Ellens dritter Gesang

Ellens dritter Gesang

Ellens dritter Gesang (Ellens Gesang III „Hymne an die Jungfrau“, D 839, Op. 52 Nr. 6) ist ein Kunstlied von Franz Schubert aus dem Jahre 1825.

Ellens dritter Gesang. Aufgeführt von Dorothea Fayne (Gesang) und Uwe Streibel (Klavier)

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Das oft fälschlicherweise als Schuberts Ave Maria bezeichnete Stück basiert auf Walter Scotts Gedicht Lady of the Lake.[1] Die deutsche Übersetzung fertigte Adam Storck an. Storcks Fassung berichtet von dem Mädchen Ellen Douglas, der Lady of the Lake („Fürstin des Sees“). Sie versteckt sich mit ihrem Vater in einer Höhle, um der Rache des Königs auf Roderick Dhu, einem Clanchef, zu entgehen, der ins Exil geschickt wurde und ihr ein Obdach gegeben hat. In ihrer Verzweiflung richtet sie ein Gebet an die Jungfrau Maria und bittet sie um Hilfe. Sie wird von Roderick nicht gehört, da dieser weiter oben auf dem Berg seinen Clan für einen Krieg vorbereitet.

Die Ave Maria lautenden Eröffnungsworte und der Refrain führten zu einer häufigen Verwechslung mit dem christlichen Ave Maria. Die Verwechslung geht soweit, dass die lateinische Übersetzung Ave Maria inzwischen zu der Melodie von Schuberts Werk gesungen wird.

Stellung innerhalb des Zyklus

Schubert vertonte 1825 eine Auswahl von sieben Liedern aus Scotts The Lady of the Lake. Sie wurden 1826 als sein op. 52 veröffentlicht. Die Lieder sind in der Besetzung nicht einheitlich: die drei Gesänge Ellens sind Klavierlieder für eine Frauenstimme, die Lieder Normans und des Grafen Douglas waren für den Bariton Johann Michael Vogl vorgesehen. Die beiden restlichen Gesänge sind für je ein Männer- und ein Frauenensemble geschrieben.

  1. Ellens Gesang I D 837 „Raste Krieger, Krieg ist aus“/„Soldier rest! the warfare o’er“
  2. Ellens Gesang II D 838 „Jäger, ruhe von der Jagd“/„Huntsman, rest! thy chase is done“
  3. Bootgesang D 835 „Triumph, er naht“/„Hail to the chief“, Männerquartett (TTBB)
  4. Coronach (Totengesang der Frauen und Mädchen) D 836 „Er ist uns geschieden“/„He is gone to the mountain“, Chorlied (SSA)
  5. Normans Gesang D 846 „Die Nacht bricht bald herein“
  6. Ellens Gesang III (Hymne an die Jungfrau) D 839 „Ave Maria! Jungfrau mild!“/„Ave Maria! maiden mild!“, Lied für Frauenstimme
  7. Lied des gefangenen Jägers D 843 „Mein Roß so müd“/„My hawk is tired“

Schubert vertonte die Lieder auf die deutschen Übertragungen der Texte. Mit Ausnahme von Nr. 5 waren die Lieder jedoch offenbar auch dafür vorgesehen, mit den originalen englischen Texten herausgegeben zu werden. Die recht freie Übertragung von Adam Storck musste dazu jeweils der Musik entsprechend übersetzt und eingerichtet werden, was mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden war.

Text von Ellens drittem Gesang

Scott’s Hymn to the Virgin[2]

Ave, Maria! maiden mild!
Oh listen to a maiden’s prayer;
For thou canst hear tho' from the wild,
And Thou canst save amid despair.
Safe may we sleep beneath thy care
Tho' banish'd outcast and reviled,
Oh, Maiden hear a maiden’s prayer.
Oh Mother, hear a suppliant child!
Ave Maria!

