Eleusinische Mysterien

Eleusinische Mysterien

Die Mysterien von Eleusis waren Initiations- und Weiheriten, die sich um den Mysteriengott Jakchos (d. h. Dionysos, s. Dionysoskult) drehten, und die nach dem Demeterheiligtum in Eleusis bei Athen benannt waren. Die Mysterien gehörten zum Staatskult der Athener, wurden jedoch in der Spätantike auch von Reisenden aus allen Ländern besucht.

Die Teilnehmer der Mysterienfeiern mussten die Geschehnisse bei der Androhung der Todesstrafe geheim halten und wurden dadurch zu einem exklusiven Zirkel geeint. Sie glaubten, dadurch an der göttlichen Macht teilzuhaben und im Leben nach dem Tode davon zu profitieren. Trotz der Geheimhaltungspflicht konnte aus archäologischen Funden und überlieferten Texten die Abläufe der Feiern weitgehend rekonstruiert werden.

Die Mysterien bestanden aus umfangreichen kultischen Vorbereitungen, auf die ein Umzug von bis zu 3.000 Teilnehmern auf der heiligen Straße von Athen nach Eleusis (griech. „Ankunft“; heißt heute im Neugriechischen Elefsis) folgte. Während des Zuges wurden Szenen nachgestellt, die die Geschichten der Demeter, Persephone und des Dionysos darstellen.

Pausanias berichtet in seinen Reisebeschreibungen Buch X, 31:

„Die älteren Griechen hielten nämlich die Feier in Eleusis um so viel höher in Ehren als alles, was sonst zur Frömmigkeit gehört, …“

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die Mysterien basieren auf einer Legende, die sich um Demeter, die Göttin des Lebens und der Fruchtbarkeit, dreht. Ihre Tochter Persephone wurde durch die Gottheit des Todes und der Unterwelt Hades entführt. Während Demeter nach ihr suchte, vernachlässigte sie ihre Pflichten – die Erde gefror und die Menschen hungerten – der erste Winter. Während dieser Zeit lehrte Demeter Triptolemus die Geheimnisse der Landwirtschaft. Am Ende gelang es ihr, Persephone zurückzuholen und die Erde begann wieder zu leben – der erste Frühling ereignete sich. Während ihrer Entführung gab Hades Persephone einen Granatapfel, von dem sie ein paar Samen aß und deshalb konnte sie seitdem nicht mehr ständig im Land der Lebenden weilen, ein Drittel des Jahres zog es sie in die Unterwelt, den Rest des Jahres verbrachte sie mit ihrer Mutter – so entstanden die Jahreszeiten (die Griechen kannten allerdings nur drei Jahreszeiten, den Herbst unterschlugen sie).

Mit den Mysterien von Eleusis wurde Persephones Rückkehr in die Welt der Lebenden gefeiert, also der Frühlingsbeginn. Da sie während ihres Aufenthaltes in der Unterwelt Samen aß, ein Symbol des Lebens, steht ihre Wiedergeburt symbolisch für die Wiedergeburt allen pflanzlichen Lebens im Frühjahr und im größeren Rahmen allen Lebens auf Erden.

Im homerischen Hymnus an Demeter war König Keleos einer der ursprünglichen Demeter-Priester und einer der ersten, die in die geheimen Riten und Mysterien ihres Kultes eingeweiht wurden. Die anderen der ursprünglichen Priester waren Diokles, Eumolpos, Triptolemus und Polyxeinus. Triptolemus, der das Wissen um die Landwirtschaft ja direkt von Demeter erhalten hatte, gab dieses an das ganze Volk der Griechen weiter.

Ablauf der Mysterien

Man unterschied zwischen den größeren und den kleineren Mysterien von Eleusis. Die kleineren Mysterien, Myesis, wurden im Monat Anthesterion (Februar/März) abgehalten, wobei sich das genaue Datum bei Bedarf gelegentlich änderte. Die Priester läuterten die Kandidaten für die Initiation. Dem ging die Opferung eines Schweines voran; danach reinigten sich die Priester selbst rituell in Agrai durch ein Bad im Fluss Ilissos.

