster eine außerirdische Herkunft der Meteoriten annahm. Ein bekannter Vertreter ist der Meteorit von Tatahouine, Tunesien.

Alle bisher untersuchten Diogenite haben ein Bestrahlungsalter von 22 oder 36 Millionen Jahren, d.h. zu diesen beiden Zeitpunkten müssen sie durch eine Kollision von einem Mutterkörper abgesprengt worden sein. Als Mutterkörper wird der Asteroid (237442) 1999 TA10 diskutiert, der selbst aus dem Mantel von (4) Vesta stammen dürfte.[6][7]

SNC-Gruppe

Sie müssen von einem relativ großen Körper stammen, sehr wahrscheinlich vom Mars.[8]

  1. Shergottite: Shergottite (nach dem Ort Shergotty, Indien) repräsentieren die häufigste Gruppe der auf der Erde gefundenen Marsmeteorite. Sie bestehen aus basaltischem, vulkanischem Ergussgestein und Tiefengestein. Ein charakteristisches Merkmal ist die Umwandlung des Feldspats in glasförmigen Maskelynit durch Schockeinwirkung, wahrscheinlich bei der Ablösung von ihrem Mutterkörper.
  2. Nakhlite: Nakhlite (nach dem Ort Nakhla, Ägypten) sind aus einem feinkörnigen, grünlich braunen Material zusammengesetzt. Sie enthalten seltene Minerale, die nur in der Anwesenheit von flüssigem Wasser entstehen konnten. Analysen haben ergeben, dass diese Minerale auf dem Planeten Mars entstanden sein müssen.[9] Dies weist darauf hin, dass auf der Oberfläche des Planeten vor etwa 1,5 Milliarden Jahren flüssiges Wasser vorhanden war.
  3. Chassignite: Die Chassignite (nach dem Ort Chassigny, Frankreich) bestehen überwiegend aus olivinreichem Tiefengestein. Sie enthalten ebenfalls Minerale, die nur in Anwesenheit von Wasser entstehen konnten. Es handelt sich um eine sehr seltene Klasse von Meteoriten, die nur aus zwei Vertretern besteht: dem Namensgeber und NWA 2737.
  4. Orthopyroxenite: Bislang ist nur ein Vertreter dieser Gruppe bekannt, der Meteorit ALH 84001, der im ewigen Eis der Antarktis gefunden wurde. Im Unterschied zu den anderen Marsmeteoriten besteht er nahezu ausschließlich aus dem Mineral Orthopyroxen. Er weist zudem ein wesentlich höheres Alter auf. Besonders bekannt wurde dieser Meteorit durch mikroskopische Einschlüsse, die Strukturen aufweisen, die an fossile Bakterien erinnern. Nach wie vor wird kontrovers diskutiert, ob diese Strukturen Spuren von primitiven Marslebewesen darstellen oder durch rein chemische Prozesse entstanden sind.

Angrite

Die Angrite (benannt nach dem Fundort Angra dos Reis, Brasilien) sind differenzierte Achondrite, die aus Pyroxen, Olivin und Plagioklas bestehen. Anders als bei den Chondriten und primitiven Achondriten liegen diese Minerale in Formen vor, die auf eine magmatische Entstehung hinweisen. Sie enthalten häufig Einschlüsse, die als erstarrte Gasblasen gedeutet werden. Von ihrer Struktur und chemischen Zusammensetzung ähneln sie den irdischen Basalten. Die Herkunft der Angrite ist bislang ungeklärt. Offensichtlich stammen sie von einem eigenen Ursprungskörper ab, der noch nicht identifiziert werden konnte.

Aubrite

Die Aubrite (nach dem Fundort Aubres, Frankreich) enthalten das magnesiumreiche Mineral Enstatit. Darüber hinaus kommen unterschiedliche Anteile an reduziertem Nickel-Eisen, das Eisensulfid Troilit, das Silikat Olivi sowie seltene Minerale vor, die auf eine magmatische Entstehung schließen lassen. Beim Vergleich der Reflexionsspektren von Asteroiden wurde eine Übereinstimmung mit dem Asteroiden Nysa festgestellt. Möglicherweise stammen die Aubrite von diesem Himmelskörper.

