Dinosaurier des Jahres

Dinosaurier des Jahres
Der Dinosaurier des Jahres

Dinosaurier des Jahres ist ein vom Naturschutzbund Deutschland gestifteter Negativpreis.

Der Verband vergibt den Preis seit 1993 jährlich an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die nach Ansicht der Naturschützer veraltete Umweltstandards vertreten bzw. „sich sowohl durch herausragende Einzelleistungen als auch durch die Summe ihres Gesamtwerkes in Sachen Umweltschutz als besonders antiquiert erwiesen haben.“[1] Die Preisträger erhalten die aus Zinn gegossene, 2,6 Kilogramm schwere Nachbildung eines Dinosauriers.

In den Jahren 2003 und 2004 wurde der Dinosaurier des Jahres nicht vergeben, da der Verband nach eigenen Angaben zwischenzeitlich zweifelte, „ob solch eine plakative Aktion noch in die politische Landschaft passt.“[2] Seit 2005 wird der Preis jedoch wieder regelmäßig verliehen. Der Naturschutzbund Deutschland will auf diese Weise die Öffentlichkeit für Umweltfragen sensibilisieren und auf Umweltsünden hinweisen.

Liste der Preisträger

Jahr Preisträger[1] Damalige Funktion Begründungen zur Preisvergabe
1993 Reinhold Kopp (SPD) Wirtschaftsminister des Saarlandes Für seine „besonders rückwärts gewandte Umweltpolitik“, bei der er „ohne Not zahlreiche ökologiefeindliche Entscheidungen“ getroffen habe. Dies äußere sich unter anderem darin, dass er zahlreiche positive Ansätze seines Amtsvorgängers Hajo Hoffmann wieder zunichte gemacht habe. Dieser hatte seinerzeit die saarländischen Forstgebiete auf eine naturnahe Waldwirtschaft umgestellt. Hervorgehoben werden auch der Stillstand des Förderprogramms alternativer Energien und der Bau des Kohlekraftwerks Bexbach, das laut Berechnungen von Umweltschützern die Luft jährlich mit zusätzlichen drei Millionen Tonnen Kohlendioxid belasten wird.[3]
1994 Conrad-Michael Lehment (FDP) Verkehrsminister von Mecklenburg-Vorpommern Für seine „ebenso vehemente wie ignorante Weichenstellung“ beim Bau der Ostseeautobahn (A20).[4]
1995 Hans-Olaf Henkel BDI-Präsident Für seine Verdammung der Ökosteuer als „Blödsinn“ und als „Einstieg in eine ökologische Planwirtschaft“. Ferner seine Argumente in der Kernenergiedebatte, mit der er die „Schlachten von gestern mit den Argumenten von vorgestern“ führe. Der ehemalige Öko-Manager des Jahres 1992 habe sich als BDI-Präsident vom „Öko-Paulus“ zum „Öko-Saulus“ gewandelt.[5]
1996 Günter Rexrodt (FDP) Bundeswirtschaftsminister Für seine unablässigen Versuche, „jeden auch noch so geringen Fortschritt in der Umweltpolitik zu verhindern“. Dies äußere sich unter anderem durch eine industrieorientierte Politik, die maßgeblich dazu beitrage, das von der Bundesregierung selbst auserkorene Klimaschutzziel (Senkung des Kohlendioxidausstoßes bis zum Jahr 2005 um ein Viertel unter das Niveau von 1990) nicht zu erreichen. Hervorgehoben werden ein Energiewirtschaftsgesetz-Entwurf, dessen Preiskampf um Großkunden die Energieverschwendung fördere. Ferner die Deregulierung und Abbau von Bürgerrechten bei der Müllverbrennung, den Betrieb von gentechnischen Anlagen und die Verhinderung von Umweltverträglichkeitsprüfungen beim Bau von Stromleitungen.[6]
1997 Theo Waigel (CSU) Bundesfinanzminister Weil er „Finanzpolitik gegen den Naturschutz betreibe“.[7] Waigel trage die politische Verantwortung für den Verkauf von großen Teilen alter ostdeutscher Nationalparks an private Interessenten.[8]
1998 Otto Majewski Bundesvorsitzender der Bayernwerk AG Für seinen „vehementen Kampf“ gegen den Ausstieg aus der Atomenergie. Majewski habe wie kein anderer Atommanager die Höhe der angeblichen Entschädigungsansprüche der Kraftwerksbetreiber überzogen und dreistellige Milliardenbeträge als Kosten des Atomausstiegs gefordert.[9]
1999 Erwin Teufel (CDU) Ministerpräsident von Baden-Württemberg Weil er „dem Natur- und Umweltschutz persönlich geschadet“ habe und „selbst einfachste Schritte für den Naturschutz verweigere“. Dies äußere sich unter anderem durch Verhinderung eines Gutachtens zur Errichtung des ersten Nationalparks Baden-Württembergs im Nordschwarzwald. Weitere Gründe seien die in der Koalitionsvereinbarung von 1996 aufgeführte Umweltpartnerschaft Baden-Württemberg, eine „industriedominierte Deregulierungsinstanz für den Umweltschutz“, sowie der Verkauf der landeseigenen Anteile der EnBW an Frankreich, was die Förderung von Atomstrom nach Deutschland bedeute.[10]