Die größeren Mysterien, die Teletai, fanden im Monat Boedromion (= „um Hilfe laufen“) (~August/September) statt, dem ersten Monat des Attischen Kalenders. Sie dauerten neun Tage. Zu ihrem Auftakt wurden die geheiligten Gegenstände am 14. Boedromion von Eleusis zum Eleusinion, einem Tempel am Fuße der Akropolis in Athen gebracht.

Am 15. Boedromion erklärten die Hierophanten, die Priester des Kults, die Prorrhesis, den offiziellen Beginn der Riten. Die Zeremonien begannen in Athen am 16. Boedromion mit der feierlichen Waschung der Priester im Meer bei Phaleron und der Opferung eines jungen Schweins im Eleusinion am 17. Boedromion.

Zwei Tage später, am 19. Boedromion begann am Athener Friedhof Kerameikos die Prozession zurück nach Eleusis. Hinter den Priestern, die Tafeln des Dionysos hochhielten, zog die Bevölkerung entlang der heiligen Straße und passierte dabei Abschnitte, die man Bakchoi nannte. An einem bestimmten Punkt des Weges riefen sie im Gedenken an Iambe Obszönitäten. Die Magd hatte es geschafft, Demeters Trauer um den Verlust ihrer Tochter mit einem derben Scherz zu erweichen und die Göttin so zu einem Lächeln gebracht. Immer wieder riefen die Teilnehmer Iakch´ o Iakche!, vermutlich als Referenz an Dionysos.

Nachdem die Prozession in Eleusis angekommen war, folgte ein Tag des Fastens in Erinnerung an Demeters Fasten während ihrer Suche nach Persephone. Mit dem Genuss eines besonderen Getränks aus Gerste und Frauenminze, dem Kykeon, wurde das Fasten gebrochen. Am 20. und 21. betraten die zukünftigen Priester die große Halle, das Telesterion, wo ihnen die heiligen Reliquien der Demeter gezeigt wurden und die Priesterinnen ihre Visionen der heiligen Nacht bekannt gaben. Im Zentrum des Telesterions befand sich das Anaktoron, der Palast, bei dem es sich um ein schmales Steingebäude handelte, zu dem nur die Hierophanten zutritt hatten. Im Anaktoron wurden die heiligen Objekte der Demeter aufbewahrt. Die Geschehnisse im Telesterion gehörten zu den geheimsten Teilen der Mysterien und auf Verrat der Geheimnisse stand die Todesstrafe.

Abends folgte die Pannychis, ein großes Fest, das die ganze Nacht andauerte und von Tanz und Fröhlichkeit begleitet wurde. Die zur Weihe bestimmten Jünglinge tanzten auf den Rharischen Feldern wie Dionysos in Mädchenkleidern. Es ging die Sage, die Felder seien der erste Fleck Erde, auf dem Getreide wuchs. Nachts oder am frühen Morgen wurde ein Stier geopfert.

Am Tag nach dem Fest, dem 22. Boedromion, ehrten die Initiaten den Tod durch ein Trankopfer aus besonderen Behältnissen.

Die Mysterien von Eleusis endeten am 23. Boedromion und alle Besucher kehrten wieder heim.

Teilnehmer

Es gab vier Arten von Teilnehmern an den Mysterien von Eleusia:

  1. die Priester, Priesterinnen und Hierophanten
  2. die zur Weihe bestimmten Jünglinge, die an der Zeremonie zum ersten Mal teilnahmen
  3. Andere, die schon einmal an der Zeremonie teilnahmen
  4. Diejenigen, die an der Epopteia teilgenommen hatten und von den großen Geheimnissen der Demeter erfahren hatten

Die Besucher, die die Feiern und insbesondere den Zug entlang der heiligen Straße begleiteten, nahmen nicht direkt an den Mysterien teil.

