Dorothea Kolland

Dorothea Kolland

Dorothea Kolland (* 31. Oktober 1947 in Selb, Oberfranken; geborene Dorothea Keupp) ist eine deutsche Musikwissenschaftlerin. Seit 1981 ist sie Leiterin des Kulturamtes des Berliner Bezirks Neukölln.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Dorothea Kolland ist die jüngste Tochter von Heinrich Keupp und Beate Keupp, geb. Mund. Sie besuchte in Selb die Oberrealschule und lebte bis zu ihrem Abitur in Thierstein (Fichtelgebirge), wo ihr Vater bis 1975 Gemeindepfarrer war. Der Psychologe Heiner Keupp ist ihr Bruder. Heute lebt Dorothea Kolland gemeinsam mit Hubert Kolland in Berlin und hat zwei Kinder.

Studium

Ab 1967 studierte Dorothea Kolland Sologesang bei Marianne Schech an der Hochschule für Musik und Theater München und Musikwissenschaft bei Thrasybulos Georgiades an der Universität München (neben Italianistik, Soziologie und Ev. Theologie). 1969/70 verbrachte sie an der Università degli Studi di Firenze bei Howard M. Brown und setzte ihr Studium an der TU Berlin bei Carl Dahlhaus (neben Michael Nerlich und Wolf Lepenies) fort und promovierte dort 1978 über „Die Jugendmusikbewegung: ‚Gemeinschaftsmusik’ – Theorie und Praxis“.

Berufliche Tätigkeiten

Während ihres Studiums übersetzte Dorothea Kolland MGG-Artikel aus dem Italienischen, war journalistisch tätig und assistierte György Ligeti zeitweise (1972/73) bei der Ausarbeitung von Kompositionen und seinen Kompositionsverhandlungen. Ihre musikwissenschaftlichen Themenschwerpunkte sind u. a. Berliner Musikgeschichte, Anfänge des Musiktheaters, Musikpädagogik, Arbeitermusikbewegung, Hanns Eisler, Musik im und gegen den Nationalsozialismus.

1978 wurde sie Bildungsreferentin bei der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung an der Akademie Remscheid und führte u. a. die Projekte „Jahr des Kindes“ und „Kinderkulturwochen“ durch.

Seit 1981 ist sie Leiterin des Kulturamts Neukölln. Damit übernahm sie die Aufgabe, die kulturelle Infrastruktur in Neukölln zu erhalten, auszubauen und weiterzuentwickeln. Im Verbund mit anderen gelang schrittweise die Reinstitutionalisierung, Wiedereröffnung bzw. Ausweitung von Kultureinrichtungen wie der Galerie im Körnerpark, dem Museum Neukölln (das 1987 mit dem Museumspreis des Europarats ausgezeichnet wurde), dem Gemeinschaftshaus in der Gropiusstadt oder auch dem Saalbau Neukölln, der nach Jahrzehnten des Verfalls seit 1990 wieder als Theater-, Konzertsaal und Ausstellungsraum genutzt werden kann. (Seit 2010 als "Heimathafen" privatisiert)2001 kam das Kulturhaus "Alte Dorfschule Rudow" dazu. Daneben gelang die Ansiedlung von unabhängigen Kulturinstitutionen wie der Neuköllner Oper, welche seit 1988 in der traditionsreichen Passage der Karl-Marx-Straße eine feste Spielstätte finden konnte und heute als „4. Berliner Opernhaus“ die meisten Uraufführungen präsentiert, ferner das Passage-Kino und das Neuköllner Puppentheater-Museum und der "Werkstatt des Wissens" des Comenius-Gartens. Sie initiierte das Langzeit-Forschungsprojekt "Widerstand in Neukölln" (1983), das mit der Einrichtung des Gedenk-Terminals im Rathaus Neukölln seinen vorläufigen Abschluss fand.

Im Mittelpunkt ihrer praktischen wie theoretischen Arbeit auf lokaler wie internationaler Ebene steht das Bemühen um Realisierung einer Kulturarbeit, für die als oberstes Prinzip Diversity und Social Inclusion sowie Chancengleichheit gilt. Deshalb liegen die besonderen Arbeitsschwerpunkt auf den Bereichen Kulturelle Bildung, interkulturelle Kulturarbeit und Kultur im Rahmen von Stadtentwicklung. Eine besondere Herausforderung ist durch den wachsenden Zustrom von internationalen Künstlern und jungem gebildetem Publikum bei gleichzeitigem Wachsen sozialer Probleme (Armut, Arbeitsloskeit, Bildungdefizite) insbesondere in Nord-Neukölln entstanden, die Gentrifizierungsdebatten ausgelöst hat.