2000 Lee R. Raymond Präsident des Ölkonzerns Exxon Für die „energie- und klimapolitische Blockadehaltung“ von Exxon, die sich unter anderem in der Mitgliedschaft bei der Global Climate Coalition äußere. Die Industrie-Lobbygruppe stellte sich gegen schärfere Klimaschutzregeln[11] (im Gegensatz zu anderen Ölkonzernen wie BP oder Shell, die aus der Gruppe ausgestiegen waren und sich der Erforschung alternativer Energien gewidmet hatten).[12]
2001 Gerd Sonnleitner Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Für seine „konsequente Bremsleistung in Sachen Agrarwende“,[13] die sich unter anderem in seiner „bemerkenswert schlichte(n)“ Lobbyarbeit, seine „ständige Litanei gegen jeden noch so überfälligen Reformschritt vom Bundesnaturschutzgesetz bis zur Ökosteuer“ und sein „permanentes Nein zu Verbesserungen bei der Tierhaltung und der Reduzierung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln“ äußert.[14]
2002 Gerhard Goll Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg (EnBW) Für seine „beharrlichen Versuche, der Atomenergie in Deutschland eine Zukunft zu sichern“,[15] so unter anderem durch das Festhalten an dem Kernkraftwerk Obrigheim, dem seinerzeit mit 32 Jahren ältesten Atomkraftwerk in Deutschland.[16]
2003–
2004
Preis nicht vergeben
2005 Ludwig Georg Braun Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Für seine „beharrliche anti-ökologischen Haltung in der Öffentlichkeit“, so unter anderem im DIHK-Positionspapier Für einen Strategiewechsel in der Umweltpolitik, in der der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vor der Bundestagswahl eine Kehrtwende in der Umweltpolitik gefordert hatte.[17]
2006 Harry Roels Vorstandsvorsitzender der RWE AG Für seine „hemmungslose Atompolitik und dem provozierenden Antrag auf Laufzeitverlängerung für Deutschlands ältesten und störanfälligsten Reaktor, Biblis A.[18]
2007 Joachim Hunold Vorstandschef von Air Berlin Für seine „Ignoranz gegenüber notwendigen Klimaschutzmaßnahmen“. Obwohl die negativen Folgen des Klimawandels für Mensch und Natur bekannt seien, spiele er das Problem in der Öffentlichkeit herunter und „versuche, das Flugzeug auch noch als klimafreundliches Verkehrsmittel zu verkaufen“. Außerdem polemisiere Hunold „gegen die längst überfällige Einführung einer Mineralöl- und Ökosteuer auf Flugkerosin.“[19][20]
2008 Michael Glos (CSU) Bundeswirtschaftsminister Für „seine katastrophale Ökobilanz“, da er die Atomtechnologie fördere, die Proteste gegen den Bau weiterer Kohlekraftwerke aufweiche und die Kraft-Wärme-Kopplungstechnik blockiere. Er sei zu weiten Teilen dafür verantwortlich, dass „das Energie- und Klimapaket der Bundesregierung so verwässert wurde, dass sich damit die notwendige Reduzierung der Treibhausgase in Deutschland um 40 Prozent bis 2020 gegenüber 1990 nicht erreichen lässt“.[21]
2009 Hans Werner Sinn Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung „Hans-Werner Sinn handelt verantwortungslos, wenn er zentrale Klimaschutzinstrumente wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz infrage stellt, die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gutheißt und eine ökologisch ausgerichtete Politik pauschal als schädlich verteufelt“, so Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. In der Finanz- und Wirtschaftskrise verbreite Sinn zudem seine veralteten Theorien vom alles regulierenden Markt.[22]
2010 Jürgen Großmann Vorstandsvorsitzender der RWE-AG „Mit seiner hemmungslosen und provozierenden Beeinflussung der Bundesregierung für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die im Spätsommer in einer von ihm initiierten Anzeigenkampagne gipfelte, hat sich Herr Großmann den Preis in diesem Jahr redlich verdient“ (NABU-Präsident Olaf Tschimpke).[23]

