- Doppelkapelle
-
Die Doppelkapelle oder auch Doppelkirche (im weiteren Sinne) ist ein Bauwerk mit zwei übereinander angeordneten gemeinsam genutzten Kulträumen bzw. Kapellen unterschiedlicher liturgischer Funktion. Meist befindet sich über einer Begräbniskapelle im Untergeschoss eine Feierkirche im Obergeschoss.
Inhaltsverzeichnis
Architektur
Bei dieser in der mittelalterlichen Baukunst bis zum 13. Jahrhundert verwendeten speziellen Form des Sakralbaus werden die beiden Kirchenräume mit zumeist – aber nicht immer (vgl. Goslar) – identischen Grundrissen in übereinanderliegenden Stockwerken errichtet.
Die frühere Zuordnung der beiden Kapellengeschosse, die eine „Trennung zwischen den unteren und oberen Gesellschaftsschichten des Mittelalters“ annahm, bei der die Unterkapelle dem „gemeinen Volk“ und die Oberkapelle den „feudalen Herren“ zugewiesen wurde, ist durch keinen Beweis zu erhärten. Stattdessen ist die Unterscheidung zwischen einer „öffentlichen“ Unterkapelle, in der der Herrscher vor Amtshandlungen oder bei „Staatsbesuchen“ mit seinen Gästen eine Messe feierte von einer „privaten“ Oberkapelle, in der vor allem die Familie des Herrschers am Gottesdienst teilhaben konnte oder eine Oberkapelle, die dem Hofgottesdienst vorbehalten war, und eine Unterkapelle als Grabraum, die auch den Totenmessen diente, anzunehmen. Bei diese romanischen Kapellen sind Ober- und Unterkapelle in der Regel durch eine meist sekundär erweiterte Bodenöffnung der oberen Kapelle miteinander verbunden.
Die Doppelkapelle fand zahlreiche Nachfolger vor allem in Kombinationen aus Friedhofskapelle und Karner und in zahlreichen zweigeschossigen Friedhofskapellen Süddeutschlands, Österreichs und Böhmens. Als reine Friedhofskapellen sind Doppelkapellen meist dem Heiligen Michael geweiht worden. Den Charakter eines Kapellenkarners erhielt die Unterkapelle nach dem Scheitern der feudalen Kreuzzüge als spätgotische Heiltumskapelle mit bürgerlicher Totengedächtniskapelle (z.B. Kiedrich oder Görlitz).
Bekannte Doppelkapellen
Meistens wurden die Doppelkapellen in staufischen Pfalzen bzw. Burgen, aber auch in Klöstern errichtet. Die bekanntesten von ihnen sind:
- St. Michael in Fulda als frühestes nachgewiesenes Beispiel in Deutschland
- Palastkapelle St. Gotthard am Mainzer Dom als eine Hofkapelle in ihre vollkommensten Ausprägung
- Kapelle St. Crucis über der Stadt Landsberg als einzig erhaltenes Gebäude der ehemaligen Burg Landsberg
- Goslarer Pfalzkapelle St. Ulrich
- Kapelle der Kaiserburg in der Nürnberger Burg
- Kapelle auf Schloss Neuenburg über Freyburg als Vierstützenraum nach byzantinischen Vorbild
- Doppelkapelle Rhoda (Westfalen) als vereinfachter stützenloser Raum
- Kapelle auf der Burg Trifels im romanischen Bergfried
- Kapelle auf der Burg Lohra
- Doppelkapelle St. Emmeram und St. Katharina im Dom zu Speyer
- Doppelkapelle St. Nikolau in Nienburg an der Saale
- Kapelle in der Predigerkirche in Eisenach
- Kapelle im Kloster St. Ludgeri in Helmstedt
- Nikolauskapelle in der Kaiserpfalz in Kaiserslautern
- Doppelkapelle St. Trinitatis und Johannes Nepomuk in der Burgruine Breitenstein
- Doppelkapelle zum Heiligen Kreuz (nach 1465) des Heiligen Grabes in Görlitz mit der Adamskapelle als Unterkappelle und der Golgathakapelle als Oberkapelle
- Michaleskapelle (1444) mit Karner in Kiedrich (Rheingau)
- Doppelkirche St. Clemens in Schwarzrheindorf als Synthese von Emporenrotunde und Hofkapelle der Kölner Erzbischöfe unter Wahrung der Trennung von Grabkapelle und Feierkirche
- ehemalige Doppelkirche St. Simeon der Porta Nigra in Trier mit dem Grab des Heiligen Simeon in der Unterkapelle
- St. Katharinenkapelle der Burg Greifenstein in Hessen mit gotischem Unterbau, entstanden durch Baumaßnahmen bei der Barockisierung der Schlosskirche
Außerhalb Deutschlands gibt es u.a. folgende bekannte Doppelkapellen:- Bischofskapelle Hereford in England (1079–95) als ältestes erhaltenes Beispiel zweier durch eine Bodenöffnung verbundener Kapellen
- Doppelkapelle auf der Burg Eger in Böhmen
- Doppelkapelle St. Ulrich und St. Nikolaus im Benediktinerkloster St. Johann in Graubünden
Siehe auch
Literatur
- Gerhard Strauss; Harald Olbrich (Hrsg.): Lexikon der Kunst. Architektur, bildende Kunst, angewandte Kunst, Industrieformgestaltung, Kunsttheorie. E. A. Seemann, Leipzig 1989, ISBN 3-363-00286-6, Bd. 2 (Cin–Gree), S. 193 f.
- Mathias Haenchen: Die mittelalterliche Baugeschichte der Goslarer Pfalzkapelle St. Ulrich. Diss. TU Braunschweig 1998, Braunschweig 1998
- Oscar Schürer: Romanische Doppelkapellen. Eine typengeschichtliche Untersuchung. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwisschenschaft 5, 1929, S. 99–192
Weblinks
Commons: Double chapel – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienKategorien:- Kirchenbautyp
- Liste (Kirchengebäude nach Name)
- Doppelkirche
- Architektur des Mittelalters
- Lokale Bauform
Wikimedia Foundation.