Ave, Maria! undefiled!
The flinty couch we now must share,
Shall seem with down of eider piled
If Thy protection hover there.
The murky cavern’s heavy air
Shall breath of Balm if thou hast smiled;   
Then, Maiden hear a maiden’s prayer.
Oh Mother, hear a suppliant child!
Ave Maria!

Ave, Maria! stainless-styled!
Foul demons of the earth and air,
From this their wonted haunt exiled,
Shall flee before thy presence fair.
We bow us to our lot of care
Beneath Thy guidance reconciled,
Hear for a maid a maiden’s prayer;
And for a father bear a child!
Ave Maria!

Storcks Übersetzung

Ave Maria! Jungfrau mild,
Erhöre einer Jungfrau Flehen,
Aus diesem Felsen starr und wild
Soll mein Gebet zu dir hinwehen.
Wir schlafen sicher bis zum Morgen,
Ob Menschen noch so grausam sind.
O Jungfrau, sieh der Jungfrau Sorgen,
O Mutter, hör ein bittend Kind!
Ave Maria!

Ave Maria! Unbefleckt!
Wenn wir auf diesen Fels hinsinken
Zum Schlaf, und uns dein Schutz bedeckt
Wird weich der harte Fels uns dünken.
Du lächelst, Rosendüfte wehen
In dieser dumpfen Felsenkluft,
O Mutter, höre Kindes Flehen,
O Jungfrau, eine Jungfrau ruft!
Ave Maria!

Ave Maria! Reine Magd!
Der Erde und der Luft Dämonen,
Von deines Auges Huld verjagt,
Sie können hier nicht bei uns wohnen,
Wir woll’n uns still dem Schicksal beugen,
Da uns dein heil'ger Trost anweht;
Der Jungfrau wolle hold dich neigen,
Dem Kind, das für den Vater fleht.
Ave Maria!

Schuberts Frömmigkeit

Schubert schreibt am 25. (28.?) Juli 1825 aus Steyr an Vater und Stiefmutter:[3]

„Auch wundert man sich sehr über meine Frömmigkeit, die ich in einer Hymne an die heil. Jungfrau ausgedrückt habe und, wie es scheint, alle Gemüter ergreift und zur Andacht stimmt. Ich glaube, das kommt daher, weil ich mich zur Andacht nie forciere […]“

Diese Briefstelle kommentiert Peter Härtling[4] in seinem Schubert-Roman wie folgt:[5]

„Womit er unauffällig aber genau dem Vater eine Antwort gibt auf ungezählte, meistens in Geschrei endende Auseinandersetzungen über den wahren Glauben und die rechte Frömmigkeit.“

Schon einige Kapitel zuvor lässt dieser Autor Schubert folgendes Gespräch führen:[6]

„Du glaubst also nicht?
Aber doch.
Und warum dann dies?
Ich glaube an Gott, an Jesus.
Und die Kirche?
An die muß ich nicht unbedingt glauben.
Es ist gut, daß dich niemand hört, Franz.“

Ihren Sitz im Leben hat dieser Passus in Härtlings Roman darin, dass Schubert im Credo all seiner lateinischen Messen, von der Messe Nr. 1 F-Dur (D 105; Uraufführung: 25. September 1814) bis zur Messe Nr. 6 Es-Dur (D 950; begonnen Juni 1828), das Glaubensbekenntnis an die katholische Kirche

„Et unam sanctam catholicam et apostolicam Ecclesiam.“

auslässt.[7]

„Ich sehe ihn als einen Wanderer, der sich seiner Zeit viel bewußter war, als seine Freunde ahnten, einer, der sich melancholisch an die Aufklärung erinnerte und der getarnt der Restauration gewachsen war und die kommende Fremde, unsere Fremde, in seiner Musik einholte.“[8]

Verwendung in modernen Medien

Ellens dritter Gesang wird in dem Computerspiel Rainbow Six: Raven Shield, sowie der Computerspielreihe Hitman: Blood Money verwendet. Auch ist er das Titellied des Films Hitman – Jeder stirbt alleine.

