- Die Sieben Schwaben
-
Die Sieben Schwaben sind ein Erzählstoff, in dem es um die Abenteuer von sieben als tölpelhaft dargestellten Schwaben geht. Die sieben Protagonisten stehen dabei stellvertretend für sieben Charaktertypen. Als Höhepunkt des Dummenschwanks steht der Kampf mit einem Untier, das sich als Hase herausstellt (internationaler Erzähltyp AaTh oder ATU 1231). In den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm steht der Schwank ab der Zweitauflage von 1819 an Stelle 119 (KHM 119; ATU 1321C, 1231, 1297*) nach einer Version aus Hans Wilhelm Kirchhofs Wendunmuth (Von neun Schwaben ein histori) und einer von Johannes Bolte (Zwei Flugblätter von den sieben Schwaben, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 4, 1894). In Ludwig Bechsteins Deutsches Märchenbuch steht Das Märchen von den sieben Schwaben 1845 als Nr. 3, 1857 als Nr. 2.
Inhaltsverzeichnis
Stoffgeschichte
Die älteste vollständige Version bietet 1545 ein Meisterlied von Hans Sachs (1494–1576) – allerdings mit den Neun Schwaben. Eine der von Johannes Agricola († 1566) gesammelten Redensarten lautet: Der fürchtet sich für ihm selbs. Hierzu schrieb Eucharius Eyring († 1597) eine gereimte Erklärung, in der die Sieben Schwaben auftreten (erschienen in den drei Bänden der Proverbiorum Copia, Eisleben 1601–1604):
- Im Mertzn reisten eins siben Man,
- Die nur ein Schweinsspieß theten han,
- In welcher Zeit die Hasen blind
- Uber das Feld lauffen geschwind,
- Von Schwaben Ragen Ohrlin genant.
- Als diese zogen uber Land,
- Lieff in ein Hase ohngesehr
- Uber das quere Feld doher,
- Die solchs für gspenst zu halten pflegen,
- Wann eim ein Has erst thut begegnen
- Gar bald sprach, der den Spieß thet han,
- Da trettet all an Schafft hinan,
- Reckten den Spieß dem Hasen dar,
- Forchten, er würd sie fressen gar.
- Und als sie stunden an dem Spieß,
- Der hinter was kün, sich verließ,
- Er müst die sechs vor alle fressen,
- Ehe dann er im auch gleich thet messen,
- Und sprach den Hasen tapffer an,
- Gangk ran, Ragen Ohrlin, gangk ran,
- Welchs den fordren verdriessen thett,
- Der sich rumb wand und zu im red,
- Ja stündestu he forn als ech,
- Du würdest nichten also sprech,
- Gangk ran, Ragen Ohrlin, gangk ran.
- Ich must gleichwol zum ersten dran,
- Und wann er mich dann brecht umbs leben,
- So würd ir all die flucht thun geben
- Und bey mir stehn, wann ich bezwungen,
- Gleich wie der Has bey seinen jungen,
- Vor dem wir uns doch hie mit spot
- Allesampt forchten wolln zu todt.
Der frühneuzeitliche Spott über die Schwaben griff die in gedruckten Schwankbüchern verbreitete Geschichte gern auf. Gedruckte illustrierte Flugblätter des 17. Jahrhunderts zitierten den schwäbischen Dialekt. Eine eigene Dialektdichtung widmete Sebastian Sailer dem Thema, Vorläufer einer ganzen Reihe volkstümlicher Theaterstücke über den Stoff.
Besonders populär wurden die Sieben Schwaben durch das vielfach nachgedruckte Volksbüchlein von Ludwig Aurbacher, in der literarische Schwankstoffe der frühen Neuzeit zu einer Episodenreihe verarbeitet wurden. Einige Episoden sind von Aurbacher mit regionalem Bezug zu seiner Heimat versehen worden, von ihm erhalten die Sieben Schwaben im 2. Band des Volksbüchleins von 1829 auch ihre Namen (die Namen sind an seinem Geburtshaus verewigt):
Allgäuer, Seehas, Nestelschwaub, Blitzschwaub, Spiegelschwaub, Gelbfüssler und Knöpfleschwaub. Auch wenn einige von ihnen eine landsmannschaftliche Zuordnung erfahren, stehen sie dabei eher stellvertretend für die Eigenschaften, die man den Bewohnern der jeweiligen Regionen zuschreibt.