Zeit und Ende der Mysterienfeiern

Man vermutet oft, dass die Mysterien seit dem Mykenischen Zeitalter, seit etwa 1500 v. Chr., gefeiert wurden. Trifft dies zu, so wurden sie über einen Zeitraum von fast zweitausend Jahren jährlich abgehalten. Unter Peisistratos von Athen wurden die Mysterien von Eleusis zu einer panhellenischen Veranstaltung, und Pilger aus ganz Griechenland und darüber hinaus nahmen an den Feiern teil.

Ungefähr seit 300 v. Chr. lag die Kontrolle der Mysterien beim athenischen Staat, und insbesondere zwei Familien hatten besonderen Einfluss auf die Veranstaltung: die Eumolpidae und die Kerykes. Das führte zu einem starken Anstieg der Zahl der Weiheadepten, deren einzige Voraussetzungen war, dass sie keine Blutschuld haben und keine Barbaren sein durften. Das heißt, sie durften nie einen Mord begangen haben und mussten fließend Griechisch sprechen können. Männern, Frauen und auch Sklaven war es erlaubt, als Adepten die Weihen zu empfangen.

Auch bei den Römern der Oberschicht wurden die Mysterien bald beliebt. Augustus wurde in die eleusinischen Mysterien eingeweiht und Claudius wollte den Kult sogar nach Rom verlegen. Nero, in Griechenland weilend, vermied den Besuch in Eleusis allerdings nach dem Mord an seiner Mutter. Der letzte römische Kaiser, der in die Mysterien eingeweiht wurde, war dann um 360 Julian Apostata. Im Jahr 364 erließ der römische Kaiser Valentinian I. ein Edikt, das alle nächtlichen heidnischen Zeremonien verbot, dessen Durchsetzung jedoch vom römischen Prokonsul und dezidierten Anhänger der traditionellen Götterkulte Vettius Agorius Praetextatus verhindert wurde. Die Feiern in Eleusis wurden dann im Jahr 392 nach Christus durch den römischen Kaiser Theodosius I. per Dekret verboten. Bald nach der Zerstörung des Tempels in Eleusis durch den Goten Alarich 395, in dessen Gefolge sich arianische Christen befanden, gerieten die Mysterien in Vergessenheit.

Vom Ende der Mysterien von Eleusis berichtete um 400 Eunapios von Sardes, ein Geschichtsschreiber und Biograph griechischer heidnischer Philosophen. Eunapios selbst noch war vom letzten legitimen Hierophanten geweiht worden. Auch der christliche Kirchenvater Hippolyt von Rom berichtet in seinen Philosophumena von den Eleusinischen Mysterien. Vage Aussagen über den Ablauf der Mysterien finden wir unter anderem z. B. bei Pindar, Aischylos und Sophokles. Einer der wenigen, die das auferlegte Schweigegelübde brachen, war z. B. Diagoras von Melos, deshalb der „Gottlose“ genannt; er schrieb ein Buch über die Mysterien, wobei jedoch angeblich jede Kopie dieses Buches aufgespürt und vernichtet wurde.

Bezüge der Mysterien in späteren Zeiten

  • Konxompax heißt eine Schrift Johann Georg Hamanns (Konxompax. Fragmente einer apokryph. Sibylle über apokalypt. Mysterien; 1779) und ist dort der Zuruf des Hierophanten (Oberpriester der Mysterien) in den Eleusinischen Geheimnissen
  • Konx Om Pax, eine Schrift von Aleister Crowley

Literatur

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  • Ugo Bianchi: The Greek Mysteries, Leiden 1976.
  • J. N. Bremmer: Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland. 1996
  • Allaire Chandor Brumfield: The Attic Festivals of Demeter and their Relations to the Agricultural Year, Salem 1981.
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  • Woldemar von Uxkull: Die eleusinischen Mysterien, Versuch einer Rekonstruktion, Büdingen-Gettenbach: Avalun 1957.
  • R. Gordon Wasson / Albert Hofmann / Carl A. P. Ruck: "Der Weg nach Eleusis. Das Geheimnis der Mysterien", Frankfurt/M: Insel-Verlag 1984.

Weblinks


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