Einzelnachweise

  1. a b Aktionen & Projekte / Dino des Jahres. NABU.de. Naturschutzbund Deutschland. Abgerufen am 29. Dezember 2010.
  2. Dinosaurier des Jahres. NABU.de. Naturschutzbund Deutschland (28. Dezember 2007). Archiviert vom Original am 12. Juni 2008. Abgerufen am 29. Dezember 2010.
  3. vgl. Thewes, Frank: Ein Kopp wie Hartholz und Kohle. In: die tageszeitung, 29. Dezember 1993, S. 6
  4. vgl. AP: Negativrekord: Dinosaurier 94 gekürt. In: die tageszeitung, 29. Dezember 1994, S. 6
  5. vgl. Das Porträt: Öko-Saulus. In: die tageszeitung, 22. Dezember 1995, S. 11
  6. Umwelt/Auszeichnungen - NABU wählt Wirtschaftsminister Rexrodt zum "Dinosaurier des Jahres". NABU (28. Dezember 2005). Archiviert vom Original am 21. Februar 1999. Abgerufen am 29. Dezember 2010.
  7. vgl. 'Peinlichster Umweltpreis' ging an Waigel. Associated Press Worldstream, 29. Dezember 1997, 05:35 Eastern Standard Time
  8. vgl. Agence France-Presse: Waigel zum Dinosaurier des Jahres gekürt. In: die tageszeitung, 30. Dezember 1997, S. 7
  9. vgl. Deutschlands 'peinlichster Umweltpreis' an Bayernwerk-Chef. Associated Press Worldstream, 29. Dezember 1998, 10:11 Eastern Standard Time
  10. vgl. Rademaker, Maike: Dinosaurier des Jahres: Erwin Teufel. In: die tageszeitung, 30. Dezember 1999, S. 9
  11. vgl. NABU verleiht Umwelt-Dinosaurier an Exxon-Chef. Associated Press Worldstream, 28. Dezember 2008, Hamburg, 02:28 Eastern Standard Time
  12. vgl. NABU kürt Exxon-Präsident Raymond zum „Dinosaurier des Jahres“. Agence France-Presse, 28. Dezember 2000, Hamburg
  13. vgl. Naturschützer küren Sonnleitner zum „Dinosaurier“. In: Die Welt, 29. Dezember 2001, Ausg. 303/2001, S. 4
  14. vgl. Pötter, Bernhard: Dompteur der Dinosaurier. In: die tageszeitung, 29. Dezember 2001, S. 10
  15. vgl. EnBW-Chef Goll ist Umwelt-'Dinosaurier des Jahres 2002' . DPA-AFX, 27. Dezember 2002
  16. vgl. Rüdiger, Johanna: Dinosaurier des Jahres geht an EnBW-Chef Goll. Associated Press Worldstream, 27. Dezember 2002
  17. NABU ehrt DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun mit “Dinosaurier des Jahres 2005”, NABU. 28. Dezember 2005. Abgerufen am 29. Dezember 2010. 
  18. NABU ehrt RWE-Chef Harry Roels mit “Dinosaurier des Jahres 2006”, NABU. 28. Dezember 2006. Abgerufen am 29. Dezember 2010. 
  19. NABU ehrt Air-Berlin-Chef Joachim Hunold mit “Dinosaurier des Jahres 2007”, NABU. 28. Dezember 2007. Abgerufen am 29. Dezember 2010. 
  20. Umweltfrevler-Preis: Air-Berlin-Chef Hunold ist „Dinosaurier des Jahres 2007“. In: Spiegel Online, 28. Dezember 2007. Abgerufen am 29. Dezember 2010. 
  21. vgl. Glos bekommt „Dinosaurier des Jahres“. www.heute.de, 30. Dezember 2008
  22. Ökonom Sinn erhält „peinlichsten Umweltpreis“. In: Handelsblatt.com, 29. Dezember 2009. Abgerufen am 29. Dezember 2010. 
  23. Atomboss ist „Dinosaurier des Jahres“: NABU zeichnet RWE-Chef Jürgen Großmann aus, NABU. 29. Dezember 2010. 

Weblinks


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