Action française

Action française

Die Action française ist eine extremistische politische Gruppierung in Frankreich, die 1898 unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre entstanden ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Henri Vaugeois und Maurice Pujo gründeten im April 1898 das Comité d'action française. L'Action française war der Titel der Zeitschrift, deren erste Ausgabe am 1. August 1899 erschien und das Sprachrohr der Bewegung wurde. Ab 21. März 1908 erschien das Blatt als Tageszeitung, die Auflage stieg bis zum Jahr 1941 auf 60.000.

Ihre Aktivisten waren ab November 1908 die Camelots du roi, denen zeitweilig z. B. auch Georges Bernanos angehörte. Besonders einflussreich war vor dem Hintergrund der Action française überdies der Schriftsteller Jacques Bainville, der seit 1935 auch Mitglied der Académie française war. Die Bewegung wurde eine Zeit lang auch von dem Religionswissenschaftler Georges Dumézil unterstützt. Ihre wichtigsten Anführer waren die Journalisten und Schriftsteller Charles Maurras (seit 1938 Mitglied der Académie française) und Léon Daudet, ein Sohn von Alphonse Daudet).

Die Action française war monarchistisch und nationalistisch orientiert, militant katholisch (und daher Nährboden des Integralismus), deutschfeindlich[1] und antisemitisch, sie bekämpfte Parlamentarismus und Demokratie. Ihr Ziel war die Wiedereinführung einer autoritären Erbmonarchie, tatsächlich aber kam sie dem Faschismus immer näher. Die politische Weltanschauung wurde bereits 1914 von Papst Pius X. als nicht mit der katholischen Religion vereinbar beurteilt, obwohl Maurras den Papst wegen seiner Zurückweisung des Laizismus als „Retter Frankreichs“ gerühmt hatte. Wegen des Krieges unterblieb die Veröffentlichung dieser päpstlichen Lehrverurteilung, die Papst Pius XI. dann im Dezember 1926 bekanntgab. Zuvor hatte sich ein Dialog mit den Führern der Action française als unmöglich erwiesen. Gegen die päpstliche Verurteilung rebellierten Teile der Organisation, für die eine politische Deutung des Papsttums (vgl. Ultramontanismus; nicht gemeint ist aber der konkrete Amtsgehorsam) unverzichtbarer Teil ihrer Ideologie war.

Sehr verbreitete französische Propagandakarte aus dem Jahre 1915, welche die Kriegsziele der Action française widerspiegelt, aber hier der Gegenpropaganda dient.[2]

Im Ersten Weltkrieg entwickelte die Action française Expansionsgelüste über den Rhein bzw. einige rechtsrheinische Brückenköpfe hinaus. Die Vorstellungen der Action française über die Zukunft Deutschlands waren am Vorbild des Westfälischen Friedens orientiert, also auf die Zerstörung der deutschen Einheit ausgerichtet. Während des Krieges nahm sie eine gouvernementale Haltung ein und stellte sich hinter die Regierung; sogar der Ministerpräsident und einstige Dreyfusard Georges Clemenceau konnte auf ihre Unterstützung zählen.[3] Die Action française verfolgte während des im Kriege herrschenden Burgfriedens die gemeinsame Politik am Entschiedensten und Unerbittlichsten. Ihr Anteil an der Kriegspropaganda war deshalb beträchtlich.[4]

Die Action française versuchte alle nationalistischen, antisemitischen und royalistischen Kräfte zu vereinen, kam jedoch nie über das Stadium eines Bindegliedes zwischen Honoratiorenverein und Massenorganisation hinaus.[5]

Die Action française markierte mit ihrer Tageszeitung zwar den Standpunkt der äußersten Rechten in Frankreich und hatte wegen ihres entschiedenen Auftretens einiges Gewicht, stellte sich aber durch ihren antiquierten Royalismus selbst ins politische Abseits.[6] Die Gruppierung mit ihrer kleinbürgerlichen Basis und adeligen Geldgebern unter intellektueller Führung konnte nur in den Zentren des Royalismus stabilen Rückhalt finden. Die Ideologie der Action française war aber nicht nur eine beliebige Anhäufung von Vorurteilen, sondern war im Kern gekennzeichnet durch einen religiös verbrämten, aber antihumanitären, antiaufklärerischen und konterrevolutionären Fundamentalismus. Diese Mischung aus Nationalismus, Rassismus bzw. Antisemitismus und Führerprinzip sowie eine aus vorgeblicher Ungleichheit abgeleitete Elitekonzeption (auch die Verherrlichung von Gewalt als Mittel der außen- wie innenpolitischen Auseinandersetzung) machte aus der Action française eine Vorform einer faschistischen Bewegung.[7]