Sie initiiert, organisiert und leitet zahlreiche Projekte und Ausstellungen. Ein zentraler Aspekt ist dabei, Menschen unterschiedlicher kultureller und sozialer Prägungen zusammenzuführen und in dauerhafte Dialoge einzubinden. Dabei gelang es immer wieder ortsansässigen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern nicht nur Raum zum Arbeiten zu ermöglichen, sondern zugleich auch für Projekte in Neukölln gewinnen zu können, welche sich mit der sozialen Wirklichkeit, den Menschen und Problemen und der Geschichte des Bezirkes auseinandersetzen. Dorothea Kolland hat zur Unterstützung dieser vielfältigen Projekte gemeinsam mit anderen neuköllner Initiativen die Gründung des Kulturnetzwerk Neukölln e.V. sowie der Bürgerstiftung Neukölln initiiert.

Unter der Leitung von Dorothea Kolland beteiligte sich das Kulturamt Neukölln mehrfach an internationalen Kulturaustauschen und Städtepartnerschaften wie „Buenos Aires – Berlin“ (2004), Prag, Paris, Lyon, St. Petersburg, Toronto, Brasilien, wodurch im Verlauf ein dichtes, mittlerweile weit über Neukölln und auch Berlin hinausreichendes, internationales Kulturnetzwerk entstanden ist. 2008 erreichte sie durch ihre Bewerbungsinitiative, dass Neukölln am Europarats-Projekt INTERCULTURAL CITIES teilnimmt.

Im Rahmen ihrer langjährigen Mitgliedschaft im Rat für die Künste Berlin hat sie die Offensive Kulturelle Bildung (2007) maßgeblich initiiert und die Modelle "Patenschaften" und "Fonds kulturelle Bildung" entwickelt. Sie ist Mitglied im Landesbeirat Kulturelle Bildung.

Für ihr bürgerschaftliches Engagement und das Aufgreifen von zu unrecht wenig beachteten und teils unbequemen Themen jenseits des Mainstreams erhielt sie 1997 das Bundesverdienstkreuz.

Mitgliedschaften

  • Jury-Mitglied im Hauptstadtkulturfonds (2000–2004)
  • Vorstandsmitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft
  • Rat für die Künste (bis 2010)
  • Bürgerstiftung Neukölln (Vorstand)
  • Kulturnetzwerk Neukölln (Vorstand)
  • Landesbeirat Kulturelle Bildung

Projekte (Auswahl)

  • "Kiez international" (seit 1982)
  • "Widerstand in Neukölln" (1983)
  • 175 Jahre Turnplatz im Volkspark Hasenheide (1985)
  • "Pollicino", Oper von Hans Werner Henze (1986)
  • "Dem Kelch zuliebe Exulant - 250 Jahre Böhmen in Neukölln" (1987)
  • "Ein Bild, ein Buch, ein Eselsohr - eine Ausstellung für Kinder" (1988)
  • "10 Brüder waren wir gewesen - jüdisches Leben in Neukölln" (1988)
  • "Rixdorfer Musen, Neinsager & Caprifischer - Musik- und Theatergeschichte aus Neukölln" (1990)
  • "Heiratest Du wirklich Hasan Schmidt?" (Musical, 1990)
  • "Mädchen in Sicht - eine Mädchenausstellung" (1991)
  • "Himmel, Hölle, Gummitwist - Geschichte des Berliner Kinderspiels" (1993)
  • "Immer wieder Fremde – Neuköllner Kirchengeschichte" (1994)
  • "48 Stunden Neukölln" (seit 1998); 2008 mit dem Kulturpreis der Kulturpolitischen Gesellschaft ausgezeichnet
  • Entwicklung des interkulturellen Projekts "Gute Töchter – Gute Söhne. Von Missverständnissen des Zusammenlebens" (2002)und des Projekts "19 Freiheiten"
  • Projekte zur Stadtentwicklung und Kultur wie das "Pilotprojekt Gropiusstadt" und die "Areale" mit Kunstaktionen wie das "Grüne Hochhaus", das "Salatfeld", die "Werkstatt für Veränderung", "Areale","Okkupation", "Space Thinks" und die mittlerweile zur Institution gewordene "Längste Kaffeetafel" in der Gropiusstadt.
  • "Récup – vom Abfall dieser Welt. Ein Kunstprojekt zwischen Neukölln und Afrika" (2007)
  • Kulturentwicklungsplan Neukölln (2009), (www.kultur.neukoelln.de)
  • 650 Jahre Rixdorf - Neukölln (2010), dazu zahlreiche Projekte, u.a. den Comic "Weltreiche erblühten und fielen. 650 Jahre Rixdorf - Neukölln" und "Weltbürger" (Dokumentation)
  • Künstler - Schüler - Workshops zur Sanierung der Karl-Marx-Straße (seit 2009), Dokumentation 2010 in "Querstraße" (Kulturamt Neukölln)

