Eduard O’Rourke

Eduard O’Rourke

Eduard Graf O’Rourke (* 26. Oktober 1876 in Basin (heute zu Minsk); † 27. Juni 1943 in Rom) war Bischof von Riga und danach der erste Bischof von Danzig.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Ausbildung

Die aus Irland eingewanderte Familie O’Rourkes gehörte zum Adel des Russischen Kaiserreiches. Eduard war der Sohn von Michael Graf O’Rourke und der Deutschbaltin Angelika von Bochwitz. Der junge Eduard wurde – begünstigt durch seine Abstammung und die multiethnische Bevölkerungsstruktur des damaligen Weißrusslands – transnational erzogen.

Schon in seiner Jugend lernte O’Rourke mehr als ein halbes Dutzend Sprachen: Deutsch, Englisch, Russisch, Französisch, Polnisch, Latein und Griechisch. Er besuchte erst das Jesuitengymnasium in Bąkowice (heute: Chyriw), ab 1890 die staatlichen Gymnasien in Vilnius und Riga. In der lettischen Hauptstadt legte er 1898 die Reifeprüfung ab.

An der dortigen Universität absolvierte O’Rourke ein Studium der Nationalökonomie und Handelswissenschaften, das er 1903 durch einen Studienaufenthalt 1903 in Freiburg im Üechtland (Schweiz) und in Innsbruck unterbrach und im darauffolgenden Jahr erfolgreich abschloss. Vermutlich beeinflusst durch den Bischof von Vilnius, Eduard Freiherr von der Ropp, ging O’Rourke im Mai 1904 an die Theologische Fakultät der Jesuiten nach Innsbruck. Noch vor seinem Studienabschluss im Herbst 1908 wurde er im Oktober 1907 in Vilnius zum Priester des Bistums Žemaitien geweiht.

Tätigkeit in Russland

Nach Beendigung des Studiums wurde O’Rourke Professor für Kirchengeschichte, für deutsche und französische Sprache am Priesterseminar des Erzbistums Mohilev in Sankt Petersburg. Nach kurzer Tätigkeit als erzbischöflicher Sekretär wurde ihm während des Ersten Weltkriegs die fünfsprachige Pfarrei St. Stanislaus in St. Petersburg übertragen. Dort erlebte er 1917 die Russische Revolution, deren Erlebnis zeitlebens seine Haltung gegenüber Kommunismus und Bolschewismus bestimmte. Als die russische Regierung unter Kerenski 1917 entschied, die Diözese Minsk wiederzuerrichten, ernannte ihn der Erzbischof von Vilnius, Jan Feliks Cieplak, zum Diözesan-Administrator. Papst Benedikt XV. setzte ihn zum vorläufigen Leiter der katholischen Kirche Russlands mit Sitz in Minsk ein.

Bischof von Riga

Wappen des Bischofs von Riga

Durch die Erklärung der staatlichen Selbständigkeit Lettlands im November 1918 sah sich der Hl. Stuhl veranlasst, auch das Bistum Riga als katholische Diözese wiederzuerrichten. O’Rourke wurde am 29. September 1918 zum Bischof von Riga ernannt, konnte aber erst im Frühjahr 1919 in seine Bischofsstadt gelangen. Inmitten politischer Wirren und kriegerischer Verwicklungen (noch standen deutsche Truppen im Land und kämpften gegen die Bolschewiken) ging der Bischof daran halbwegs geordnete Verhältnisse in der katholischen Seelsorge herzustellen.

Mit Zustimmung der lettischen Behörden holte er auswärtige Ordensleute ins Land, da ihm für eine halbe Million Katholiken kaum Priester zur Verfügung standen. Die meisten Geistlichen waren nach Deutschland oder Polen geflohen. Ferner versuchte er, eine Priesterschaft der lettischen Nationalität aufzubauen. Auf Anraten O’Rourkes erweiterte der Hl. Stuhl die Diözese Riga durch die zum Bistum Kaunas gehörende Provinz Kurland. Die kirchlichen Grenzen deckten sich nun mit denen des lettischen Staates. Gleichzeitig führte O’Rourke Konkordatsverhandlungen, die vom Apostolischen Nuntius in Warschau, Achille Ratti, begleitet wurden.