Krise und Niedergang

Dieser „politische Naturalismus“ und soziale Modernismus der Action française wurde seitens der katholischen Kirche 1926 von Papst Pius XI. als mit dem katholischen Glauben unvereinbar verurteilt. Das Verbot löste im französischen Katholizismus, der stark antiliberal und antirepublikanisch geprägt war, eine schwere Krise aus. Nachdem sich führende katholische Intellektuelle dem römischen Urteil unterwarfen, war das Papsttum gestärkt, die Bewegung aber geschwächt aus der Krise hervorgegangen. Im März 1927 wurden die Mitglieder der Action française vom Sakramentenempfang ausgeschlossen. Ab 1936 löste jedoch der spanische Bürgerkrieg einen verstärkten Antikommunismus innerhalb der Kirche aus, und zahlreiche Geistliche, darunter die Karmeliter aus Lisieux, plädierten in Rom für eine Versöhnung mit der Action française, bis schließlich das Verbot im Juli 1939 durch den neu gewählten Papst Pius XII. aufgehoben wurde. Der französische Staat hatte seinerseits die Strukturen der Action française im Februar 1936 verboten, ihre Zeitung 1944 (es existierten mehrere Nachfolgepublikationen).

Die Zeitung stellte sich 1939 gegen den Eintritt Frankreichs in den Zweiten Weltkrieg, stand nach dem Waffenstillstand 1940 auf der Seite des Vichy-Regimes unter Marschall Pétain. Die Anhänger der Action française wurden nach Kriegsende als Kollaborateure belangt. Die Action française konstituierte sich zwar 1947 neu und agiert heute unter dem Namen Centre royaliste d'Action française, spielt aber innerhalb der französischen extremen Rechten keine große Rolle mehr.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Pierre Nora: Les deux apogées de l'Action française. In: Annales. Économies, Sociétés, Civilisations. 1964 Digitalisat.
  2. Aus: Großer Bilderatlas des Weltkriegs. Dritter Band, Verlag F. Bruckmann, München, 1919, S. 386.
  3. Andreas Zobel: Frankreichs extreme Rechte vor dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der „Action Française“. Ein empirischer Beitrag zur Bestimmung des Begriffs Präfaschismus. Berlin 1982, S. 310f. und 319.
  4. Ernst Nolte (Hrsg.): Der Faschismus in seiner Epoche. Action française, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus. Piper, München/Zürich 2000, ISBN 3-492-20365-5, S. 111.
  5. Andreas Zobel: Frankreichs extreme Rechte vor dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der „Action Française“. Ein empirischer Beitrag zur Bestimmung des Begriffs Präfaschismus. Berlin 1982, S. 331f.
  6. Ernst Nolte (Hrsg.): Der Faschismus in seiner Epoche. Action française, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus. Piper, München/Zürich 2000, ISBN 3-492-20365-5, S. 106 und 112.
  7. Andreas Zobel: Frankreichs extreme Rechte vor dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der „Action Française“. Ein empirischer Beitrag zur Bestimmung des Begriffs Präfaschismus. Berlin 1982, S. 331ff.

Literatur

  • Ernst Nolte: Die Action française. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961), S. 124ff.
  • A.F. von Muralt (Hrsg.): Frankreich – Action française. In: FAKTUM. Edition Rencontre, Lausanne 18. September 1969 (Karte Nr. 868).
  • Michael Curtis: Three against the Republic, Sorel, Barrès and Mauras. Princeton 1959.
  • Eugen Weber: Action française. Royalism and Reaction in 20th-century France. Stanford University Press, Stanford 1969.
  • Philippe Ariès: Ein Sonntagshistoriker. Philippe Ariès über sich. Hain, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-445-08536-6.
  • Anne-Marie Denis: L'Action Française et l'Allemagne. ILES, Saint Julia 1997, ISBN 2-912722-00-4.

Weblinks


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