Ureilite

Die Ureilite (nach Novo Urei, Russland) bestehen überwiegend aus Olivin und Pyroxen. Eine Besonderheit der Ureilite ist eine kohlenstoffreiche, von adern durchzogene Matrix, welche Graphit, Diamant, Nickel-Eisen und die Zwischenräume ausfüllende Silikate enthalten kann. Chemische und isotopische Untersuchungen der Ureilite führen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Eine heterogene Verteilung der Sauerstoffisotope und ein hoher Anteil an Edelgasen in Ureiliten sprechen gegen weitreichende Diffenrenzierung des Ureiliten-Mutterkörpers. Gleichzeitig sind Ureilite aber abgereichert in siderophilen und lithophilen Elementen, was auf die fraktionierte Kristallisation einer basaltischen und einer metallischen Komponente hinweist. Bislang existiert keine allgemein anerkannte Theorie über die Entstehung und den Ursprung dieser Meteoriten.[10]

  • 2008 TC3 war der erste Asteroid für den eine Kollision mit der Erde korrekt vorausgesagt wurde. Die gefundenen Meteoriten tragen die Bezeichnung Almahata Sitta und sind als Urelite klassifiziert.[11]

Primitive Achondrite

Acapulcoite (Acapulco, Mexiko), Brachinite (Brachina, Australien), Lodranite (Lodran, Indien), Winonaite (Winona, USA): Diese vier Klassen von Achondriten werden als primitive Achondrite zusammengefasst. Die Differenzierung dieser Meteoriten ist unvollständig, so dass sie ihre primitive (chondritische) Zusammensetzung weitgehend behalten haben. Die den Chondriten typische Struktur ging aber verloren, Chondren wurden zerstört.

Mondmeteorite oder Lunaite, auch LUN-Gruppe

Durch Vergleich mit den vom Mond mitgebrachten Proben kann eindeutig gezeigt werden, dass sie vom Mond stammen müssen. Sie enthalten oft Mondregolith von der Oberfläche des Mondes. Es ist interessant, dass Mondmeteorite auf der Erde erst nach der Mondlandung gefunden wurden, da erst die Analysen von Mondgesteinen einen sicheren Nachweis der Herkunft vom Mond erlaubten. Die ersten Mondmeteorite wurden in der Antarktis gefunden. Der erste nicht-antarktische Mondmeteorit war Calcalong Creek aus Australien, beschrieben 1991. Später wurden weitere unter den tausenden Meteoritenfunden aus Afrika und Oman identifiziert. In dieser Gruppe kann man nach ihrer Herkunft verschiedene Unterklassen unterscheiden, die Anorthositischen Regolith-Hochlandbrekzien, die Fragmentalen Hochlandbrekzien, Impakt-Schmelzbrekzien, Marebasalte und schließlich Maregabbros.

Der magmatische Ursprung der Achondrite wurde zuerst durch den Berliner Mineralogie-Professor Gustav Rose erkannt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Rosanna L. Hamilton: Meteoroide und Meteoriten.
  2. F. Heide, F. Wlotzka: Kleine Meteoritenkunde. 3. Auflage, Springer-Verlag, 1988.
  3. Klassifizierung von Meteoriten.
  4. T.H. Burbine, R.P. Binzel: Small main belt asteroid spectroscopic survey in the near-infrared. In: Icarus. 159 (2002), S. 468-499.
  5. M.J. Drake: The eucrite Vesta story. In: Meteoritics and Planetary Science. 36 (2001), S. 501-513.
  6. T. Althaus: Ein Splitter aus Vestas Mantel: Der Asteroid 1999 TA10. In: Sterne und Weltraum. 3/2011, S. 20.
  7. V. Reddy et al., First fragment of Asteroid 4 Vesta’s mantle detected. In: Icarus. 2010.
  8. A.H. Treiman, J.D. Gleason, D.D. Bogard: The SNC meteorites are from Mars. In: Planetary and Space Science. 48 (2000), S. 1213.
  9. A.H. Treiman: The Nakhlite meteorites: Augite-rich igneous rocks from Mars. In: Chemie der Erde. 65 (2005), S. 203.
  10. C.A. Goodrich: Ureilites. In: Reviews in Mineralogy. Vol. 36, Planetary Materials, Mineralogical Society of America, 1998.
  11. Meteoritical Bulletin Database. Almahata Sitta

Weblinks


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