Publikationen (Auswahl)

  • Die Jugendmusikbewegung. "Gemeinschaftsmusik" - Theorie und Praxis. Stuttgart 1979
  • Stadtentdeckungsreise und Musikbaumgerassel. Erfahrungen, Ergebnisse und Perspektiven der Kinderkulturarbeit. Regensburg 1981
  • Kulturarbeit mit ausländischen Kindern und Jugendlichen. Modelle, Projekte und Erfahrungen (gemeinsam mit H. Bockhorst). Remscheid 1981
  • ...Zehn Brüder waren wir gewesen... Spuren jüdischen Lebens in Neukölln. Berlin 1988
  • Rixdorfer Musen, Neinsager und Caprifischer. Musik- und Theatergeschichte aus Rixdorf und Neukölln. Ed. Hentrich, Berlin 1990
  • Immer wieder Fremde. Kirchengeschichte zwischen Herrschaftstreue, Glaubensanspruch und Menschlichkeit. Berlin 1994
  • FrontPuppenTheater. Puppentheater im Kriegsgeschehen. Elefanten Press, Berlin 1997
  • Terra Incognita? Stadtbilder Neuköllns. Kramer, Berlin 1999
  • Zwischen Skylla Multikultur und Charybdis Leitkultur. In: Kulturpolitische Mitteilungen 91, Bonn 2000
  • Die Karl-Marx-Straße. Kramer, Berlin 2001
  • Der lange Weg zur Stadt. Die Gropiusstadt im Umbruch. Kramer, Berlin 2002
  • Aus dem Keller aufs Dach. Amt für Kultur und Bibliotheken, Neukölln 2006
  • „Kiez international“ in der „Contact Zone“: Interkulturelle Konzepte in Berlin-Neukölln. In Jahrbuch für Kulturpolitik, Essen 2002/2003)
  • Dealing with values:'Good Sons, good Daughters - Misunderstandings in Community life', in: Yudihishthir Raj Isar (Hrg): inclusive europe, Budapest 2005
  • Kulturelle Vielfalt: Diversität und Differenz. In: Jahrbuch für Kulturpolitik, Essen 2006
  • Eine vergessene Dimension: Die Banlieues von Europa. In: Jahrbuch für Kulturpolitik,Essen 2007
  • Die „Neuköllner Leitlinien“: Interkulturelle Kulturarbeit in Berlin-Neukölln, in: Institut für Kulturpolitik (Hrg): Beheimatung durch Kultur. Kulturorte als Lernorte interkultureller Kompetenz. Essen 2007
  • Die sinnlichen Menschen vernünftig machen. Dorothea Kolland denkt nach über das Bildungspotential von Kunst und den daraus resultierenden Verantwortlichkeiten. In: Tanz-Journal 5 - 2007. Friedrich Verlag*
  • Immigrants in Berlin, in: J.A.Williams (Hrg) Berlin since the wall's end. Cambridge 2008
  • In die Geschichte einblenden. Geschichte, divers erzählt.Jahrbuch für Kulturpolitik 2009. Thema: Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik.

Essen 2009

  • Weltreiche erblühten und fielen. 650 Jahre Rixdorf - Neukölln. Comic. Zusammen mit Anna Faroqhi (2010)
  • Vom Problembezirk zum Kunstquartier. Kulturarbeit in Neukölln. In: Volke, Kristina (Hrsg.) Intervention Kultur. Von der Kraft kulturellen Handelns. Wiesbaden 2010

Weblinks


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