Angelehnte Literatur
Die Geschichte begegnet dem Leser auch in den Märchensammlungen der Brüder Grimm und Ludwig Bechsteins. Dort tragen die Sieben Schwaben die Namen Herr Schulz, Jackli, Marli, Jergli, Michal, Hans und Veitli. Vgl. Das Märchen von den sieben Schwaben in Ludwig Bechsteins Deutsches Märchenbuch.
Unübersehbar sind die literarischen und außerliterarischen Rezeptionszeugnisse des im Wesentlichen von Aurbacher geformten Stoffs. Es gibt unzählige Ausgaben und Bearbeitungen der Geschichte, daneben auch Bücher, die sich an die Popularität des Themas anlehnen. So publizierte Theodor Heuss eine literarische Anthologie von sieben modernen Autoren unter diesem Titel.
1887 schuf Karl Millöcker eine Operette Die sieben Schwaben.
1992 setzte Rolf Gozell den Stoff in dem Kinderhörspiel Hans Eierkuchen um.
Das Wohnhaus, in dem Joseph Haydn die Österreichische Kaiserhymnen komponierte, hieß damals „Zu den sieben Schwaben“.
Kult um die Sieben Schwaben
- Es gibt etliche Gasthäuser zu den Sieben Schwaben – auch außerhalb von Schwaben, beispielsweise in Prag,
- Fleischgerichte, die sich so nennen,
- viele bildliche Darstellungen im öffentlichen Raum und seit 1978 sogar ein Denkmal am Fehrbelliner Platz in Berlin.
- Im Dresdener Stadtteil Neugruna (heute Blasewitz) existiert eine Sieben-Schwaben-Schule
- In Aurbachers Geburtsort Türkheim heißt das Heimatmuseum Sieben-Schwaben-Museum
- In mehreren Sparten wird in Augsburg ein Sieben-Schwaben-Preis vergeben
- Von 1950 bis 1979 erschien die Zeitschrift der schwäbischen Heimatpflege in Kempten unter dem Titel „Die sieben Schwaben“
- Eine Touristik-Arbeitsgemeinschaft der Städte Stuttgart, Esslingen, Fellbach, Ludwigsburg, Reutlingen, Sindelfingen und Tübingen gab sich in den 1980er Jahren den Namen 7 Schwaben
- Im baden-württembergischen Bolheim wird ein Teil des dortigen Landschaftsschutzgebietes nach einer Begebenheit der Sieben Schwaben offiziell als Hasenloch bezeichnet. Sieben in einer Reihe wachsende Bäume an einer ansonsten waldlosen Stelle erinnern noch heute an die angeblich dort stattgefundene Begegnung der Schwaben mit dem Hasen
- Einer der Sieben Schwaben trägt bei Aurbacher den Übernamen „Seehas“. Dieser ist Namensgeber des Seehasenfestes in Friedrichshafen am Bodensee; auch ein Eisenbahnzug am Bodensee heißt „Seehas“
- Im Raum Ulm/Neu-Ulm gibt es die "Sieben-Schwaben-Karnevalsvereinigung" die sich aus sieben Karnevalsvereinen zusammensetzt.
Auch bei anderen Festlichkeiten wird der Sieben-Schwaben-Stoff aufgegriffen und etwa als Festzugsgruppe beim Rutenfest Ravensburg, beim Fischertag in Memmingen oder bei Narrensprüngen der schwäbisch-alemannischen Fastnacht „szenisch“ dargestellt.
Bemerkenswert ist, dass ähnlich wie bei Ortsneckereien der ursprüngliche Spott über die Schwaben von diesen aufgenommen und positiv umbewertet wird. Aus den Spottfiguren wurden schwäbische Identifikationssymbole.
Literatur
- Heinz Rölleke (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert. 2., verb. Auflage, Trier 2004. S. 122–131, 559–560. Wissenschaftlicher Verlag Trier; Schriftenreihe Literaturwissenschaft Bd. 35; ISBN 3-88476-717-8
Siehe auch
Weblinks
Commons: Die Sieben Schwaben – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Die Sieben Schwaben – Quellen und VolltexteKategorien:- Grimms Märchen
- Märchen
- Literatur (19. Jahrhundert)
- Literatur (Deutsch)
- Literarisches Werk
- Operette (Werk)
- Schwäbische Kultur
Wikimedia Foundation.