Den Konkordatsabschluss und die Erhebung Rigas zum Erzbistum am 30. Mai 1922 erlebte O’Rourke nicht mehr in Lettland. Er wurde von einer neu ins Amt gekommenen Regierung angefeindet, weil er nicht Lettisch sprach. Deshalb bot er dem Hl. Stuhl seinen Rücktritt an. Er wurde stattdessen am 10. April 1920 zum Titularbischof von Canea und Apostolischen Delegaten für die baltischen Staaten ernannt. Mit Ratti bemühte er sich, dort die Konkordatspolitik des Hl. Stuhls zu verwirklichen.

Bischof von Danzig

Wappen des Bischofs von Danzig
Gedenktafel in der Kathedrale von Danzig

Im Auftrag des Hl. Stuhls reiste O’Rourke zwischen Mai und Dezember 1921 zu Informationszwecken dreimal nach Danzig. Auch für die vom Deutschen Reich abgetrennte Stadt mussten die Bistumsgrenzen angepasst werden. Im April 1922 wurde O’Rourke Oberhirte der neu errichteten Apostolischen Administratur für Danzig.

Im November 1921 hat ihm der Papst auch die Flüchtlingsseelsorge für die Russen in Danzig und Ostpreußen übertragen. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre wurde die Emigrantenfürsorge in Deutschland neu organisiert. Das 1928 gegründete Päpstliche Hilfswerk für die Russen in Deutschland unterstand der Aufsicht O’Rourkes.

Seit 1925 Vikar in Danzig zu St. Brigitten, wurde er 1928 Pfarradministrator mit dem Titel Dompfarrer an der Kathedrale zu Oliva in Danzig-Oliva.

Am 2. Januar 1926 wurde Eduard O’Rourke zum ersten Bischof des neuen Bistums Danzig ernannt. In der Pastoral versuchte der Bischof nach Möglichkeit auch der polnischen Minderheit gerecht zu werden. Am 1. September 1924 errichtete der Bischof eine polnische Kuratie als Personalpfarrei. In Danzig bemühte er sich wie in Riga zunächst um den Aufbau eines einheitlichen Bistums, wobei ihm sein Generalvikar Anton Sawatzki einen Großteil der inneren Verwaltung abnahm. Sein Verhältnis zu den deutschen Behörden war anfangs gut, verschlechterte sich aber ab 1933 unter dem nationalsozialistischen Regime, dem er zu nachgiebig gegenüber den Polen war.

Unter seiner Leitung fand im Dezember 1935 eine Diözesansynode statt. In den folgenden beiden Jahren wurde die Stellung des den Polen sehr freundlich gesinnten Bischofs immer schwieriger. Durch politischen Druck der Danziger und im Hintergrund der deutschen Naziregierung wurde O’Rourke zum Rücktritt als Bischof von Danzig gezwungen. Stattdessen erhielt er im Juni 1938 den Titel eines Bischofs von Sophene. Nach seiner Resignation konstatierte er im Dezember 1938, dass er aufgrund der politischen Umstände einen traurigen Rekord halte, nun bereits den fünften Bischofstitel zu tragen. Durch den Verlust der Danziger Staatsangehörigkeit (siehe Weblink unten), die er vom 12. Juni 1926 bis zu seiner Resignation 1938 besaß, heimatlos geworden, nahm O’Rourke 1939 die polnische Staatsangehörigkeit und das Amt eines Domkapitulars in Gnesen/Posen an. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges siedelte er nach Rom über, wo er am 27. Juni 1943 verstarb.

Er wurde auf dem Friedhof Campo Verano bestattet. 1972 wurden O’Rourkes sterbliche Überreste in die Bischofsgruft der Kathedrale zu Danzig-Oliva überführt.

Literatur

  • Stefan Samerski: Die Katholische Kirche in der Freien Stadt Danzig 1920–1933. Köln u.a. 1991
  • Stefan Samerski (Hrsg.): Das Bistum Danzig in Lebensbildern. Ordinarien, Weihbischöfe, Generalvikare, apostolische Visitatoren 1922/25 bis 2000. (= Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 3). Münster/Hamburg/London 2003. ISBN 3-8258-6284-4

Weblinks


Vorgänger Amt Nachfolger
kein unmittelbarer Vorgänger Erzbischof von Riga
19181920
Antonijs Springovičs
Vorgänger Amt Nachfolger
kein unmittelbarer Vorgänger Bischof von Danzig
19261938
Carl Maria Splett

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