Im Film Der freie Wille gibt es eine längere Szene in einer Kirche, in der Ellens dritter Gesang von Bernadette Büllmann gesungen wird.

In dem Filmklassiker Fantasia ist Schuberts Werk auch vorzufinden, und auch auf dem Soundtrack zu hören, ebenso in der Zeichentrickserie South Park in Episode 2 der 2. Staffel.

In der Literaturverfilmung Christine / L’Amante pura (F/I 1958; nach Arthur Schnitzlers Liebelei;[9] Musik: Georges Auric) ist dieses Lied mit Orchesterbegleitung zu hören (Orchester, Sängerin: unbekannt). Christine (Romy Schneider), Schubert-Liebhaberin wie ihr Vater (Cellospieler am Theater in der Josefstadt)[10], verliebt sich unglücklich in einen ungebildeten, verständnislosen Dragoner (Alain Delon): Ihr Verlobter erkennt nicht einmal den als Büste in ihrem Jungmädchenzimmer stets gegenwärtigen Komponisten.[11] Christine singt ihr Gebet bei ihrer Aufnahmeprüfung am K. K. Hof-Operntheater in Wien: voll Gefühlsinnigkeit, gleichsam in düsterer Vorahnung des schweren Schicksals ihres leidgeprüften Vaters. Dieser Auftritt ist der Höhepunkt von Christines noch jungem Leben, kurz vor ihrem tragischen Ende.

Literatur

Weblinks

  1. Arrangement:
  2. Urfassung:

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Sir Walter Scott: The Lady of the Lake. Online-Text, Project Gutenberg.
  2. Nach Ingeb.org.
    Vergleiche:
  3. Deutsch, Dok. 299 (siehe Literatur)
  4. Härtling sieht sich in unmittelbarer Nähe zu Schubert:
    Der Titel eines seiner autobiographischen Romane lautet Der Wanderer (siehe Literatur). Das Gedicht Des Fremdlings Abendlied (Titel nach Schuberts Textvorlage: Der Unglückliche; nicht zu verwechseln mit D 713) von Georg Philipp Schmidt (Verfasser nach Schuberts Textvorlage: Werner; etwa Zacharias Werner gemeint?) wurde von Schubert im Jahre 1816 als Der Wanderer vertont (D 493). Schuberts Textvorlage, Deinhardsteins Dichtungen, ist abgedruckt und kommentiert in Kap. 15 von Härtlings Schubert-Roman (siehe Literatur). Das Ende besagter Autobiographie druckt, der „von Gustav Schwab herausgegebene[n] und eingeleitete[n]“ (Härtling: Wanderer, Ende von Kap. 9) Erstausgabe folgend, Wilhelm Müllers Gedichtzyklus Die Winterreise ab (siehe Literatur).
  5. Härtling: Schubert, Kap. 28 (siehe Literatur)
  6. Härtling: Schubert, Kap. 14 (siehe Literatur)
  7. Auch seine Deutsche Messe (D 872; 1826) macht hierin keine Ausnahme.
  8. Härtling: Wanderer, Schlusssatz von Kap. 15 (siehe Literatur; zu Aufklärung und Gegenaufklärung in Österreich: Josephinismus, Metternich'sches System)
  9. Arthur Schnitzler: Liebelei. Schauspiel in drei Akten. Online-Text, Projekt Gutenberg-DE.
  10. „Violinspieler am Josefstädter Theater“: Arthur Schnitzler: Liebelei. Schauspiel in drei Akten. Online-Text, Projekt Gutenberg-DE.
  11. Schon bei Schnitzler: „Fritz (noch sitzend): ‚Wer ist denn der Herr da auf dem Ofen?‘ - Christine (belehrend): ‚Das ist doch der Schubert.‘“ Arthur Schnitzler: Liebelei. Zweiter Akt. Online-Text, Projekt Gutenberg-DE.

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